In den meisten Fällen sind Bebauungspläne eine routinierte Sache. Verwaltungen organisieren die nötigen Gutachten, die kommunalen Gremien stimmen zu und alle Beteiligten sind sich einig, dass es neuen Wohnraum braucht. So hätte es auch im Singener Ortsteil Schlatt unter Krähen sein können. 46 Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften sollen dort im Neubaugebiet Bettenäcker entstehen. Es ist laut Schlatts Ortsvorsteher Markus Moßbrugger die einzige Möglichkeit, das Dorf weiterzuentwickeln, und wird schon seit Jahren geplant. Die Stadtverwaltung treibt das Projekt voran und laut Moßbrugger steht auch der Ortschaftsrat dahinter.

Doch schon seit Längerem werden die Pläne kritisch begleitet. Eine Bürgerinitiative hat sich gebildet und nach eigenen Angaben 155 Unterstützer aus dem Ort um sich geschart, die ein Ziel haben: Das Neubaugebiet am nördlichen Ortsrand von Schlatt zu verhindern.

Bürgerinitiative hat viele Kritikpunkte

Die größten Kritikpunkte der Bürgerinitiative beziehen sich auf Wasser, Baugrund und die Befürchtung von Rechtsstreitigkeiten. Vor allem das Thema Wasser macht der Gruppe Sorgen, wie bei einem Gespräch mit der Redaktion deutlich wurde. Nicht zuletzt hat das Dorf Schlatt seinen Namen wahrscheinlich von dem althochdeutschen Wort Slate, was Sumpf bedeutet – so stellt es die Ortsverwaltung selbst im Internet dar. Und wo ein Sumpf ist, ist auch Wasser, was übrigens schon Ende 2023 Thema im Singener Gemeinderatsausschuss für Stadtplanung, Bauen und Umwelt (SBU) war.

Vertreter der Bürgerinitiative, die sich gegen das geplante Neubaugebiet Bettenäcker im Singener Ortsteil Schlatt unter Krähen wehrt ...
Vertreter der Bürgerinitiative, die sich gegen das geplante Neubaugebiet Bettenäcker im Singener Ortsteil Schlatt unter Krähen wehrt (von links): Daniel Gantert, Julia Gantert, Juliane Di Lascio, Sonja Fetzer und rechts Barbara Weiler. Zweiter von rechts ist Rainer Behn vom BUND Singen. | Bild: Freißmann, Stephan

Nach Auffassung der Bürgerinitiative ist die Gefahr durch Wasser für die möglichen neuen Häuser weiterhin gegeben. Nach Regen stehe ein Teil des Gebiets nördlich des Dorfes häufig unter Wasser, schildert beispielsweise Sonja Fetzer bei dem Gespräch. Der Täglewiesengraben nördlich des Dorfes laufe schon bei gewöhnlichem Regen voll.

Bereits Ende 2023 hatte die städtische Stadtplanerin Sandra Fleschhut daher darauf hingewiesen, dass Neubauten nur relativ nah am bestehenden Ortsrand und damit höher gelegen als die Gewässer errichtet werden könnten.

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Sorge macht der Initiative nun auch, dass ein Feldweg, der von der Mühlhauser Straße abzweigt, per Damm angehoben und zur Zufahrtsstraße für das Baugebiet ausgebaut werden soll. Dann könnten sich Überflutungsflächen verschieben im Vergleich zu einem Hochwasserschutzkonzept von 2020, in dem das geplante Baugebiet noch kein Thema war. Fetzers Befürchtung: Ein Teil des Neubaugebiets könnte in einem Überflutungsgebiet liegen.

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Auch mit dem Grundwasser gebe es in der Gegend bereits Probleme, sagt Julia Gantert von der BI. Daher sieht die Planung für das Baugebiet, die 2023 im SBU-Ausschuss vorgestellt wurde, vor, dass Häuser im Neubaugebiet keinen Keller haben dürfen. Da die neuen Bauplätze niedriger liegen sollen als der Bestand, geht Sonja Fetzer trotzdem davon aus, dass die untere Kante etwa auf derselben Höhe liegt wie die Unterkante der Keller im Bestand.

