Manchmal muss es nicht nur sauber, sondern rein sein. Was mal der Werbespruch eines Waschmittelherstellers war, ist bei Takeda Wirklichkeit. Denn wer ins Singener Werk des japanischen Pharmakonzerns will, muss sich gründlich verhüllen: Haarnetz und Overall aus weißem Gewebe sowie blaue Kunststoffüberzieher für die Schuhe muss man in der Schleuse anziehen. Hände waschen und desinfizieren ist selbstverständlich. Und wer eine Kamera mitnehmen will, muss auch diese vorher mit Desinfektionslösung reinigen.

Die Besuchergruppe in zivil (von links): Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler, Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger (Grüne), ...
Die Besuchergruppe in zivil (von links): Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler, Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger (Grüne), Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Takeda-Standortleiter Dirk Oebels, Landrat Zeno Danner und Unternehmenssprecher Friedrich von Heyl. | Bild: Freißmann, Stephan

Das ist kein Wunder, denn im Werk für Dengue-Impfstoff, das das Unternehmen im Singener Industriegebiet betreibt, wird mit hochsensiblen Materialien gearbeitet. Was dort vor sich geht, interessierte auch den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), der am Freitagabend einen Abstecher in den Hegau machte, um die Produktion zu besichtigen. Eigentlich war seine Anwesenheit schon bei der offiziellen Eröffnung der Dengue-Impfstoff-Anlage im Juli 2023 geplant. Aus Termingründen klappte es damals nicht, bei der Feier war Kretschmann nur per Videobotschaft vertreten.

Wie wird aus dem Wirkstoff ein fertiges Präparat, mit dem ein Arzt etwas anfangen kann? Das erklärt die Herstellungsleiterin für das ...
Wie wird aus dem Wirkstoff ein fertiges Präparat, mit dem ein Arzt etwas anfangen kann? Das erklärt die Herstellungsleiterin für das Präparat, Carolin Prina (links), während Kretschmann (rechts mit grünem Brillengestell) zuhört. Auch Azubi Rathursan Ravichandran (zweiter von links) ist dabei. Im Hintergrund ist der Isolator zu sehen, der eine Rolle bei der Impfstoffherstellung spielt. | Bild: Freißmann, Stephan

Nun also gewissermaßen der Nachholtermin am Freitagabend. In der Impfstoffproduktion ist das eine normale Arbeitszeit, berichten Markus Wieland, Leiter der Wirkstoffproduktion, und Carolin Prina, Herstellungsleiterin für das eigentliche Präparat. Die Nachfrage ist groß, die Produktionskapazitäten sollen demnächst in Indien erweitert werden, sagt Unternehmenssprecher Friedrich von Heyl – und das mithilfe der Fähigkeiten und Kenntnissen aus Singen.

Die Besuchergruppe um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (2. von links).
Die Besuchergruppe um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (2. von links). | Bild: Freißmann, Stephan

Dabei investiert Takeda mehr als 300 Millionen Euro in den Standort Singen, den der Konzern zum weltweiten Drehkreuz für den Dengue-Impfstoff ausbaut. Die Besonderheit der Investition in der Region wird klar, wenn man ein weiteres Detail betrachtet: In Singen hat Takeda seine erste Impfstoffproduktion außerhalb Japans angesiedelt, heißt es aus der Presseabteilung des Unternehmens. „Ein vergleichbares Projekt gibt es in ganz Deutschland nicht“, wird Standortleiter Dirk Oebels in einer Pressemeldung zitiert. Viel wurde auf dem Gelände an der Byk-Gulden-Straße schon gebaut, doch es geht weiter.

Impfstoffproduktion ist Hochtechnologie

Was passiert nun hinter den Mauern der Impfstoffproduktion? Der Prozess startet mit genetisch veränderten und abgeschwächten Viren, die aber nicht die Erkrankung auslösen, sagt der Chef der Wirkstoffherstellung, Markus Wieland. Dabei würden die Impfstoff-Viren selbst eingesetzt, diese würden zugeliefert.

