Hans Wöhrle redet nicht lange um den heißen Brei. „Corona wirkt auf den Einzelhandel wie ein Brandbeschleuniger“, sagt der Vorsitzende des Singener Einzelhandelsverbandes. Von seinem Vorgänger, dem Ehrenvorsitzenden Helmut Wessendorf, bekommt er in dieser Einschätzung nur Zustimmung.
Was Wöhrle so plakativ ins Bild setzt, ist ein Thema, das ihm schon lange auf der Seele brennt. Es geht um die ungleichen Bedingungen des stationären Handels gegenüber dem Online-Handel. Das Thema ist nicht neu. Bereits vor zwei Jahren hatte Wöhrle den Europa-Abgeordneten Andreas Schwab in dieser Sache um Hilfe gebeten. Jetzt bekommt er auch Rückendeckung vom CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung, der sich für eine Paketsteuer einsetzt.

Kampf gegen ungleichen Wettbewerb
„Ich habe nichts gegen den Versandhandel“, betont Wöhrle. „Ich habe nur etwas dagegen, dass sich internationale Konzerne wie Amazon bessere Wettbewerbsbedingungen haben.“ Der Präsenzhandel habe viel höhere Kosten. Das sind nicht nur Steuern, sondern Ladenmieten und vergleichsweise mehr Personalkosten. „Durch den Online-Handel verzeichnen die Innenstädte einen Frequenzverlust von 30 bis 40 Prozent“, weiß Wöhrle aus seinem Verband.
„Singen hat mit großen Anstrengungen dagegen gesteuert, um die Innenstadt zu beleben“, sagt er. „Der zweite Corona-Lockdown hat existenzbedrohende Auswirkungen auf die ortsansässigen Betriebe.“ In dieser Situation wanderten immer mehr Kunden zum Online-Versandhandel ab. Zwar versuchten die örtlichen Händler sich auch im Online-Geschäft. Gegen die Konkurrenz der Giganten hätten sie aber keine Chance.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion Andreas Jung sieht das Dilemma. Mit Vertretern der CDU und der CSU will er eine Paketsteuer für den Online-Handel einführen. Mit den Einnahmen solle der durch den Lockdown stark erschütterte Einzelhandel unterstützt werden.
Kommt die große Pleitewelle?
Darüber, ob das der richtige Weg ist, ist man sich in den Handelsverbänden nicht einig. In Singen wird die Initiative aber grundsätzlich begrüßt. Wöhrle und Wessendorf sind mit Jung in Kontakt. „Wir fordern Gleichbehandlung in der Steuerlast“, sagt Helmut Wessendorf.
Aus den Verbänden weiß er, dass 300 Millionen modische Teile in den Lagern der Einzelhändler liegen, die durch den Lockdown nicht verkauft werden können. Und Hans Wöhrle ergänzt: „Corona gefährdet 250.000 Stellen im Einzelhandel. 50.000 Betriebe stehen auf dem Spiel.“