Klimaneutralität ist im Moment das Thema schlechthin. Die Stadt Singen hat sich sogar zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu sein. Doch wo in einem Industrieland wie Deutschland die Hindernisse auf dem Weg zur grünen Wirtschaft liegen, zeigt sich an einem Baugesuch, das kürzlich im Gemeinderats-Ausschuss für Stadtplanung, Bauen und Umwelt zur Sprache kam. Die Firma Fondium hatte es eingereicht. Der Gegenstand: eine Freiflächensolaranlage, die auf einem Mitarbeiterparkplatz und auf der Wiese rund um die Theresienkapelle in der Fittingstraße entstehen könnte. Das Problem auf dem Weg zur Klimaneutralität: Selbst eine so große Solaranlage würde nur einen Bruchteil des Strombedarfs decken.

Auf dieser Wiese bei der Theresienkapelle in der Singener Fittingstraße könnte eine große Freiflächen-Solaranlage für das Unternehmen ...
Auf dieser Wiese bei der Theresienkapelle in der Singener Fittingstraße könnte eine große Freiflächen-Solaranlage für das Unternehmen Fondium entstehen. Links im Bild die Theresienkapelle, rechts im Hintergrund Anlagen des Industriebetriebs. | Bild: Freißmann, Stephan

Ein Unternehmen verbraucht so viel Strom wie alle Singener Privathaushalte

Matthias Blumentrath, einer von drei Geschäftsführern des Unternehmens Fondium mit Werken in Singen und Mettmann in Nordrhein-Westfalen, erklärt die Dimensionen. Jedes Werk des Unternehmens verbrauche jährlich etwa 100 Gigawattstunden Strom. Für den Standort Singen gelte daher: „Die Gießerei verbraucht so viel Strom wie die Privathaushalte in Singen.“ Verbraucht werde dieser Strom beispielsweise für Filtertechnik und alle Arten von Maschinen.

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Wenn Parkplatz und Wiese mit einer Solaranlage überdeckt wären, würde das sieben Prozent dieses Strombedarfs decken. „Es wäre also wirklich nur ein kleiner Baustein“, sagt Blumentrath. Langfristig solle das ganze Unternehmen CO2-neutral werden. Eine technische Möglichkeit, um diesem Ziel näherzukommen, sei die CO2-Abscheidung. So gebe es beispielsweise Chemiebetriebe, die das Gas für ihre Arbeit brauchen.

„Es wäre also wirklich nur ein kleiner Baustein.“ Matthias Blumentrath, Fondium-Geschäftsführer, über Solarenergie
„Es wäre also wirklich nur ein kleiner Baustein.“ Matthias Blumentrath, Fondium-Geschäftsführer, über Solarenergie | Bild: Dieter Ruoff/Fondium

Das Unternehmen habe ein Klimaschutzkonzept und wolle eine grüne Gießerei werden, betont der Geschäftsführer. Doch die Zahlen verdeutlichen, dass es dafür deutlich mehr Ökostrom geben müsste. Den brauche die ganze Industrie.

Ohne Koks bräuchte Fondium viermal mehr Strom

Noch deutlicher wird das, wenn man den gesamten Energieverbrauch des Unternehmens betrachtet. Das Herzstück der Gießerei ist nämlich der Kuppolofen, der mit Koks betrieben wird. Einiges spricht aus Sicht des Geschäftsführers für die Koksfeuerung. Würde man diese durch eine Elektroschmelze ersetzen, bräuchte das Unternehmen viermal mehr Strom als bisher, sagt Blumentrath: „Das ergibt ohne 100 Prozent Ökostrom keinen Sinn.“

Hinzu komme, dass die Koksfeuerung eine Energieeffizienz von mehr als 70 Prozent habe, was man bei einer Elektroschmelze nicht erreiche. Und der jetzige Kuppolofen könne vergleichsweise viele verschiedenen Schrotte vertragen – bei einem stromgetriebenen Ofen könnte man nicht so viele verschiedene Schrotte einschmelzen. Denn die Gießerei von Fondium arbeitet laut Blumentrath ausschließlich mit Recycling-Material.

Ob es überhaupt zum Bau einer so großen Solaranlage komme, sei hingegen noch nicht ganz klar. Den Mitarbeiterparkplatz wolle man auf jeden Fall dafür nutzen, sagt der Geschäftsführer. Doch die Wiese gehöre der Firma Georg Fischer. Und die Fotovoltaik-Anlage will Fondium nicht selbst betreiben, man sei noch in Gesprächen mit einem Anbieter. Doch der Geschäftsführer sagt: „Ich bin zuversichtlich, dass es klappt.“

Auch ein Mitarbeiterparkplatz (Mitte im Hintergrund) soll mit Solarmodulen überbaut werden.
Auch ein Mitarbeiterparkplatz (Mitte im Hintergrund) soll mit Solarmodulen überbaut werden. | Bild: Freißmann, Stephan

Klimaschutz wird immer wichtiger im Wettbewerb

Klimaschutz sei auch zunehmend ein Wettbewerbsfaktor, erklärt Blumentrath. Denn bei den Kunden des Unternehmens, die hauptsächlich aus der Autoindustrie kommen, werden die Klimaauflagen immer strenger. Nicht nur der Preis, sondern auch der CO2-Fußabdruck würde daher immer wichtiger. Und da spiele auch eine Rolle, dass manch ein Konkurrent weit entfernt produziert, etwa in Indien.

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Abgesehen von niedrigeren Umweltstandards schlägt dabei auch der Transport im Rohöl-betriebenen Schiff zu Buche. „Was Umwelttechnik angeht, sind wir schon in vielerlei Hinsicht ein Maßstab“, sagt Blumentrath. Und er vergleicht seinen Werkstoff Eisenguss mit Aluminium. Denn bei den für die Sicherheit eines Fahrzeugs relevanten Teilen, wie sie Fondium hauptsächlich herstellt, könne man beim Eisenguss Recycling-Material verwenden. Bei Aluminium hingegen müssten solche Teile aus frisch hergestelltem Aluminium geformt werden. Und das verbrauche bei der Herstellung sehr viel Energie.

Kämen die Solarpaneele der Gedenkstätte zu nah?

Im Fall einer möglichen Freiflächen-Solaranlage an der Fittingstraße gibt es außerdem noch eine Besonderheit. Die Anlage würde rund um die Theresienkapelle entstehen, die nach dem Zweiten Weltkrieg von deutschen Kriegsgefangenen auf einem bestehenden Luftschutzbunker errichtet wurde. Der Abstand der Solaranlage von der Gedenkstätte war das Thema, über das sich die Mitglieder des Ausschusses für Stadtplanung, Bauen und Umwelt (SBU) am meisten Gedanken machen.

Schon die Waschanlage rücke nah an die Kapelle heran, sagte Karin Leyhe-Schröpfer (Grüne). Patrick Wacker, Leiter des Singener Baurechtsamtes, erklärte, er habe bereits einen größeren Abstand angefordert und der Antragsteller habe Einverständnis signalisiert. Und Patrick Wacker vom Baurechtsamt erklärte, dass die Fläche ohnehin zur Erweiterung der Betriebe vorgehalten werde: „Auf Industrieflächen darf man das machen.“

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Hans-Peter Storz (SPD) sagte, die Grünoase sei gut an dieser Stelle, das Grün solle man erhalten. Oberbürgermeister Bernd Häusler erklärte, dass die Stadt die Bäume an der Kapelle erhalten wolle. Und: „Wir überlegen auch, wie man die Kapelle für die Zukunft gestalten kann.“ Doch das umliegende Grundstück gehöre eben der Firma Georg Fischer.