Hausberg oder Sehenswürdigkeit, Denkmal oder Ruine, Burg oder landschaftlicher Blickpunkt am Ende des Bodensees – der Hohentwiel bietet viele Perspektiven. Insgesamt 180 Ansichten haben Christoph Bauer, Leiter des Singener Kunstmuseums, und Stadtarchivarin Britta Panzer zusammengetragen und zum Jubiläumsjahr des Hohentwiel eine umfassende Ausstellung im Rahmen des Kulturschwerpunktes „50 Jahre unser Hohentwiel„ konzipiert.

Im Zuge der baden-württembergischen Gebietsreform wurde der Hohentwiel erst 1969 aus der vormals württembergischen Gemarkung des damaligen Oberamtes Tuttlingen nach Singen umgemeindet. Dieses 50-jährige Jubiläum ist Anlass für die gemeinsame Ausstellung: „HTWL. Der Twiel im Blick“, in der Kunstwerke vom 17. Jahrhundert bis heute gezeigt werden.

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Die Ausstellung soll einen Überblick geben, wer wann welches Bild vom Hohentwiel gezeichnet und geprägt hat und welchen Anteil – vom späten Barock bis in die zeitgenössische Kunst – Künstler und Auftraggeber daran hatten. „Schon ein erster Blick macht deutlich, dass Künstler den Hohentwiel immer wieder neu und erstaunlich anders dargestellt haben“, beschreibt Ausstellungsmacher Christoph Bauer die Intention der Ausstellung.

Wertvolle Leihgaben aus öffentlichen Museen und privaten Sammlungen in der Schweiz und aus Deutschland runden die Ausstellung ab. So reicht der zeitliche Bogen der Schau von 1643 bis zur zeitgenössischen Kunst, von frühen Stichen – beispielsweise von Matthäus Merian, bis zu modernen Arbeiten, darunter die imposante Hegau-Landschaft des Malers Matthias Holländer, die fotorealistisch verstört.

Sichtweisen von 1700 bis heute

Die Blickwinkel der Betrachter wechseln beständig: mal ist der Berg im Zentrum, Mal im Hintergrund als Teil der Hegaulandschaft vor Seeromantik. „So hat die Kunst unsere Erwartung an den Anblick über Jahrhunderte geprägt“, erklärt Bauer und lädt die Besucher zu einer imposanten Zeitreise ein, in der die Gemälde von Joseph Mosbrugger, Friedrich Thurau oder Emil Thoma ebenso einen wichtigen Aspekt darstellen, wie die nach 1900 entstandenen Ansichten des bedeutenden schwäbischen Freilichtmalers Gustav Schönleber.

Museumsleiter Christoph Bauer und Stadtarchivarin Britta Panzer vor einer naturalistische Hohentwielansicht von Joseph Moosbrugger.
Museumsleiter Christoph Bauer und Stadtarchivarin Britta Panzer vor einer naturalistische Hohentwielansicht von Joseph Moosbrugger. | Bild: Matthias Biehler

„Erstaunlich ist, dass gleich mehrere Maler der Neuen Sachlichkeit den Hohentwiel dargestellt haben“, zeigt Bauer auf die Arbeiten von Georg Schrimpf, Franz Lenk und dem Bermatinger Adolf Dietrich, dessen Werk der naiven Malerei seiner Zeit zugerechnet wird.

Otto Dix (1891-1969), Grüne Landschaft (Twiel mit Stoffeln im Herbst), 1948, Ölfarben auf Karton, Sammlung Kunstmuseum Singen,
Otto Dix (1891-1969), Grüne Landschaft (Twiel mit Stoffeln im Herbst), 1948, Ölfarben auf Karton, Sammlung Kunstmuseum Singen, | Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Einen ganzen Werkblock an Zeichnungen und Gemälden widmet die Ausstellung Otto Dix. „Bewusst haben wir diesen neusachlichen, die veristischen Werke der Bodenseemaler Heinrich Lotter, Hans Dieter und Walter Waentig gegenübergestellt, nicht zuletzt für den Konflikt um die Rezeption der neusachlichen Landschaftsmalerei in der Zeit des Nationalsozialismus“, erläutert Bauer.

Auch der Singener Maler Curth Georg Becker ist im Ausstellungskonzept vertreten, wie Museumsleiter Christoph Bauer zeigt.
Auch der Singener Maler Curth Georg Becker ist im Ausstellungskonzept vertreten, wie Museumsleiter Christoph Bauer zeigt. | Bild: Biehler, Matthias

In der Nachkriegszeit greift die Landschaftsmalerei der Höri-Künstler, die in der Zeit des Nationalsozialismus an den Rand des Reiches geflüchtet waren und hier heimisch geworden sind, expressionistische Traditionen auf, wie die Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken von Karl Oßwald, Carl Roesch, Jean Paul Schmitz, William Straube, Rudolf Stuckert oder Rose Marie Schnorrenberg dokumentieren.

„Eine Werkgruppe von Curth Georg Becker rundet diesen Ausstellungsteil ab“, so Bauer. Bewusst schließe die Ausstellung mit dem paradoxen Gemälde „Hegau“ von Matthias Holländer und der Videoarbeit „Handlauf Hohentwiel“ des performativ arbeitenden, im nahen thurgauischen Müllheim lebenden Künstlers Christoph Rütimann.

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Thematisch ergänzt wird der Blick auf den Berg durch den Blick auf zwei Persönlichkeiten: Konrad Widerholt und Joseph Viktor von Scheffel. Widerholt war unbezwungener Festungskommandant im Dreißigjährigen Krieg, Scheffel Autor des historischen Romans „Ekkehard“, der die Ruine zur mystischen Burg aus dem 10. Jahrhundert verklärte und den Hohentwiel neu in den Blick der wilhelminischen Öffentlichkeit rückte. „In der Ausstellung sind etliche Zeichnungen Scheffels und illustrierte Ekkehard-Ausgaben zu sehen“, zeigt sich Stadtarchivarin Britta Panzer erfreut über die intensive Zusammenarbeit der städtischen Kultureinrichtungen.