„Das ist ein rundum gelungener Start“, darüber waren sich die rund 600 Besucher in der Singener Stadthalle einig. Sie hatten gerade mit Bestseller-Autor Ewald Arenz einen bunten Mix aus Literatur, Musik und Talk zur Eröffnung der 15. Erzählzeit ohne Grenzen erlebt und rekapitulierten das Gehörte im lockeren Austausch. Das Literaturfestival, das vor über drei Jahrzehnten erfunden wurde, ist aus den Kulturkalendern der Städte und Gemeinden im Hegau und im Nachbarkanton Schaffhausen nicht mehr wegzudenken.
Beseelt von der guten Resonanz und dem freundschaftlichen Austausch mit den Schweizer Nachbarn zeigte sich denn auch Oberbürgermeister Bernd Häusler. Als Gastgeber der Auftaktveranstaltung stellte er sich den spielerisch provokanten Fragen des Literaturkenners Oswald Burger. Als Schwabe wunderte der sich über das „sensationelle Interesse an Literatur in einer Stadt ohne klassisch-blasiertes Bürgertum. Liege das daran, dass fast alles umsonst ist?“

Niederschwellige Angebote sollen begeistern
Das wollte Häusler so nicht stehen lassen. Schon in den 1990er-Jahren habe man sich mit dem Thema Lesekompetenz beschäftigt. Die Stadt habe erkannt, dass man die Menschen mit einem niederschwelligen Angebot für Literatur begeistern könne. Die damalige Leiterin der Stadtbibliotheken, Barbara Grieshaber, hatte das Erzählfestival maßgeblich geprägt und mit der „Criminale“ die Kontakte nach Schaffhausen geknüpft. Man habe sich annähern müssen. „Heute läuft das Ding wie geschnitten Brot“, sagte Häusler. Einen Dank richtete er an die Gemeinderäte, die das Projekt trotz angespannter Haushaltslage weiterhin unterstützen.

Aber genug der politischen Einordnung. Dieser Abend sollte ja im Zeichen der Literatur stehen. Mit Ewald Arenz stand nun ein Schriftsteller auf der Bühne, der alles andere als in sich gekehrt oder verkopft ist. Wieder war es Oswald Burger, der dem Bestseller-Autor und Lehrer persönliche Dinge entlockte. Zum Beispiel, wie er es am Montag wieder vor seine Schulklasse in Nürnberg schaffe oder wann er überhaupt Zeit für die Schriftstellerei finde. „Das fragt sich mein Chef auch“, antwortete Arenz und erntete damit Lacher aus dem Publikum. Tatsächlich hat er sein Deputat halbiert und nutzt freie Tage, Wochenenden und Ferien für seine literarische Tätigkeit.
Geschichten von Ewald Arenz ziehen in ihren Bann
Im Laufe des Gesprächs erfuhren die Zuschauer, dass Ewald Arenz als ältestes von acht Kindern einer kreativen, evangelischen Pfarrerfamilie entstammt. Da gibt es Schauspieler und Schriftsteller unter den Geschwistern. Arenz brach eine Lanze für das laute Vorlesen. Vater und Mutter hätten großen Wert aufs Wort gelegt und viel vorgelesen. „Geschichten müssen erzählt werden“, sagt er. „Ich möchte, dass meine Geschichten klingen.“
Und dann las er, stehend, das Buch „Die Liebe an miesen Tagen“ locker in der Hand, als benötige er es nur noch als Gedächtnisstütze. Es war tatsächlich mehr ein lockeres Erzählen, so als säße man mit Nachbarn im Wohnzimmer und hörte die Geschichte von Clara und Elias, wie sie sich kennenlernen.

Ewald Arenz gelingt es mit seiner Beschreibung von Claras verwilderten Garten, Bilder zu erzeugen. Von der ersten Minute an tauchen die Zuhörer in die Atmosphäre des verwunschenen Hauses ein. Sie erleben Elias‘ inneren Konflikt, der die Beziehung zu seiner Freundin Clara hinterfragt und sich trotzdem auf ihr Hobby einlässt, alte Häuser zu besichtigen. So kommt es ungewollt witzig mit einem Kniefall zur ersten Begegnung mit Clara.
„Es würde achteinhalb Stunden dauern, wenn ich das ganze Buch vorlesen würde“, sagte Arenz verschmitzt und beschränkte sich auf einen 25-minütigen Auszug seines Werks. Das reichte, um die Zuhörer neugierig zu machen.
„Eigentlich erzählen Sie ganz einfache Geschichten“, hatte Oswald Burger gesagt. Und Arenz: „Es sind die schlichten Geschichten von Liebe, Tod und Freundschaft, die uns alle angehen.“ Die Orte sind sehr konkret. Viele seien wiedererkennbar und könnten als Stadtführer dienen. Das hat Oswald Burger ausprobiert.

Passend zum Buchtitel hatten die 25 Sängerinnen des Konstanzer A-cappella-Chores Zoffvoices unter der Leitung von Fabian Weithoff ihr Programm zum Thema Liebe zusammengestellt. Ein Jahr lang haben sie die Stücke einstudiert. Die Rhythmik, die Vielstimmigkeit, die Bewegung der Sängerinnen begeisterte und übertrug sich auf das Publikum.
Jetzt geht es in 41 Gemeinden weiter
Friederike Gerland von den Singener Bibliotheken und ihr Schaffhauser Kollege Oliver Thiele haben sich mit ihren Teams über Monate um die Organisation der 15. Erzählzeit gekümmert. Nach dem gelungenen Auftakt geht es mit zahlreichen Lesungen in 41 Gemeinden weiter.