Simon Grundmüller und Aaron Böttcher arbeiten nicht bei der Deutschen Post. Aber in den kommenden Tagen werden sie trotzdem jede Menge Briefe verpackt, frankiert und abgeschickt haben. Auch an diesem Nachmittag beim Besuch des SÜDKURIER quillt der kleine Tisch vor Briefen beinahe über. „Am Ende werden wir rund 500 Einladungen verschickt haben“, sagt Simon Grundmüller. Und die Einladungen haben ihren Grund: Denn der Stamm der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen.
Fernsehmoderator Stefan Raab, Fußballstar David Beckham, Microsoft-Erfinder Bill Gates und die Queen waren bei den Pfadfindern. Denn die sind die größte Jugendbewegung der Welt. In amerikanischen Filmen sind Kinder ständig bei Pfadfindern zu sehen. Doch die jungen Menschen mit beigen Hemden und Abzeichen sind auch im realen Leben zu erleben. Denn was kaum einer weiß: Auch in Singen gibt es Pfadfinder und das schon seit nunmehr sieben Jahrzehnten. Doch was machen Pfadfinder überhaupt?
Jeder ist herzlich willkommen
Pfadfindern soll Kinder und Jugendliche dazu ermutigen, Verantwortung für sich, ihre Mitmenschen und die Umwelt zu übernehmen – so steht es zumindest auf der Internetseite der DPSG. „Als Pfadfinder sind wir offen gegenüber allen Menschen. Es spielt keine Rolle, ob reich oder arm, ob Junge oder Mädchen oder welcher Konfession man angehört. Bei uns ist jeder herzlich willkommen“, sagt Simon Grundmüller. Dabei würden die Singener Pfadfinder streng genommen der katholischen Kirche angehören. Mitmachen dürfe aber jeder.
Ein Wochenende im Zeichen des 70. Jubiläums
Pfandfinder wollen sich wieder verstärkt in Erinnerung rufen. „Wir wollen mit dem Jubiläum auch zeigen, dass es uns nach all den Jahren noch gibt“, sagt Grundmüller. Mehr als 400 Pfadfinder und Freunde werden dafür am Christi-Himmelfahrt-Wochenende vom 10. bis 12. Mai zur großen Geburtstagsparty in Singen erwartet. „Wir planen eine große Feier auf dem Gelände der Liebfrauenkirche“, sagt Simon Grundmüller. Gemeinsam wolle man den Kirchplatz – wie es sich für echte Pfadfinder gehört – in einen Lagerplatz verwandeln. „Es soll vor allem das Wiedersehen und das Kennenlernen im Mittelpunkt stehen“, sagt er.
1954 wurde der Stamm – so wird eine Gruppierung der Pfadfinder bezeichnet – in Singen gegründet. Michael Greuter, bekannt als Senior-Inhaber der ehemaligen Buchhandlung Greuter, sei damals auf die Idee gekommen, schildern Simon Grundmüller und Aaron Böttcher. Damals wie heute gelte: „Wir versuchen, den Kindern und Jugendlichen Selbstständigkeit, Kreativität und Hinterfragen beizubringen“, so Grundmüller. Pfadfinder würden allen Menschen die Möglichkeit geben, sich frei zu entfalten und ihre individuellen Stärken in der Gruppe einzubringen.
Der DPSG-Stamm in Singen umfasst aktuell 66 Mitglieder. Die Gruppenkinder sind zwischen sechs und 19 Jahre alt. Aufgeteilt werden die Pfadfinder in vier Altersgruppen, die Wölflinge, die Jung-Pfadfinder, die Pfadfinder und die Rover. Betreut werden sie von etwa zehn Leitern. Jedes Mitglied bringt sich bei den Pfadfindern ein. Oder wie es Simon Grundmüller formuliert: „Es ist bei uns nicht so, dass es, wie in anderen Vereinen, passive Mitglieder gibt“, sagt er. Allgemein gebe es im Bereich Bodensee zwölf Pfadfinder-Stämme.
Keine Nachwuchsprobleme, keine Abzeichen
Der Zulauf in allen Altersgruppen sei laut Grundmüller gut. Mit Nachwuchsproblemen habe der Singener Stamm nicht zu kämpfen. „Gerade bei den ganz jungen haben wir einen sehr guten Zulauf“, sagt er. Viele Pfadfinder seien durch die Eltern oder die Geschwister hinzugekommen. So sei es auch bei Simon Grundmüller und Aaron Böttcher selbst gewesen.
Wer nun glaubt, dass die Pfadfinder wie in amerikanischen Spielfilmen immer in Uniformen zu sehen sind, der irrt. Laut Aaron Böttcher hätten natürlich auch die Singener Pfadfinder eine eigene Kluft, etwa mit einem charakteristischen Halstuch. „Aber Abzeichen, wie in den Filmen, gibt es bei uns nicht“, sagt er.
Jede Woche treffen sich die Pfadfinder in Singen zu Gruppenstunden, um zusammen zu spielen, zu basteln oder einfach Freunde zu treffen. Laut Simon Grundmüller und Aaron Böttcher können die Kinder und Jugendlichen in den Gruppenstunden mitentscheiden, was sie machen wollen. Hin und wieder plane jede Stufe größere Projekte, wie zum Beispiel ein Baumhausbau oder ein selbst gedrehter Film.

Das Sommerlager ist ein echter Höhepunkt
Höhepunkt in jedem Jahr sei das Sommerlager. Da könne es laut den beiden Ober-Pfadfindern auch mal weiter weggehen, etwa nach Südafrika. Wer nun glaubt, dass die Pfadfinder dort Urlaub machen, der irrt. Laut Aaron Böttchern würden die Pfadfinder bei jedem Sommerlager einen Dienst für die Allgemeinheit leisten. „Letztes Jahr waren unsere Pfadis in Südafrika, um dort mit den südafrikanischen Pfadfindern verschiedene soziale Projekte durchzuführen. Beispielsweise haben wir ein Volleyballfeld in einem Township für die Kinder vor Ort gebaut“, sagt er.
Die Erfahrungen von Simon Grundmüller und Aaron Böttcher zeigen, was Pfadfinder-Sein bedeutet. Unterwegs sein, früh zu lernen, Verantwortung zu übernehmen – für sich selbst und für andere. Ängste, Zweifel, auch das Scheitern gehören dazu. Was Pfadfinder lernen? Führung, Teamarbeit und Selbstorganisation. Was sie erfahren? Gemeinschaft.