Singen – 21,2 Kilogramm Brot isst jeder Deutsche im Durchschnitt, so sagt es eine Statistik der Gesellschaft für Konsumforschung aus dem Jahr 2018. Meist wird daraus beiläufig ein Frühstück, ein Snack oder ein Abendbrot. Wenn Eric Stadelhofer ein Brot in die Hand nimmt, tut er das bedächtig. Nicht nur weil er weiß, welche handwerkliche Arbeit darin steckt. Schließlich ist Stadelhofer seit rund 30 Jahren Bäckermeister, wie schon sein Vater und seit wenigen Monaten sein Sohn. Er ist auch Brotsommelier.

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Was viele nur von Wein, Bier oder Käse kennen, gibt es auch für Brot. „Ich möchte Leuten nahebringen, ordentliches Brot zu essen und zu backen“, erklärt Stadelhofer seine Motivation. Er wolle Botschafter für das bisher zu kurz gekommene Kulturgut Brot sein. Dafür hat auch er selbst umgedacht und arbeitet noch konsequenter regional.

Eric Stadelhofer weiß: Bei gutem Brot kommt es auch auf den Geruch an.
Eric Stadelhofer weiß: Bei gutem Brot kommt es auch auf den Geruch an. | Bild: Tesche, Sabine

Schauen, riechen und schmecken. Das sind die drei Wege, wie Eric Stadelhofer ein Brot erfasst. Seine Sensorik geht dabei aber wesentlich weiter als die eines normalen Brot-Liebhabers. Allein bei der Farbe reicht die Palette des Bäckermeisters von rehbraun über kaffeebraun, kastanienbraun bis ins gelbliche. Auch beim Geschmack hat er gelernt, genau hinzuschauen: „In der Kruste allein gibt es über 300 Aromen“, erklärt Stadelhofer und beschreibt Geschmacksnoten von karamellig, nussig bis zu erdig oder fruchtig.

Außen kross und innen fluffig

In acht Modulen und 480 Stunden hat er am Deutschen Brotinstitut alles übers Brot erfahren. „Ich hätte nie gedacht, dass man nach 30 Jahren als Bäcker noch so viel lernen kann“, erzählt Eric Stadelhofer schmunzelnd. Die Liste des Instituts, was alles zu der Fortbildung gehört, ist lang und reicht von Brothistorie und -kultur über regionale Brotspezialitäten bis zu optimalen Kombinationen. Welches Brot passt zu welchem Getränk, welcher Speise, welchem Anlass? Das beschäftigt – und begeistert – auch Eric Stadelhofer. Mit einem Leuchten in den Augen erinnert er sich noch an Brioche, was mit Leberwurst, Apfel und Sellerie serviert wurde.

Geschmack ist Trumpf: Der Singener Bäcker probiert eines seiner Brote.
Geschmack ist Trumpf: Der Singener Bäcker probiert eines seiner Brote. | Bild: Tesche, Sabine

Mit all dem neuen Wissen kann Stadelhofer noch besser beschreiben, was eigentlich ein gutes Brot ausmacht. Das Backen allein mache nur zehn bis 15 Prozent des fertigen Produkts aus. „Man sollte schon eine ordentliche Temperatur haben, aber beim Backen selbst ist viel Standard“, findet er. Umso wichtiger seien die Vorbereitungen – und Zeit. „Die schnellen Brote sind nicht gut für die Verdauung“, erklärt er.

Zwölf Stunden muss der Teig ruhen

In seiner Backstube bekommen die Teige mindestens zwölf Stunden Zeit, um sich zu entwickeln. Dann brauche man nur ganz wenig oder gar keine Hefe, und vor allem keine Zusatzstoffe. Denn das Aroma käme über den Sauerteig. Der Sauerteig, den Stadelhofer für seine Brote verwendet, sei schon knappe 20 Jahre alt. „Der hält ewig, wenn man ihn entsprechend behandelt“, erklärt der Bäcker. Dabei sei beispielsweise Hygiene sehr wichtig.

Regional ist das neue Bio

Auf eine sogenannte lange Teigführung setzt Stadelhofer seit vier oder fünf Jahren. 95 Prozent der Teige würden nun mehr Zeit bekommen. Ziel sind 100 Prozent. Bislang scheitere das beispielsweise an spontanen Bestellungen von größeren Kunden, doch das soll in den nächsten Jahren noch optimiert werden.

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In den vergangenen Jahren habe er bereits Einiges umgestellt: Sonntags hat die Filiale an der Rielasinger Straße in Singen geschlossen, manche Brote gebe es außerdem nur an gewissen Tagen. Es könne auch mal vorkommen, dass es am Nachmittag bestimmte Produkte nicht mehr zu kaufen gebe – damit nicht unnötig Brot weggeschmissen werden muss. Wenn doch etwas übrig bleibe, würde das an Landwirte und Kleintierzüchter gegeben. „Bei uns kommt eigentlich nichts in die Tonne.“

Eric Stadelhofer (re.) hat auch schon mit Spitzenkoch Johann Lafer gebacken.
Eric Stadelhofer (re.) hat auch schon mit Spitzenkoch Johann Lafer gebacken. | Bild: Eric Stadelhofer

Was keinen Platz mehr in der Backstube hat, sind Zutaten aus aller Welt: Bis zur Corona-Pandemie fanden sich auch Kürbiskerne aus China in Stadelhofers Vorratsschrank. Damit sei seit einigen Monaten Schluss, auch die Sonnenblumenkerne stammen jetzt von der Schwäbischen Alb. „Wir gucken, dass wir so viel wie möglich regional herbringen“, erklärt Stadelhofer. Eier kämen vom Hönighof, Äpfel aus Meersburg, Wasser aus Randegg und die Mehle aus Orsingen. „Regional ist fast das neue Bio“, findet der Bäcker.

Auch Bäcker müssen rechnen

Dass viele Bäcker mit vorgefertigten, industriell hergestellten Teiglingen arbeiten, beobachte er nicht: „Jeder Bäcker muss rechnen.“ Industrieware sei nicht günstiger als selbstgemacht, außerdem fehle dem Bäcker dann etwas Individuelles. Dabei würden viele Kunden genau das schätzen. Sein Tipp für Brot-Liebhaber: „Einfach schwätzen mit den Leuten.“ Auch beim Bäcker könne man fragen, was in einem Brot drin ist und wie es hergestellt wurde.

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In den vergangenen Monaten haben auch viele Hobbybäcker ihre Leidenschaft zum Brotbacken entdeckt. Das will der Bäckermeister nicht verteufeln: Mittlerweile könne man auch zuhause ganz gut Brot backen. „Es ist toll, wen Leute selbst backen. Dann wissen sie zu schätzen, was der Bäcker macht“, findet Stadelhofer. Damit das künftig noch viel mehr Menschen zu schätzen wissen, will Eric Stadelhofer die Besonderheiten des Kulturguts in Singen und dem Hegau verbreiten. Die Pandemie bremse ihn dabei leider etwas aus, doch für die Zukunft kann der Brotsommelier sich Veranstaltungen vorstellen.