Mehr als fünf Monate ist es nun her, dass die Bundesregierung den Lockdown light für November 2020 verkündete. Weitreichende Einschränkungen gibt es bis heute. Inbegriffen war damals eine Schließung der Gastronomie. Und deren Situation hat sich zwischen den Lockerungen und Verschärfungen, die es seitdem gab, zwischen November-, Dezember- und Überbrückungshilfen nicht geändert. Wirte dürfen weiterhin niemanden in der Gaststube verköstigen. Und wer einen Hotelbetrieb hat, darf nur Dienstreisende aufnehmen. Das schlägt ins Kontor und aufs Gemüt. Normalerweise nimmt die Tourismus-Saison hierzulande zu Ostern an Fahrt auf, stattdessen gibt es Befürchtungen über Unternehmensschließungen (siehe Text unten). Gastwirte aus der Region, die zum Teil schon zu Beginn des Lockdowns zu Wort kamen, berichten von ihren Erfahrungen. Wie ist die Stimmung? Wie lief es mit den staatlichen Hilfen? Und wie sehen sie die Zukunft?

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Eine große Sorge gilt dem Personal. Anja Rösner, die die Bibermühle in Tengen und im elterlichen Betrieb der Rastanlagen im Hegau auch das Personalbüro führt, sagt: „Wir verlieren die Fachkräfte.“ Die Mitarbeiter kämen mit dem Kurzarbeitergeld nicht mehr aus und würden sich andere Jobs suchen. Und Mitarbeiter aus dem Ausland seien mitunter wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, wo die Betriebe teilweise schon wieder öffnen dürften. In Deutschland gebe es hingegen keine Perspektive für eine Öffnung, auch ihren Azubis könne sie nichts anbieten. Rösner ist sicher: „Jetzt dauert der Lockdown einfach zu lange.“ Immerhin gebe es an der Rastanlage Geschäftsreisende und die Tankstelle, die etwas Umsatz bringen. Ihr Blick in die Zukunft ist düster.

Dehoga befürchtet, dass Gastwirte ihre Betriebe aufgeben

Aus der Perspektive von Heinz Stärk ist die Lage nicht besser. Er leitet das Hotel Lamm in Singen und ist Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Die Geschäftsreisenden, die er aufnehmen dürfe, würden nicht genügen. Und er befürchtet Konkurse unter den Gastronomiebetrieben. Wen es betrifft, sei reine Spekulation, viel hänge vom Kundenverhalten nach einer Öffnung ab. Doch er gibt zu bedenken, dass manch einer, der sein Geschäft ohnehin altershalber aufgeben wollte, die Schließung jetzt vielleicht vorzieht. Die Stimmung beschreibt er mit einem Wort: Frust.

„Gerade haben wir keine Perspektive, wie es weitergehen könnte.“ Heinz Stärk, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und ...
„Gerade haben wir keine Perspektive, wie es weitergehen könnte.“ Heinz Stärk, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Kreis Konstanz | Bild: Tesche, Sabine

Der Blick in die Zukunft, das sei wie blind Autofahren, sagt Petra Stier, Inhaberin des Hotels Kranz in Gottmadingen. Man wisse nicht, was als nächstes passiere. Und sie beschreibt das Motivationsproblem: „Man muss schon aufpassen, dass man nicht in ein Loch fällt, dass man keine Kraft mehr hat.“ Sie lenkt den Blick darauf, dass die Corona-bedingten Schließungen ganze Lebensplanungen durcheinander wirbeln würden. So habe sie eigentlich geplant, den Betrieb mit 60 Jahren an ihren Sohn zu übergeben. Nun stelle sie sich darauf ein, noch ein paar Jahre länger zu arbeiten. Auch die Lebensplanung der Jungen sei nun dahin. Und die langfristige Perspektive? Man müsse eine Sicherheit haben, seinen Beruf ausüben zu können, sagt Petra Stier – die Skepsis ist nicht zu überhören.

Gartenarbeit statt Gastronomie: Anja Rösner (links) will, dass es rund um die Bibermühle in Tengen-Blumenfeld aufgeräumt ist. Dabei ...
Gartenarbeit statt Gastronomie: Anja Rösner (links) will, dass es rund um die Bibermühle in Tengen-Blumenfeld aufgeräumt ist. Dabei helfen ihre Kinder – im Vordergrund Sohn Felix – und manchmal auch deren Freunde. | Bild: Tesche, Sabine

Andreas Piller, Inhaber von Pilles Treff in Rielasingen-Worblingen, bietet wie Stier seine Speisen außer Haus an. Die Leute im Ort würden das Angebot gut annehmen. Für ihn ist das auch eine Möglichkeit, weiterhin bei den Menschen präsent zu bleiben – damit sie später wiederkommen, wenn die Gaststätten wieder öffnen dürfen. Doch wann es soweit ist? Im Mai sehe er eine Öffnung der Gastronomie eher nicht, zu groß dürfte die Sorge vor Ansammlungen zum 1. Mai und zu Christi Himmelfahrt sein, lautet Pillers Einschätzung. Er verstehe allerdings nicht, warum man nicht wenigstens Bewirtung im Freien erlaubt. Der Lockdown im Herbst war ein Schlag für ihn, zumal er viel investiert habe, um seine Terrasse zu überdachen und mehr Abstand für Gäste zu bieten. Erschwerend komme hinzu, dass der Fußballbetrieb mit seinen vielen Zuschauern für sein Lokal an der Sportanlage Talwiese wegfalle.

Bei den staatlichen Hilfen hakelt es

Die staatlichen Hilfen kamen bei allen Befragten an, allerdings war es mitunter hakelig, bis das Geld wirklich geflossen ist. So berichtet Anja Rösner davon, dass die Hilfe nur schleppend gelaufen sei. Andreas Piller sagt, er habe zwar von guten Vorjahresmonaten profitiert, doch zum Überleben würden die Hilfen allein nicht reichen. Die November- und Dezember-Hilfen habe er in sein Geschäft investiert. Und bei der Überbrückungshilfe III, die es für die Monate ab Januar gibt, könne man nur einen Teil der laufenden Fixkosten bekommen, keinen Unternehmerlohn oder private Kosten wie Krankenversicherung. Stärk sagt dazu: „Ohne Ertrag kann man auch von nichts leben.“ Man müsse nun das verbrauchen, was noch auf der hohen Kante ist.

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Ist die Schließung sinnvoll? Dabei gehen die Meinungen auseinander. „Niemand versteht, warum man die Speisegastronomie zumacht“, meint etwa Anja Rösner. Ein Friseur arbeite direkt am Kopf, ein Kellner stelle lediglich einen Teller hin und trage auch noch eine Schutzmaske. Den Vergleich mit dem Friseur bemüht auch Heinz Stärk. Dabei sei die Gastronomie in keiner Phase der Pandemie als Infektionstreiber erkennbar gewesen. Und er betont, dass es dem Verband um eine Öffnung mit Verantwortung gehe: „Wir im Dehoga sind keine Corona-Leugner.“ Petra Stier sagt, die Motivation für die Einschränkungen könne sie verstehen – etwa mit Blick auf die Mitarbeiter in den Krankenhäusern, die die Corona-Pandemie ausbaden müssen. Dehoga-Chef Stärk erklärt aus Sicht der Gastronomen trotzdem: „So wie jetzt können wir nicht mehr lange weitermachen.“