Großbritannien: Gekrönte Gäste in der Kneipe
Seit Jahren besuche ich zur Vorweihnachtszeit England, denn nach Brighton hat es meine ältere Schwester Elisabeth Schneider verschlagen. Mittlerweile bin ich jetzt mit den englischen Weihnachtstraditionen bestens vertraut und muss sagen: Britisches Weihnachten ist nicht halb so steif, wie man die Inselbewohner sonst so kennt.
Während andere Nationen zum Weihnachtsfest ihre besonders guten Ausgehkleider herauslegen, ist es in England zwar auch üblich, etwas Besonderes zu tragen. Nur eben weniger schön. Nämlich „Ugly Christmas-Jumper“, zu deutsch: hässliche Weihnachtspullover. Die knalligen Pullover in weihnachtlichem Rot oder Grün mit mal mehr, mal weniger ansprechenden Motiven, sieht man zur Adventszeit in England bei sämtlichen Weihnachtsfeiern. Und diese finden auch gerne im Pub statt.
Schon lange sind britische Pubs keine abgehalfterte Kneipen mehr, sondern überzeugen mit einer zwanglosen Atmosphäre, einer steten Versorgung mit Getränken und erstaunlich guter Küche. Ja, britisches Essen ist besser als sein Ruf.
Nicht fehlen bei einer typisch britischen Christmas-Party mit Freunden oder Kollegen im Pub um die Ecke dürfen die Christmas-Cracker, also Weihnachts-Knallbonbons. Diese werden noch vor dem Essen gezündet, also zwei Gäste ziehen an jeweils einer Seite des Crackers. Sie enthalten meistens ein Spiel oder kleines Geschenk, einen Witz und eine Papierkrone. Letztere soll vermutlich an die heiligen drei Könige erinnern, oder einfach für eine lockere Stimmung sorgen, weil dann alle Gäste der Feier etwas albern aussehen. Merry Christmas! (ans)
USA: Wer sucht die Weihnachtsgurke?
US-Amerikaner haben ja so einige merkwürdige Gewohnheiten, wie ich immer wieder beim Besuch meines Bruders in den Staaten merke. Das fängt schon im Alltag an mit ständig laufenden Klimaanlagen oder gierig nach Müll greifenden Küchenabfallzerkleinern im Spülbecken.
Auch an Feiertagen sind US-Amerikaner mitunter kreativ: Manche schaffen sie sich einfach selbst. So gibt es rund um Weihnachten beispielsweise den Tag des Sangria (20. Dezember), den Tag der Pfeffernüsse (23. Dezember) oder den Tag des Kürbiskuchens (26. Dezember). Manchmal steckt auch ein wirtschaftliches Interesse dahinter, wenn beispielsweise ein Hersteller von Gugelhupf-Formen den 15. November zum Tag des Gugelhupfs erklärt.

Das ist bei der Tradition rund um die Weihnachtsgurke anders, kurios ist es trotzdem. Denn es soll sich um eine deutsche Tradition handeln, wenn es im dunkelgrünen Weihnachtsbaum gilt, eine dunkelgrüne Essiggurke zu finden. Natürlich keine echte, sondern ein normaler Christbaum-Anhänger in ungewöhnlicher Gurken-Form. Wer die Weihnachtsgurke findet, hat sich ein zusätzliches Geschenk verdient. Wetten wir, dass von dieser deutschen Tradition in Deutschland noch nie jemand gehört hat?
