Der zweite Prozesstag am Landgericht Konstanz begann mit einer Überraschung: Der angeklagte 34-Jährige aus dem Hegau räumte nach längerer Beratungszeit mit seinem Anwalt Gianpiero Fruci den schweren sexuellen Missbrauch seiner Tochter ein. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, zwischen März 2020 und Mai 2021 seine damals fünf bis sechs Jahre alte Tochter zwei Mal missbraucht zu haben. Sein Verteidiger teilte im Namen seines Mandanten mit, dass er sich entschuldige und bereit sei, sich einer Sexualtherapie zu unterziehen, erklärte Fruci. Am ersten Verhandlungstag in der Woche zuvor bestritt sein Mandant die Taten noch.

Geständnis könnte Kind und Täter helfen

Allerdings redete der Vorsitzende Richter Joachim Dospil dem Angeklagten am Anfang der Verhandlung erneut ins Gewissen: Auf die Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs stehe eine Strafe von zwei bis 15 Jahren Haft pro Tat. Außergewöhnliche Umständen würden allerdings rechtfertigen, dass man einen minderschweren Fall annehmen könne und die Strafe mit einigem guten Willen zur Bewährung aussetze.

Diese außergewöhnlichen Umstände träfen laut dem Richter zu, wenn der Beschuldigte die Taten einräume und damit erreiche, dass „das Kind nicht wie ein Lügner dasteht“. Außerdem wenn er sich entschuldige und bereit sei, eine Therapie zu machen. Der Angeklagte ergriff diese Chance – auch weil abzusehen war, dass die Aussage des Mädchens glaubhaft war. Sie wurde am ersten Prozesstag als Video gezeigt.

Keine kinderpornografischen Dateien

Das Gericht wollte trotz des Geständnisses des Angeklagten noch die Aussagen der ermittelnden Kriminalbeamtin und der Sachverständigen hören, um zu prüfen, ob die Vorwürfe stimmen. Die Kriminalbeamtin berichtete von der Durchsuchung, dass sie mehrere Speichermedien überprüft, aber keine kinderpornographischen Dateien gefunden habe.

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Sie habe außerdem von der Freundin des Angeklagten erfahren, dass diese mehrfach im Zeitraum der Taten von März 2020 bis Mai 2021 samstags Spätschicht gearbeitet habe. Dann war der Angeklagte mit der Tochter allein. Das passt zur Aussage des Opfers, das geschildert hat, bei zumindest einer Tat allein mit dem Vater gewesen zu sein.

Die Psychologin Julia Käser prüfte als Sachverständige, ob die Aussagen des bei der Vernehmung siebenjährigen Mädchens glaubhaft waren. Dazu untersuchte sie anhand der Vernehmung und eines Gesprächs mit dem Mädchen, ob sie sich die Taten ausgedacht oder jemand sie ihr eingeredet haben könnte.

Sachverständige hält Aussage für glaubhaft

Die Sachverständige kam zu dem Schluss, dass das, was das Mädchen erzählte, mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ihren Erlebnissen beruht. „Überzeugend zu lügen, ist in dem Alter schwierig“, erklärte die Sachverständige. Die Siebenjährige habe in ihrer Aussage über Details der Missbräuche gesprochen, sie mit ihrem Vater in Beziehung gestellt und räumliche und zeitliche Zuordnungen gemacht. Das alles spreche dafür, dass sie die Wahrheit sage. Das Mädchen habe in der Vernehmung die Taten zwar sehr sprunghaft geschildert, es ergebe sich aber doch ein stimmiges Gesamtbild.

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Die Staatsanwältin sah aufgrund der Aussagen als erwiesen an, dass der Angeklagte an mindestens zwei Tagen sexuelle Handlungen an seiner Tochter begangen habe und sie dazu gebracht habe, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen. Er habe sich damit des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit dem Missbrauch an einer Schutzbefohlenen und der Körperverletzung schuldig gemacht. Das Mädchen habe ihm gesagt, sie habe Schmerzen und er solle aufhören.

Einen minderschweren Fall sah die Staatsanwältin nicht als gegeben an und plädierte für eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung. Der Vertreter der Nebenklage Michael Busching stimmte dieser Forderung zu, weil die Folgen für das Mädchen und ihre Familie sichtbar seien: Das Mädchen sei in psychologische Behandlung und spreche nicht über den Vorfall. Die Familie leide.

Gericht honoriert das Geständnis

Das Gericht kam zu einem anderen Urteil und verhängte eine Haftstrafe von zwei Jahren, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist. Richter Joachim Dospil begründete das Urteil damit, dass der Angeklagte die Taten gestanden habe, das sei bei einem Sexualstraftäter selten: „Sie haben den Mut gefunden, dazu zu stehen. Es ist wichtig, dass man dem Kind glaubt.“ Das mache es für das Opfer und die Familie leichter, mit der Tat umzugehen und vielleicht irgendwann damit abzuschließen.

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Außerdem sei er bereit, sich einer Therapie zu unterziehen, er sei bisher nicht straffällig geworden und habe Arbeit. Für den minderschweren Fall spreche nach Meinung des Gerichts auch, das die Taten bei dem Mädchen laut den Aussagen bisher keine schwerwiegenden, psychischen Folgen zeigten und zwei Jahre her seien. Der Angeklagte sagte zu seinem späten Geständnis: „Es tut mir leid, ich hätte das letzte Woche schon bereinigen können. Ich hatte nicht den Mut dazu.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.