Das börsennotierte Großunternehmen Vonovia macht immer wieder von sich reden. Nicht nur, weil es hunderttausende Wohnungen sein Eigen nennt. Sondern auch, weil das Unternehmen Geld verdienen will mit einem menschlichen Grundbedürfnis, dem Wohnen – in sehr viel größerem Maßstab als andere Vermieter. 2018 gab es in der Region heftigen Ärger, als das Unternehmen Häuser in Konstanz sanierte.
Doch Vonovia ist auch in Singen mit 217 Wohnungen am Markt vertreten. Diese Zahl nennt Martin Löhle, Regionalleiter Bodensee bei Vonovia. Damit ist das Unternehmen, das seinen Sitz in Bochum hat, nicht der größte Akteur auf dem hiesigen Mietwohnungsmarkt. Zum Vergleich: Die Baugenossenschaft Hegau mit Sitz in Singen gibt ihren Wohnungsbestand mit 1956 an. Allerdings befinden sich diese Wohnungen nicht nur in Singen, sondern in der ganzen Region. Und der Baugenossenschaft Oberzellerhau, ebenfalls mit Sitz in Singen, gehören nach eigenen Angaben 1545 Wohnungen. Trotzdem lohnt sich ein genauerer Blick.

Denn Vonovia besitzt nach eigenen Angaben mehr als 540.000 Wohnungen – und investiert, auch in Singen. Das Unternehmen teilt mit, dass es nun im großen Stil Solaranlagen für die Stromerzeugung auf den Dächern seiner Häuser installieren will. 6,5 Millionen Euro sollen dafür noch dieses Jahr in ganz Baden-Württemberg investiert werden, ein Teil davon fließt nach Singen. Auf drei Gebäuden im Malvenweg, direkt neben der Schillerschule, sollen 74 Kilowatt Maximalleistung installiert werden.
Diese Gebäude hat das Unternehmen erst kürzlich energetisch saniert und dafür laut einer Pressemitteilung 1,3 Millionen Euro investiert. Auch in einem Gebäude des Unternehmens in der Max-Porzig-Straße bezahle man nun knapp 600.000 Euro für eine energetische Sanierung.
Unternehmen will viel Solarstrom ernten
Anders als bei energetischen Sanierungen sei es bei Investitionen für Photovoltaik-Anlagen nicht möglich, einen Teil der Kosten auf die Mieter umzulegen, sagt Martin Löhle als Regionalleiter bei Vonovia. Warum investiert das Unternehmen trotzdem? Matthias Wulff von der Presseabteilung begründet das mit der Klimastrategie des Unternehmens: „Bis 2045 wollen wir weitgehend treibhausgasneutral sein.“
Und Löhle ergänzt: „Dabei geht es auch um die gesellschaftliche Verantwortung eines großen Unternehmens.“ Gut möglich ist aber auch, dass Geldgeber bei Investments zunehmend auf Umweltkriterien achten.
Auch in der Max-Porzig-Straße lasse das Unternehmen prüfen, ob man eine PV-Anlage installiere, sagt Löhle. Der Strom werde dann ins Netz eingespeist oder per Eigenstrommodell an die Mieter verkauft, erklärt er. Das sei dann etwas günstiger als in der Grundversorgung der Energieunternehmen.
Konstanz war eine Lehre: So darf es nicht nochmal laufen
Gab es bei den Sanierungen in Singen ähnlichen Ärger wie bei Sanierungen in der Konstanzer Schwaketenstraße ab dem Jahr 2018? Damals sanierte das Unternehmen Fassaden und Leitungen in mehreren Wohnblöcken, Bewohner mussten zeitweise in Containern duschen. Eine große Mieterinitiative wehrte sich mit dem Mieterbund Bodensee unter anderem gegen die in Aussicht gestellte Mieterhöhung und kritisierte die Arbeiten als unnötig – die vorige Sanierung sei noch nicht allzu lange her gewesen. Der Konflikt dauerte lang, am Ende gab es einen Kompromiss zwischen Mieterbund und Unternehmen über die Höhe der Mieten.
Die Arbeiten in Singen sind von außen gesehen hingegen völlig geräuschlos abgelaufen und auch Löhle sagt, dass sie deutlich weniger kritisch gewesen seien. Rückblickend sagt Löhle über die Sanierungen in Konstanz: „Eine Lehre daraus war: So dürfen wir es nicht nochmal machen.“ In Singen habe es keinen großen Eingriff in die Wohnungen selbst gegeben. Die energetische Sanierung betrifft im Wesentlichen die Gebäudehülle, installiert wurden laut Löhle auch neue große Balkone.
Mieterbund kritisiert das Unternehmen
Und die Höhe der Mieten, die in Konstanz noch ein großer Streitpunkt war, sei in Singen nicht das Thema gewesen, sagt Löhle. Zumindest sei im Unternehmen nicht bekannt, dass Mieter deswegen ausgezogen seien. Das bestätigt Winfried Kropp als Vorsitzender des Mieterbundes Bodensee. Er sieht „einen gewissen Lerneffekt“ bei Vonovia.
Dass es weniger Konflikte gibt, führt Kropp auch auf eine Gesetzesänderung zurück, die unter anderem in dem Streit in Konstanz ihren Ursprung gehabt habe. Seit 2019 dürfen Kosten für Modernisierungen nicht mehr im selben Umfang auf die Mieter umgelegt werden wie zuvor. „Für die Mieterseite ist das eine Verbesserung. Eigentümer fangen keine unvernünftigen Sachen mehr an“, so Kropp mit Blick aufs Allgemeine. Dennoch gebe es immer wieder die Diskussion, welche Arbeiten nun zur Modernisierung gehören und welche zur Instandhaltung – letztere dürfen nämlich nicht auf die Mieter umgelegt werden.
„Es geht nicht um bezahlbaren Wohnraum“
Aus Sicht des Mieterbundes bleibt allerdings Kritik. „Es geht ums Geldverdienen, nicht um bezahlbaren Wohnraum“, wie es Kropp pointiert formuliert. So seien im vergangenen Jahr 23 Prozent der Mieteinnahmen in die Dividende geflossen – trotz eines Verlusts von 6,8 Milliarden Euro, über den Medien berichtet hatten.
Vonovia-Sprecher Olaf Frei hält dagegen: „Im Jahr 2023 haben wir doppelt so viel Geld in unsere Häuser und Wohnungen investiert, wie per Dividende ausgeschüttet wurde.“ Und er fügt hinzu, dass die Dividende nicht nur aus den Mieten, sondern allen Geschäftsbereichen finanziert werde, etwa auch aus dem Verkauf von Wohnungen.
Die Ausschüttung der Dividende sei im Prinzip eine Verzinsung für das Kapital, das die Aktionäre einsetzen, denen das Unternehmen und damit auch die Wohnungen gehören, so Frei. Und er legt nach: 2022 sei die Dividende auf 85 Cent pro Aktie reduziert worden (2021: 1,66 Euro), etwa 48 Prozent der Aktionäre hätten entschieden, die Dividende gar nicht zu kassieren, sondern im Unternehmen zu belassen.