Der Kreisverband Konstanz der Alternative für Deutschland (AfD) wird im baden-württembergischen Landesverband offenbar zur Chefsache. Das legt zumindest eine Einladung zur Neuwahl eines Kreisvorstands nahe, die sich an die Mitglieder des Kreisverbands Konstanz richtet und die der Redaktion vorliegt. Demnach findet die Veranstaltung am Freitag, 25. April, ab 18 Uhr im Nebenraum der Gaststätte „Zum Schrebergarten“ in Radolfzell statt. Unter dem Schreiben, das nicht handschriftlich unterzeichnet ist, stehen alle 14 Namen des AfD-Landesvorstands. Als Hintergrund für die Neuwahl wird genannt, dass der vorige Kreisvorstand am Sonntag, 6. April, komplett zurückgetreten ist.

Das war bis dahin der jüngste Schritt in einem länger andauernden Konflikt im AfD-Kreisverband, der schon längst über parteiinterne Schiedsgerichte und Gruppen in Messenger-Diensten und sozialen Medien ausgetragen wird. Zur Erinnerung: Parteiinterne Kritiker gehen davon aus, dass Mitgliederversammlungen im Juni und Juli 2024 satzungswidrig zustande gekommen sind, und haben deswegen Beschwerden beim Landesschiedsgericht eingelegt. Die Wahlergebnisse bei diesen Versammlungen seien daher ebenfalls nicht gültig – und der jüngste Konstanzer Kreisvorstand der in Teilen rechtsextremen Partei irregulär im Amt.

Früherer Vorstand soll offenbar wieder gewählt werden – trotz Anfechtungen

Laut einer Nachricht von eben diesem Kreisvorstand an die Mitglieder vom 6. April sollte nach dem Kollektivrücktritt ein „vorübergehender Notvorstand durch den Landesvorstand“ eingesetzt werden. Dazu kam es aber offenbar nicht, wenn der Landesvorstand zur Versammlung lädt.

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Das Ziel ist an diesem Abend offenbar, den früheren Vorstand erneut ins Amt zu wählen. Das geht jedenfalls aus einer Pressemitteilung des AfD-Stadtverbands Konstanz vom 8. April hervor. Der Verband stehe fest hinter dem zurückgetretenen Kreisvorstand, heißt es darin. Und Michael Stauch, Vorsitzender des Stadtverbands und der AfD-Kreistagsfraktion, wird folgendermaßen zitiert: „Wir sind sehr zuversichtlich, dass der alte Vorstand auch der neue sein wird.“

Durch die Neuwahl sollen Zweifel an der Legitimität ausgeräumt werden, wird Stauch weiter zitiert. Damit widerspreche man auch den „Gerüchten über ein angeblich bestehendes Zerwürfnis“.

Es rumort weiter in der AfD

Dennoch rumort es in der Kreis-AfD offenbar weiter. So kursiert laut SÜDKURIER-Informationen ein kritischer Beitrag in AfD-bezogenen Messenger-Gruppen. Darin ist unter anderem davon die Rede, dass der Kreisvorstand durch die Neuwahl wohl meine, „das Illegale damit legalisieren zu können“.

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Gewaltiges Knirschen ist auch rund um das Landesschiedsgericht zu vernehmen. So wurde der Redaktion ein Befangenheitsantrag, datiert auf den 7. April 2025, gegen einen der damaligen Landesschiedsrichter zugespielt. Der Antrag ist laut SÜDKURIER-Recherchen authentisch. Vorwurf war, dass Anträge zum Kreisverband Konstanz schon kurz nach ihrem Eingang in AfD-Facebook-Gruppen diskutiert worden sein sollen; entsprechende Screenshots liegen dem Schreiben bei.

Der Landesschiedsrichter, gegen den sich der Antrag richtete, steht inzwischen nicht mehr auf der Liste des parteiinternen Gremiums, das in Konfliktfällen schlichten soll. Er ist laut SÜDKURIER-Informationen nun Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten.

Auch öffentliche Gerichte befassen sich inzwischen mit der Partei

Eine andere Auseinandersetzung wird inzwischen auch vor öffentlichen Gerichten geführt. Karin Pütz war Schatzmeisterin der Kreis-AfD; sie wurde im Juni 2024 für die AfD in den Kreistag gewählt, trat der dortigen AfD-Fraktion aber nicht bei. Als einen Grund dafür führten sie und Janine Steiner, die denselben Schritt tat, damals auch „extremistische Äußerungen eines AfD-Kreistagsmitgliedes“ an, unter anderem ein Video, das Stauch zugeschrieben wird, in sozialen Netzwerken kursierte und in dem dieser mehrfach von Kanaken gesprochen habe.

Und Pütz ist eine derjenigen, die die Vorstandswahlen des Jahres 2024 anfechten. Der Kreisverband habe sie gerichtlich dazu zwingen wollen, ihre Buchhaltung für Anfang 2024 an eine neue Schatzmeisterin herauszugeben, die am 6. April ebenfalls zurückgetreten war. Dagegen wehrte sich Pütz, weil sie diesen Kreisvorstand als nicht rechtmäßig im Amt betrachtet.

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Anke Baumeister, kommissarische Direktorin des Amtsgerichts Singen, berichtet dazu, es habe einen Vergleich gegeben, wonach Pütz „die Forderungen des Kreisverbands akzeptiert hat, die Verfahrenskosten aber gegeneinander aufgehoben wurden“. Angesichts deutlich höherer Kosten, mit denen ihr gedroht worden sei, sei sie darüber erleichtert gewesen, sagt Pütz dazu.

„Da habe ich klar benannt, dass der Vorstand nicht rechtmäßig im Amt ist.“ Karin Pütz, frühere Schatzmeisterin des AfD-Kreisverbands ...
„Da habe ich klar benannt, dass der Vorstand nicht rechtmäßig im Amt ist.“ Karin Pütz, frühere Schatzmeisterin des AfD-Kreisverbands Konstanz | Bild: AFD

Steffen Jahnke, bis zum 6. April als Sprecher des AfD-Kreisverbands amtierend, ließ eine Anfrage zu dem Verfahren unbeantwortet.

Wäre die Nominierung von Kandidaten gefährdet gewesen?

Je nach juristischer Bewertung der Vorgänge rund um die umstrittenen Vorstandswahlen kann es darauf hinauslaufen, dass der AfD-Kreisverband Konstanz neun Monate lang keinen regulären Vorstand hatte – und das Landesschiedsgericht nichts dagegen unternommen hat. Doch auch das Landesschiedsgericht schweigt sich aus und ließ eine, zugegeben kurzfristige, Anfrage unbeantwortet.

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Dass der zuletzt amtierende Vorstand kollektiv am 6. April zurückgetreten ist, schreibt Pütz auch ihren eigenen Äußerungen zu, die sie bei einem Termin zu ihrem Parteiausschluss in Stuttgart am Freitag, 4. April, getätigt habe: „Da habe ich klar benannt, dass der Vorstand nicht rechtmäßig im Amt ist.“ Möglicherweise habe es dann einen Hinweis an den AfD-Kreisverband Konstanz gegeben, dass die ganze Sache zu heiß werde.

Denn eine mögliche Konsequenz eines illegitimen Vorstands hätte sein können, dass auch Nominierungen von Kandidaten für die Landtagswahl 2026 hinfällig werden. Nach SÜDKURIER-Informationen sollen die Kandidaten der AfD für die Wahlkreise Singen und Konstanz im Mai nominiert werden.