Eigentlich könnte die Sache für das Singener Krankenhaus erledigt sein. Denn die Zusammenarbeit mit dem Neurochirurgen Bahram Hashemi, der mit einigem Aufsehen im Sommer 2021 seine Praxis geschlossen hatte, ist nun rechtskräftig beendet. Ende Januar habe er vor der Zweigstelle Freiburg des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe seine Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Konstanz zurückgenommen, teilte die Pressestelle des Konstanzer Landgerichts kürzlich mit. Urteil und Vertragskündigung sind somit rechtskräftig. Der Umbau der früheren Praxis Hashemi, die das Krankenhaus vermietet hat, laufe, sagt der Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN), Bernd Sieber. Die Räume sollen einer Ambulanz zugeschlagen werden.

Doch es ziehen neue dunkle Wolken über der Singener Neurochirurgie auf. Denn offenbar geht auch die Zusammenarbeit mit dem überregional bekannten Neurochirurgen Aram Bani zu Ende, dessen Praxis nach dem Ende der Praxis Hashemi die Versorgung allein übernommen hat. Und das Ende kommt sogar recht bald, nämlich zum 31. März. Damit droht ein weiterer wichtiger Teil der Versorgung von Patienten aus der Region und dem weiteren Umkreis wegzufallen.

Die früheren Praxisräume des Neurochirurgen Bahram Hashemi, die in einem Gebäude des Krankenhauses liegen, werden zu einer Ambulanz ...
Die früheren Praxisräume des Neurochirurgen Bahram Hashemi, die in einem Gebäude des Krankenhauses liegen, werden zu einer Ambulanz umgestaltet. | Bild: Freißmann, Stephan

Das bevorstehende Ende der Zusammenarbeit geht aus einem Schreiben hervor, das der Redaktion vorliegt. Es ist von Bani unterzeichnet, an den Aufsichtsrat des GLKN gerichtet – und es enthält Details, die darauf schließen lassen, dass das Verhältnis zwischen GLKN und Banis Praxis schon seit Längerem stark belastet ist.

Wie aus dem Schreiben und Gesprächen mit Sieber und Bani hervorgeht, gab es wechselseitige Kündigungen zum 31. März von zwei der drei Verträge, die Krankenhaus und Praxis miteinander geschlossen haben.

Neurochirurgen sind rar und teuer

Aus dem Brief und Gesprächen mit den Beteiligten ergibt sich: Ein Stein des Anstoßes war das Geld, ein anderer die Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Nach der Darstellung in dem Brief, die Bani und Sieber auf Anfrage bestätigten, übernimmt die Praxis eine neurochirurgische Rufbereitschaft rund um die Uhr, seit Hashemi seine Praxis geschlossen hat. Dafür habe er zwei zusätzliche Ärzte eingestellt, sagt Bani im Gespräch.

Doch Neurochirurgen seien rar und teuer, die Finanzierung durch das Krankenhaus sei nicht auskömmlich gewesen. Auch an sein Privatvermögen habe er gehen müssen, um den Betrieb aufrecht zu halten.

Ohne Rufbereitschaft auch keine Honorar-OPs?

Aus dem Schreiben geht hervor, dass es seit geraumer Zeit Diskussionen und Verhandlungen zwischen der Praxis und dem Krankenhaus über die Finanzierung gab, letztlich ohne Einigung. Er habe somit den Vertrag über die Rufbereitschaft gekündigt, sagt Bani.

„Eine Nachfolgeregelung ist in Arbeit.“ Bernd Sieber, Geschäftsführer des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz (GLKN)
„Eine Nachfolgeregelung ist in Arbeit.“ Bernd Sieber, Geschäftsführer des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz (GLKN) | Bild: Freißmann, Stephan

Ab dem 1. April müsse das Krankenhaus die Rufbereitschaft selbst sicherstellen, sagt GLKN-Chef Sieber. Da diese in den Augen des Krankenhauses einen wesentlichen Bestandteil der Zusammenarbeit mit der Praxis ausmache, habe er darin einen wichtigen Grund gesehen, auch den Vertrag über die Honorar-Operationen zu kündigen. Über beide Vertragskündigungen habe er den Aufsichtsrat des GLKN informiert, so Sieber. Und er weist den Vorwurf zurück, das Krankenhaus habe zu wenig für die Leistungen der Praxis Bani gezahlt.

