Morgens um 10 ist die Singener Innenstadt noch leer. Kein Wunder: Es regnet, und die Menschen müssen zuerst einmal die neue Landesverordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie verdauen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte angesichts des dramatischen Infektionsgeschehens schon am Freitag die Notbremse gezogen. Danach dürfen die Menschen in Baden-Württemberg seit Samstag ihre Wohnungen nur noch aus triftigem Grund verlassen. Einkaufen gehört dazu, aber shoppen? Einkaufen dürfen die Menschen für ihren täglichen Bedarf. Shoppen aber ist Bummeln. Viele Menschen in Singen sind verunsichert. Sie stellen sich die Frage, ob Weihnachtseinkäufe noch als triftiger Grund zu werten sind. So lief der Samstag vor dem dritten Advent zunächst verhalten an. Dabei war es der erste Samstag für das neue Einkaufszentrum Cano.

Weniger Menschen als erwartet kommen in die Innenstadt
Das von der Stadtverwaltung und der Polizei erwartete Verkehrschaos blieb aus. Man hatte mit Staus in der Bahnhofstraße gerechnet, Gedränge vor den Parkhäusern, Verstopfung an den neuen Kreisverkehren. Doch nichts von alledem. So hatten die von der Landesregierung vorgezogenen Verschärfungen zur Pandemie-Bekämpfung möglicherweise einen positiven Begleiteffekt: Die Zahl der Besucher in der Innenstadt blieb immer überschaubar. Das galt sowohl für den Autoverkehr wie für die Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs.

Die Polizei ist sehr zufrieden mit dem Verhalten der Besucher
Dieter Glocker von der Singener Verkehrspolizei ist froh über die Disziplin der Singener am Cano-Eröffnungswochenende. An den drei Eröffnungstagen hat er die Lage beobachtet. Zwar seien am Samstagnachmittag noch etliche Besucher nach Singen gekommen, wie an der Frequenz der Parkhäuser zu beobachten war; zu echten Engpässen sei es aber nie gekommen.

Vier Streifen nur für die Cano-Umgebung im Einsatz
Die Polizei hatte sich intensiv auf dieses Wochenende vorbereitet und war am Samstag mit vier Besatzungen im Einsatz. „Wir hatten im Vorfeld sehr große Befürchtungen wegen der aktuellen Corona-Lage“, berichtet Glocker. „Wir hatten viele Verstöße gegen die Abstands- und Hygieneregeln sowie die Maskenpflicht erwartet.“ Doch es sei alles sehr gut gelaufen.
Seit Samstag muss auch in den Fußgängerzonen Mund-Nasen-Schutz getragen werden
In den Fußgängerzonen müssen die Menschen seit Samstag eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Zeitweise waren die Einkaufsstraßen auch sehr belebt. Besonders rund um das Cano. Aber dort waren die Polizeistreifen ununterbrochen präsent. Ständig umkreisten Steifenwagen das Gelände. Fußstreifen waren auch im Einkaufszentrum regelmäßig unterwegs.
Nur zwei Maskenverweigerer mussten mit aufs Revier
Wer im Freien seine Maske abgestreift hatte, wurde freundlich aufgefordert, sie wieder aufzusetzen. Die meisten reagierten sofort ohne zu murren. „Nur zwei Maskenverweigerer musste wir am Freitagnachmittag mit auf die Wache nehmen“, erzählt Dieter Glocker. Sonst habe es keine nennenswerten Vorkommnisse gegeben. Dem schließt sich auch Stefan Schüttler an, der das Eröffnungswochenende als Krisenmanager der Feuerwehr beobachtet hat.

Menschen sind begeistert von Architektur und Konzept im Cano
Wären da nicht überall die Masken in den Gesichtern der Menschen gewesen, so hätte man im Cano selbst den Eindruck eines ganz normalen Samstags in einem Einkaufszentrum gewinnen können. Überall neugieriges Staunen und Freude über die gelungene Architektur. So zum Beispiel bei Matthias Dier, der schon zum zweiten Mal mit seiner Familie im Cano war. „Das hier ist richtig schön geworden“, schwärmt er. „Schon aus Münster weiß ich, das die Center von ECE einen Unterschied zu anderen Centern machen. Es ist traumhaft, was wir hier in Singen bekommen haben.“ Dier hat sich davon überzeugt, dass die Pläne so umgesetzt wurden, wie sie vorgestellt wurden. Jetzt müsse der stationäre Handel auch in der Pandemie eine Chance gegenüber dem Online-Handel bekommen. Allerdings rechnet er nach Weihnachten wegen der Pandemie mit weiteren Einschränkungen für den stationären Handel.