Vielleicht steckt dahinter ja eine ähnliche Geschichte wie beim German Chocolate Cake, was sich mit deutschem Schokoladenkuchen übersetzen lässt. Das lässt sich aber zurückführen auf einen Mann namens Samuel German – und der war US-Amerikaner. Von wegen deutsche Tradition also. Aber Hauptsache, es gibt Geschenke. Oder Schokolade. Oder beides. (isa)
Hindus feiern eigentlich das Lichterfest
Es gibt Kulturen, in denen Weihnachten keine religiöse Bedeutung hat. Das heißt aber nicht, dass es nicht gefeiert wird. Das sei zumindest bei vielen Hindus der Hindu-Gemeinde in Singen so, wie deren Gemeindevorsitzender Darma Vivekachandran erklärt. Die Hindu-Gemeinde mit rund 250 Mitgliedern gibt es seit über 20 Jahren in Singen, seit 2021 hat die Gemeinde einen eigenen Tempel, den sie aus eigener Kraft errichtet hat.
„Hindus haben ihre eigenen bedeutenden religiösen und kulturellen Feierlichkeiten, wie Diwali oder Holi“, berichtet der Gemeindevorsitzende, der aus Sri Lanka stammt. Dabei kann Diwali, das Lichterfest, das Ende Oktober/Anfang November gefeiert wird, in seiner Bedeutung mit Weihnachten verglichen werden. Bei diesem Fest werden viele Lichter entzündet und es wird der Sieg des Lichts über die Dunkelheit gefeiert.
Dennoch würden viele Hindus Weihnachten als kulturelles Ereignis sehen, an festlichen Aktivitäten teilnehmen und damit Integration und kulturelle Vielfalt leben. „Die meisten Hindus in Deutschland leben in der zweiten oder dritten Generation hier und sind in die deutsche Kultur integriert“, so Vivekachandran.
Die in Deutschland geborenen Kinder würden Weihnachten als eigenes Fest betrachten, unabhängig von der Religion. Für ihn ist es wichtig, sich in der Kultur des Landes, in dem man lebt, zu integrieren, da gehöre Weihnachten dazu. „Jedes Jahr feiern wir mit unseren Kindern und Freunden, stellen einen Weihnachtsbaum auf und verteilen Geschenke“, beschreibt der Gemeindevorsitzende sein Fest zuhause. (jac)
Ukrainer: Weihnachten erst im neuen Jahr
Die einen feiern Weihnachten am 25. Dezember, die anderen gar nicht und manche erst im Januar. Zu letzteren gehören ukrainische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Während christliche Länder nach dem gregorianischen Kalender die Geburt Jesu Christi zelebrieren, folgt die orthodoxe Kirche der Ukraine sowie die ukrainische griechisch-katholische Kirche dem julianischen Kalender.
Dieser unterscheidet sich um 13 Tage zum gregorianischen Kalender. Grundsätzlich werde Weihnachten in der Ukraine genauso gefeiert wie hierzulande, aber eben erst am 7. Januar, sagt Evgenij Starchak, Vorsitzender des ukrainischen Vereins in Singen.
„Der Unterschied ist höchstens, dass aufgrund der langjährigen sowjetischen Tradition die meisten Menschen Weihnachten erst seit dem Zerfall der Sowjetunion praktizieren und die Bräuche daher noch nicht so etabliert sind wie hierzulande“, erklärt er. Die Ukraine wurde 1991 wieder ein unabhängiger Staat. Weihnachten in der Ukraine werde prächtig gefeiert und von Weihnachtsliedern und Krippenspielen begleitet.
Am ersten Weihnachtstag gehen Sternsinger von Haus zu Haus, singen von der Geburt Christi und preisen die Familie mit Brauchliedern. Dafür erhalten die Sternsinger eine Belohnung wie Süßigkeiten oder Geld. „Die meisten Menschen aus der Ukraine in der Region, darunter ich selbst, werden die Feiertage im Kreis der Familie verbringen. Da sie nicht datumsgleich mit den Weihnachtsfeiertagen in Deutschland sind, werden es für uns ganz normale Arbeitstage mit besinnlichen Abenden sein“, sagt Starchak. (gve)
Muslime: Feriencamp und Koran-Unterricht
Christbaum, Kirche, Geschenke – bei den meisten Christen in Deutschland sieht das Weihnachtsfest trotz all der feinen Unterschiede relativ ähnlich aus. Doch was machen eigentlich Muslime über die Weihnachtsfeiertage? Für die Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Gemeinde in Radolfzell geht es in dieser Zeit meist nach Frankfurt oder Darmstadt. Denn wie Jugendleiter Asem Butt und Imam Shamas Ul-Mulk Choudhery berichten, finden dort in dieser Zeit mehrere mehrtägige Veranstaltungen für Männer, Frauen sowie Kinder und Jugendliche statt. Dort lernen die Teilnehmer einerseits Dinge aus dem Koran, aber haben auch eine Menge Spaß bei Fußball, Schwimmen oder Spielen.