Auch der Baugrund macht Probleme

Auch den schwierigen Baugrund macht die BI zum Thema, wie Barbara Weiler erklärt. Ein geologisches Gutachten von 2021 empfehle an vielen Stellen eine Bebauung nicht, sagt sie. Diese Passage findet sich tatsächlich in dem Gutachten, das den Gemeinderatsunterlagen beiliegt. Und das Gutachten macht umfangreiche Vorschläge für Vorsichtsmaßnahmen beim Bauen. Schon 2023 war daher im SBU die Rede davon, dass Neubauten nicht zu schwer sein dürfen.

Ein Blick auf das Gelände, auf dem das Neubaugebiet Bettenäcker in Schlatt unter Krähen entstehen soll. Das Archivbild stammt von 2023.
Ein Blick auf das Gelände, auf dem das Neubaugebiet Bettenäcker in Schlatt unter Krähen entstehen soll. Das Archivbild stammt von 2023. | Bild: Lara Reinelt

Juliane Di Lascio von der BI wirft im Gespräch die Frage auf, ob ein Neubaugebiet überhaupt notwendig ist oder ob Innenverdichtung nicht ausreichen würde. Und natürlich sorgen sich die Wortführer der BI auch um ihre Zuhause, wie Julia Gantert erklärt. Denn sie befürchten Schäden an bestehenden Gebäuden, wenn es durch Neubauten Setzungen geben sollte – Rechtsstreitigkeiten inklusive.

Dass es ihnen nur um Eigeninteressen geht, weisen die Ansprechpartner der Bürgerinitiative allerdings zurück: „Wir lehnen das aus Verantwortung ab, nicht aus Prinzip“, sagt Julia Gantert.

Stadt plant erneute Informationsveranstaltung

Die Stadtverwaltung kenne die kritischen Stimmen, verlautet nun auf Anfrage aus der städtischen Presseabteilung, einerseits durch Einwände der BI im Laufe des Bebauungsplanverfahrens. Drei davon habe man seit Anfang 2024 eingereicht, sagt Daniel Gantert von der BI. Andererseits listet die Pressestelle auch drei persönliche Treffen von Verwaltung und BI auf.

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Die Verwaltung prüfe die Einwände sehr umfassend, so die Pressestelle. Durch Vorgaben im Bebauungsplan, zu denen auch Empfehlungen zur Gründung der Gebäude, für leichte Holzbauweise und für Baugrundgutachten gehören, werde die Bebauung ermöglicht. Zahlreiche städtische Abteilungen und externe Fachplaner seien dafür im Kontakt. Die Einwände und Vorschläge der BI würden nun geprüft und die Verwaltung bereite die Unterlagen für den Satzungsbeschluss des Bebauungsplanes vor, so die Pressestelle weiter. Außerdem sei eine erneute Bürgerinformationsveranstaltung in Planung.

Bebauung ist fachlich machbar, sagt Stadtverwaltung

Aufgeben will die Stadtverwaltung das Baugebiet Bettenäcker aber offenbar nicht: „Durch die o.g. Maßnahmen, die im Bebauungsplan vorgegeben werden, ist die Umsetzung der Bebauung nicht schwierig, sondern aus fachlicher Sicht gut machbar“, heißt es in der Stellungnahme noch. Dass an dieser Stelle gebaut werden soll, sei im Übrigen schon jahrelang bekannt, so die Presseabteilung. Die Erweiterung nach Norden stimme mit dem Dorfentwicklungskonzept überein und auch der Ortschaftsrat sei dafür.

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Ortsvorsteher Markus Moßbrugger bestätigt das: „Der Ortschaftsrat will das Baugebiet umsetzen.“ Jahrelang habe es keine neuen Bauplätze im Ort gegeben. Man wolle aber nicht stehen bleiben, sondern es müsse weitergehen. Und laut dem Dorfentwicklungskonzept sei Norden die einzige Himmelsrichtung, in der neue Grundstücke möglich seien, da in anderen Himmelsrichtungen viel geschützte Natur sei.

Ob das neue Baugebiet aber technisch möglich ist, dazu könne er nichts sagen, so Moßbrugger: „Das müssen die Spezialisten der Stadtverwaltung klären.“