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Aus Sicht der Geschäftsführung müssen beide Verträge gleichzeitig enden. Denn nun müsse man das Gesamtpaket aus Rufbereitschaft und Operationen komplett anders abdecken. Die Rufbereitschaft einzeln zu vergeben, sei unattraktiv und ergebe keinen Sinn. Sieber betont im Gespräch allerdings mehrfach, dass es mit der medizinischen Qualität von Banis Arbeit nie ein Problem gegeben habe. Und er habe den Mietvertrag mit der Praxis, die ihre Räume vom Krankenhaus mietet, ausdrücklich nicht gekündigt, um Härten für die Praxis und ihre Angestellten zu vermeiden.

Gestaltung von Verträgen war ein Streitpunkt

Ein weiterer Streitpunkt zwischen Praxis und Krankenhaus war die Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Eine Honorarlösung mit einem niedergelassenen Arzt wie bislang dürfe es nicht mehr geben, sagt Sieber. Denn eine solche sei laut Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von 2019 nicht mehr zulässig. Demnach müssen Ärzte, die in einem Krankenhaus operieren, dort zumindest in Teilzeit angestellt sein, was unter anderem eine Berichterstattung im Deutschen Ärzteblatt bestätigt. Um die Ausgestaltung dieses Vertrags gab es Unstimmigkeiten zwischen Honorararzt und Krankenhaus, wie Äußerungen von Bani und Sieber zeigen. Nach Siebers Einschätzung war das sogar der hauptsächliche Streitpunkt.

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Was wird nun ab dem 1. April aus den Patienten?

Laut Bani ist die Neurochirurgie-Rufbereitschaft ein zentraler Bestandteil des Traumanetzwerks Schwarzwald-Bodensee. Dazu gehören neben dem Singener Krankenhaus unter anderem das Krankenhaus in Konstanz, aber auch das Schwarzwald-Baar-Klinikum in Villingen-Schwenningen. Für den Hegau übernimmt Singen die Versorgung. Auch die Schlaganfalleinheit wäre betroffen. „Es droht ein völliger Zusammenbruch des Klinikums Singen durch den Wegfall der Neurochirurgie“, heißt es in dem von Bani unterzeichneten Schreiben.

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Der Arzt warnt, dass jedes Jahr etwa 50 bis 60 Patienten ins Singener Krankenhaus kommen, die nicht verlegt werden können. Das erfasse er seit 2006. Diese Patienten hätten das, was der Mediziner als Polytrauma bezeichnet – also mehrere Verletzungen, die das Leben eines Patienten bedrohen. Laut Bani müsse das Leben dieser Patienten unter Beteiligung der Neurochirurgie an Ort und Stelle in Singen gerettet werden.

Krankenhaus-Chef äußert sich beruhigend

Sieber sieht die Sache weniger dramatisch. Selbstverständlich seien 900 neurochirurgische Operationen pro Jahr eine große Zahl. Doch der GLKN arbeite bereits an einer Lösung: „Eine Nachfolgeregelung ist in Arbeit.“ Erste Gespräche mit dem Land Baden-Württemberg würden laufen. Laut Sieber gebe es die Möglichkeiten, Neurochirurgie als Abteilung der Unfallchirurgie zu betreiben oder eine eigene Klinik für Neurochirurgie aufzubauen.

Nach seiner Einschätzung könnte es sein, dass vereinzelte Patienten in einer Übergangszeit verlegt werden müssen. Dies werde aber je nach Einzelfall eng abgestimmt geschehen. Aus dem Traumanetzwerk müsse man sich allenfalls vorübergehend abmelden.

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Aram Bani betont bei all dem, dass es ihm um die Versorgung der Patienten in der Region und um eine faire Bezahlung gehe. Mit seiner Praxis will er aus den Räumen des Krankenhauses ausziehen. Und es gebe bereits mehrere Orte, an denen er künftig stationäre Operationen anbieten könne, sagen er und seine Ehefrau Julia Bani, die als Praxismanagerin bei ihm arbeitet – ohne weiter ins Detail zu gehen. Doch bis die neue Lösung funktioniere, dauere es noch ein halbes Jahr.

Bis dahin möchte er Patienten, die neurochirurgische Hilfe brauchen, am liebsten vorübergehend weiter im Singener Krankenhaus operieren. Ob es dazu kommt, ist mehr als fraglich: Eine juristische Auseinandersetzung über die Rechtmäßigkeit der Kündigung zeichnet sich ab.