Das Ekkehard-Stüble ist eine Kneipe, wie es sie nur noch selten gibt: Schummriges Licht, im Kamin prasselt ein Feuer, an der Bar sitzen Gäste, die ein Bier trinken und mit der Wirtin plaudern. Wer hier herkommt, fühlt sich gleich willkommen und das liegt an Kneipeninhaberin Ira Marquardt. Sie steht seit 31 Jahren hinterm Tresen, zapft Bier, spricht und diskutiert mit den Gästen und hört sich manche Geschichte an. Die Wirtin und ihre Kneipe sind ein Original. Ein Original, das es 2023 nicht mehr geben wird. Singen wird um eine urige Kneipe ärmer.

Das Ekkehard-Stüble ist eine Raucherkneipe mit Tradition und Anlaufstelle einiger Verein.
Das Ekkehard-Stüble ist eine Raucherkneipe mit Tradition und Anlaufstelle einiger Verein. | Bild: Weiß, Jacqueline

Es gibt mehrere Gründe, warum Ira Marquardt aufhört. Als einen Grund nennt sie die gestiegenen Energiekosten und die Tatsache, dass sie die steigenden Kosten nicht an die Gäste weitergeben kann. „Fünf Euro für ein Bier, das will und kann kaum einer hier zahlen, aber es will auch niemand wissen, wie ich meine Rechnungen bezahlen soll“, erklärt sie. Ihre Gäste kämen aus allen Schichten, vom Obdachlosen bis zum Banker, und sie wolle eine Kneipe für alle bleiben.

Verkauf des Hauses war ein Grund aufzuhören

Das sei unter diesen Bedingungen kaum möglich. „Es hat in 31 Jahren immer auch schwere Zeiten gegeben, aber jetzt ist es extrem“, erklärt die Kneipenwirtin. Ein weiterer Grund ist, dass das Haus in der Ekkehardstraße, in dem die Kneipe ist, verkauft wird. Das Lokal hat zwar Bestandsschutz, aber der Wirtin ist klar, dass einiges, wie zum Beispiel die Toiletten, renovierungsbedürftig ist. Das sei ein Anlass für die 58-Jährige gewesen, zu überlegen, wie es weitergeht. Der Entschluss, die Kneipe aufzugeben, reifte. „Alles hat seine Zeit“, sagt Ira Marquardt.

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Was sie danach machen will, weiß sie noch nicht genau. Jetzt heißt es nach 31 Jahren erstmal ausmisten, aufräumen, alle Verträge kündigen, ihre Sachen und sich selbst sortieren. Sie habe einen großen Keller unter der Kneipe und wundere sich, was sich alles angesammelt hat. Sie stelle immer wieder Geschirr, Besteck und Aschenbecher zum Verschenken vor die Tür und bisher sei alles mitgenommen worden.

1992 hat sie die Kneipe mit 27 Jahren übernommen

Die Kneipe in der Ekkehardstraße gebe es seit 50 Jahren. 1992 hat sie sie übernommen. Es sei ein großer Schritt gewesen, sich mit 27 Jahren selbstständig zu machen. Aber Ira Marquardt war es gewohnt, hart zu arbeiten. Bereits mit 15 Jahren habe sie neben ihrer Arbeit im Verkauf bei Karstadt fünf Mal pro Woche bedient. Bis vor zehn Jahren bot sie im Ekkehard-Stüble auch Essen an, hat selbst gekocht und hatte Angestellte.

Fotos im Schaukasten erinnern an schöne Abende.
Fotos im Schaukasten erinnern an schöne Abende. | Bild: Weiß, Jacqueline

Das Stüble öffnete damals bereits um 10 Uhr, das bedeutete für die Inhaberin 16- bis 18-Stunden-Tage. Ihre Wohnung liegt direkt über dem Lokal. Als ihre beiden Kinder noch klein waren, hatte sie das Babyphone auf dem Tresen liegen, wie sie sich erinnert. Doch als das Rauchverbot in Restaurants kam, bot sie kein Essen mehr an und das Stüble wurde Raucherkneipe. Der Ein-Frau-Betrieb hat seitdem von 17 Uhr bis 24 Uhr geöffnet.

Wirtin zu sein, bedeutet für sie, für ihre Gäste da zu sein. „Ich bin Eheberater, Streitschlichter und höre zu, wenn jemand etwas auf dem Herzen hat“, erklärt sie. Aber wenn jemand nur jammere und sich selbst bemitleide, höre ihr Verständnis auf.

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In ihrer Kneipe sei jeder willkommen. „Wichtig ist mir, dass sie alle benehmen“, sagt sie. Wenn jemand das nicht könne, fliege er raus. Die Gäste seien zwischen 18 und 80 Jahren alt. Junge Cliquen kämen, Turner, Altherrenfußballer und es gibt Dartturniere. An der Fasnacht sei die Kneipe eine Anlaufstelle für die Poppele-Zunft, beim City-Fest wird auch bei ihr gefeiert.

Sie war Teil der Stadt und bedauert, dass es in Singen kaum mehr Kneipen gibt. Als sie jung war, habe es 128 solcher Lokale in Singen gegeben. Heute könne man sie an einer Hand abzählen: „Das Kneipenleben stirbt aus.“

Stammgast Dimitri Brauer kommt seit 2014

Dimitri Brauer ist einer ihrer Stammgäste. 2014 sei er wieder nach Singen gekommen und seitdem besucht er die Kneipe. Er bedauert, dass das Ekkehard-Stüble schließt. Es sei für ihn ein bisschen wie Familie, wie eine zweite Heimat, und wenn man alleinstehend sei, finde man hier Ansprache. „Wenn sie weg ist, fehlt uns was, sie ist Teil unserer Geschichte“, sagt er. Auch Ira Marquardt sieht das Ende ihrer Kneipenlaufbahn mit „einem lachenden und einem weinenden Auge“. „Ich habe viele Freunde gefunden, schöne und traurige Erinnerungen „, sagt sie.

Am 26. Dezember findet noch das traditionelle Weihnachts-Dartturnier statt, dann ist Schluss. Nicht mehr jeden Tag in der Kneipe unter Menschen zu sein, werde komisch sein, vermutet die Wirtin. Doch sie bleibe über eine Ekkehard-Stüble Gruppe im Internet mit ihren Gästen in Verbindung: „Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, kann ich dann schreiben: Wer geht mit mir aus!“