Die Viren wachsen in Wirtszellen und werden dann zu dem Wirkstoff verarbeitet, der bei minus 80 Grad gekühlt werden muss, erklärte Wieland dem Ministerpräsidenten und den anderen Gästen. Die Mitarbeiter tragen Schutzkleidung, um das hochsensible Produkt vor den Menschen zu schützen – nicht umgekehrt. Mehr als 600 Prüfungen seien auf dem Weg zum Wirkstoff notwendig, erklärt Carola Bleeker, Qualitätsmanagerin im Werk für den Dengue-Impfstoff.

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Um das eigentliche Präparat herzustellen, wird der Wirkstoff in Lösung gebracht, in einem Isolator in Fläschchen abgefüllt und dann gefriergetrocknet. Durch diesen Teil der Produktion führte Carolin Prina, Leiterin der Präparateherstellung. In einem Isolator ist ein direkter Kontakt zum Wirkstoff nicht möglich, die Mitarbeiter können nur durch fest eingebaute Handschuhe zugreifen. Der Impfstoff müsse dann bei minus 20 Grad gelagert werden, der Versand erfolge bei 2 bis 8 Grad, so Prina. Ein Arzt kann die Masse mit einem Lösungsmittel auflösen und den so entstandenen Impfstoff verabreichen.

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Kretschmann, selbst ausgebildeter Lehrer unter anderem für Biologie, will es während des Rundgangs öfter mal genauer wissen, stellt Zwischenfragen. Zum Beispiel ob die Qualität der Wirtszellen erhalten bleibe. Auch mit Azubis des Unternehmens kommt er ins Gespräch. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger, Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler und Landrat Zeno Danner nutzen den Rundgang ebenfalls für Fragen.

Ministerpräsident unterstreicht Bedeutung der Pharmaindustrie

Warum interessiert sich Kretschmann so sehr für die Produktion eines Impfstoffs gegen eine Tropenkrankheit? Jeder Baden-Württemberger sage, die Autoindustrie sei die Grundlage des Wohlstands im Bundesland, sagte Kretschmann am Rande des Besuchs dem SÜDKURIER: „Aber es gibt eine wachsende Pharmabranche mit hochinnovativen Firmen.“ Deren Bedeutung erklärt er mit Blick auf die Corona-Pandemie: Ohne die rasche Entwicklung von Impfstoffen hätte man diese nicht so gut bekämpfen können.

So sieht ein Isolator aus der Nähe aus: Die Mitarbeiter können die Substanzen nur durch eingebaute Handschuhe bearbeiten, ein direkter ...
So sieht ein Isolator aus der Nähe aus: Die Mitarbeiter können die Substanzen nur durch eingebaute Handschuhe bearbeiten, ein direkter Kontakt kann nicht stattfinden. | Bild: Freißmann, Stephan

Die Arbeit von Pharmaunternehmen diene damit den Patienten. Doch die Unternehmen würden auch Arbeitsplätze schaffen. Dafür brauchen sie gute Rahmenbedingungen, so der Ministerpräsident, und die könne auch das Bundesland beeinflussen. Ein Element dafür sei das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg. Die Ministerien arbeiten dabei mit Vertretern von Unternehmen, Wissenschaft und Verbänden zusammen – und Bürger werden beteiligt, wie es beim Staatsministerium heißt.

„Durch diese neuen Formate, wo wir alle Akteure zusammenbringen, bekommt das mehr Gewicht, als wenn nur ein Lobbyist auftritt. Das sind durcherörterte Standpunkte und als Staat haben wir ein Gemeinwohlinteresse“, lautet Kretschmanns Einschätzung.

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Über den Besuch aus der Landespolitik freut sich auch Takeda-Standortleiter Oebels. Der Besuch von Kretschmann mit der Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger (Grüne) sei „ein sehr wichtiges Signal der Wertschätzung der pharmazeutischen Industrie und unserer Aktivitäten als forschungsintensives Unternehmen“, so Oebels.