Fasnacht 2021 werden die beiden Singener Rebwieber Bettina Kraus und Marina Maier sicher nie mehr vergessen: Für ihren Essens-Lieferservice als Ersatz für die Straßenfasnacht hieß es, morgens gegen 7 Uhr aufstehen – und vor 23 Uhr war an Feierabend nicht zu denken. „Über 700 Bestellungen hatten wir abzuarbeiten“, verrät die Rebwiebermodder und unterschlägt dabei nicht nur die Kuchenbestellungen, sondern auch 160 Lieferungen für die legendären Rebwieberbällchen. „Dieter Duffner hatte schwer zu schaffen“, sagt Kraus schmunzelnd.
Doch das Gefühl, schwer zu schaffen, haben auch sie und ihre Mitstreiter kennengelernt: „Der schlimmste Tag war unser Johrmarkt für dehom am Fasnetsunntig“, berichtet die Mitinitiatorin. Mit insgesamt 220 Lieferungen an einem Tag sei es mit Abstand der aufwendigste Tag gewesen. „Als wir gegen 23 Uhr endlich fertig waren, bin ich absolut platt und alle gewesen.“
Am Fasnachtsmontag konnten noch einmal 64 Fasnachtsgedecke und Päckle ausgeliefert werden, von den Wurstzipfel-Päckchen werden am Dienstag noch einmal über 50 ausgeliefert. Insgesamt waren ein paar Dutzend Menschen im Einsatz. Am Sonntag waren zwölf Zweier-Teams unterwegs, am Donnerstag zehn und am Samstag acht. „Zum Glück haben uns Zunftgesellen und Hansele geholfen, die Bestellungen auszufahren.“
Den Teig für die Fasnachtsküchle hat Marina Maier am Schmotzigen Dunschtig bereits ab 5.30 Uhr vorbereitet, ab 7 Uhr ist es zu zweit weitergegangen, am Samstag ab 7.30 Uhr den ganzen Tag. An den Abenden wurde immer schon vorgerichtet, was ging – Speckbrote belegt oder Eierlikör abgefüllt. Samstagabend mussten sogar die Kinder mit eingebunden werden. „Ich hatte vor dem Sonntag mit 220 Päckle richtig Respekt“, gesteht Bettina Kraus. Bewusst wollte man kulinarisch einen Gang über den närrischen Johrmarkt servieren – vom Speckbrot über Knoblauchbaguette, Herdöpfel mit Kräuterquark oder Knobisoße, Kaffee bis hin zum Eierlikör. Das alles zu richten, abzufüllen und zu verpacken sei am Ende eine echte Herausforderung geworden. Besonders knifflig habe sich die Los-Aktion gestaltet. Manche hatten sieben Gedecke mit je zwei Losen bestellt, also mussten 14 Preise mit dazu – insgesamt waren es 420 Preise. Ein Blumenhändler hat Primeln gespendet. „So mancher hat das Gedeck nur wegen der Lose bestellt, weil er jedes Jahr auf dem Jahrmarkt Lose gekauft hat“, erzählt Bettina Kraus.

Beim Ausliefern wurde schnell klar, dass es die Menschen in der Stadt nicht nur nach Moggen (Fasnachtsbonbons) gelüstet, sondern auch der Hunger auf die Fasnet groß war. „Keine Tür blieb verschlossen, überall wurden wir voller Freude mit Hoorig empfangen“, berichtet Frank Kraus, dass wirklich alle kostümiert mitgemacht haben. „Die haben schon darauf gewartet, dass wir im Häs vorbeikommen, viele Kinder haben darauf gewartet, alle haben ganz toll mitgemacht“, so Kraus. Es gab Trinkgelder, E-Mails mit positiven Rückmeldungen. „Besonders groß war die Freude bei den Bewohnern im Haus Christopherus, als wir ihnen die Würste gebracht haben, die es sonst nach dem Umzug gibt. Die haben kräftig ‚Hoorig‘ gerufen, und ein Fanfarenzügler, der dabei war, hat aufgespielt.“ Besonders schön seien gelungene Überraschungen gewesen, wenn beispielsweise die Tochter aus dem Schwarzwald ihre Eltern in Friedingen beliefern ließ. „Manche waren sogar so überrascht, dass sie das Päckchen erst nicht annehmen wollten, weil sie es nicht bestellt hatten, haben sich dann aber arg gefreut.“

Es habe sogar Leute gegeben, die sich jeden Tag haben beliefern lassen, ohne groß nachzufragen, was es gibt: „Wir lassen uns jeden Tag überraschen“, zitiert Bettina Kraus ihre Kunden, die über Singen hinaus bis nach Hilzingen und Rielasingen beliefert wurden. Nicht erwartet hatten die Initiatoren, wie groß das Interesse über die Reihen der Zunft hinaus sein würde. „Wir konnten uns nicht vorstellen, was da auf uns zukommt. Es war nicht absehbar“, berichtet Kraus zum Ende der Aktion. „Wir freuen uns, dass wir den Leuten eine Freude machen konnten, und auch wir hatten viel Freude dabei“, sagt Kraus und mag dabei einen Dank an die Helfer vom Singener Ordnungsamt nicht unterschlagen. „Dort haben wir natürlich vorher wegen der Zubereitung der Lebensmittel nachgefragt.“
Und jetzt hoffen alle, dass es nächstes Jahr eine ganz normale Fasnacht gibt. „Dann kann sich wieder jeder beim Gang über den Jahrmarkt selbst sein kulinarisches Glanzlicht holen“, freuen sich die Macher, wenn diese Fasnacht am Dienstagabend zu Ende geht. „Ehrlich, es war noch intensiver als andere Jahre“, so Bettina Kraus zu Geschäftigkeit, Umtrieb und Gewusel im Jahr der Corona-Fasnet.
Mit dem Gedanken, für jeden Tag ein anderes Gedeck anzubieten, ganz dem Narrenfahrplan entsprechend, haben sie den richtigen Nerv getroffen: am Schmotzigen Dunschdig gab es Speckbrot, Schnaps, Mogge und Fasnetsküchle, am Samschdig zum Kinderumzug die obligatorische rote Wurst mit Weckle und Mogge, am Sonntag vom Speckbrot über Knoblauchbaguette, Herdöpfel mit Kräuterquark oder Knobisoße, Kaffee bis hin zum Eierlikör, zum Rebwieberball-Abend hat man die Qual der Wahl zwischen unterschiedlichen Gedecken mit Speckbrot, Poppele-Sekt, Süßem, Überraschungen und einem Link zur Playliste der Fasnets-Ohrwürmer – oder die legendären Rebwieber-Bällchen nach Dieter Dufners berühmten Fleischküchle-Rezept mit Kartoffelsalat. Zur Fasnets-Beerdigung endet es kulinarisch mit dreierlei Wurstzipfeln. Angerichtet und ausgeliefert wurden die Gedecke für „d‘ Fasnet dehom“ ganz coronakonform mit Abstand und Maske. „Wir sind den Leuten nicht zu nahe gekommen und stellten das Bestellte vor ihre Tür“, versichert Bettina Kraus.