Dabei spreche man auch über Weihnachten und darüber, warum andere Religionen andere Feste feiern als man selbst. „Es ist ein bisschen wie ein Feriencamp, nur das wir auch noch Grundlagen aus dem Islam lernen. Es ist eine schöne Gemeinschaft, wir treffen Cousins und Freunde aus ganz Deutschland wieder. Inzwischen ist das eine richtige Tradition geworden“, sagt Asem Butt, der als Jugendlicher selbst einige Male dort war. In diesem Jahr ist er selbst an der Organisation beteiligt.
Zudem veranstalten die Männer der Gemeinde meist eine Obdachlosenspeisung vor Weihnachten und die Frauen besuchen in diesem Jahr die Altenheime und verteilen Geschenke.
„Auch wenn wir Weihnachten nicht feiern und keinen Ersatz veranstalten, genießen wir die Ruhe in dieser Zeit und nutzen sie für Familienbesuche. Die Feiertage waren früher als Kind die einzige Zeit für mich, in der mein Vater frei hatte und viel Zeit mit mir verbringen konnte“, erzählt Imam Shamas Ul-Mulk Choudhery. (maw)
Balkan: Zweige sollen Glück bringen
Anders als in den meisten balkanischen Ländern spielt Weihnachten in Kroatien eine sehr große Rolle. Die Traditionen und Bräuche können von Region zu Region variieren. Bereits in den frühen Morgenstunden an Heiligabend geht es los: Kinder ziehen von Tür zu Tür und verteilen in der Nachbarschaft Zweige, meistens von Tannenbäumen.
Was es damit auf sich hat? „Der Zweig galt zu Bauernzeiten als Glückssymbol und sollte die Ernte für das neue Jahr segnen. In der Hoffnung, dass reichlich Lebensmittel vorhanden sein werden“, sagt Anela Zecevic, Vorsitzende des Vereins HSK Croatia Singen. „In der Regel erhalten die Kinder als Dankeschön ein kleines Geschenk oder ein bisschen Geld. Wichtig ist, dass dies vor Sonnenaufgang geschieht.“ Danach schmücken alle gemeinsam den Christbaum.
Am Abend können sich die Kinder mit ihren Familien dann mit verschiedenen Leckereien stärken. „Am 24. isst man kein Fleisch. Stattdessen gibt es Fisch mit Bohnenpüree, Kartoffelsalat und ganz viele Plätzchen, bevor die Geschenke geöffnet werden, auf die vor die Kinder ganz sehnsüchtig warten“, so Zecevic. Am ersten Weihnachtstag steht traditionell ein Spanferkel auf dem Speiseplan. Natürlich fehlen auch hier keine Plätzchen. Gesungen werden die geläufigen Lieder wie beispielsweise „Stille Nacht“, aber auch diverse Lieder, die normalerweise nur in der Kirche zu hören sind.
Der zweite Weihnachtstag dient indes der Erholung. „Dieser ist auch der Tag des heiligen Stephanus“, fügt Zecevic hinzu. „Wenn es in der Familie jemanden gibt, der Stefan oder Stefanie heißt, dann wird am zweiten Weihnachtstag in der Regel bei ihm oder ihr zuhause gefeiert.“ (ema)