Verständnis für den harten Lockdown
Renate Schweikart, selbst viele Jahre im Einzelhandel tätig, ist eine große Befürworterin des lokalen Einkaufens. Trotzdem sagt sie: „Ich finde den harten Lockdown richtig und hoffe, dass unsere Kunden nicht in die Schweiz zum Einkaufen gehen.“ Priorität habe jetzt die Bekämpfung des Virus. Renate Schweikart war am Samstag extra unterwegs, um sich das neue Cano in Ruhe und mit viel Abstand anschauen zu können. So konnte sie sich ohne Wartezeit vor den Eingängen alles in Ruhe anschauen.

Die Salamitaktik bei der Pandemie-Bekämpfung erschwert jegliches Planen
Viele Menschen waren verunsichert wegen der sich ständig verändernden Verordnungen von Bund und Ländern. Eine, die sich seit Beginn der Pandemie im März ständig darum kümmert, dass die lokale Wirtschaft über die neuesten Entscheidungen von Bund und Land informiert sind, ist die Geschäftsführerin des Standortmarketingvereins Singen aktiv, Claudia Kessler-Franzen. „Die Salamitaktik macht alles sehr schwierig“, räumt sie ein. „Es gibt keine Planungssicherheit.“ So war am Samstag vor der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag nicht klar, ob die meisten Geschäfte ab Montag wieder geschlossen werden müssen. Bisher hatten sich die Händler auf einen harten Lockdown nach Weihnachten eingestellt. „Für die Betreiber im neuen Cano ist das alles sehr, sehr schade.“

Sehr wenig Besucher aus der Schweiz in der Stadt
Die Verunsicherung war am Samstag auch in den Straßen hörbar. Im Vergleich zu üblichen Wochenenden waren kaum noch Kunden aus der Schweiz in Singen unterwegs. Zwei junge Frauen waren trotzdem mit dem Zug gekommen, weil sie neugierig auf das Cano waren. „Wir sind öfter in Singen und sehen, dass Singen immer schöner wird. Auch mit dem neuen Bahnhof“, erzählen sie.

Immer wieder bilden sich Schlangen vor dem Cano
Dass das Interesse am neuen Cano trotz corona-bedingter Verunsicherung groß ist, kann auch der Sicherheitschef Steffen Gayer bestätigen. Er betreut ECE bundesweit und ist in der ersten Zeit mit 20 Kräften vor Ort. „Wir haben praktisch keine Werbung gemacht und haben trotzdem Warteschlangen vor den Eingängen.“ Ein elektronisches Zählwerk zählt die Besucher. Wenn die erlaubte Tausender-Marke erreicht wird, erteilt er einen Einlassstopp. Trotzdem sei alles sehr gesittet zugegangen. Die Besucher hätten geduldig gewartet. Im Schnitt nicht länger als 8 Minuten.

Gelassenheit beim Geschenkekauf
Für viele Besucher war am Samstag nicht klar, ob das die letzte Gelegenheit für Weihnachtseinkäufe war. Sie nahmen es aber gelassen und hatten sich zum Teil schon darauf eingestellt, Gutscheine für die Zeit nach der Pandemie zu verschenken.

Wegen der Ausgangsbeschränkung schließt das Center früher
Flexibel muss auch die Center-Managerin Carolin Faustmann bleiben. „Wir hatten eigentlich vor, das Cano an diesem Wochenende bis 21.30 Uhr zu öffnen, um die Besucherströme zu entzerren“, berichtet sie. „Weil die Ausgangsbeschränkungen der Landesregierung schon ab diesem Samstag gelten, schließen wir früher.“ Zwischen 20 Uhr und 5 Uhr darf niemand ohne triftigen Grund seine Wohnung verlassen. Das sei alles sehr emotional, nachdem alle so lange auf die Eröffnung hingearbeitet haben.

Vier Verkehrskadetten für den sicheren Fußgängerverkehr
In den Stoßzeiten sorgten vier junge Männer am neuen Busbahnhof dafür, dass die Fußgänger über die Straße kamen. „Wir wurden vom Cano gebucht“, erzählt Johannes Kirsch. Für die kleine Gruppe in Gelb hat er an diesem Tag die Verantwortung. Was sie zu tun haben, wissen sie aus Konstanz, wo sie Wochenende für Wochenende gegen eine Aufwandsentschädigung die Fußgängerströme rund ums Lago über die Straße lotsen. „Hauptziel ist, dass keine Staus im Kreisverkehr entstehen und die Busse nicht behindert werden“, sagt Kirsch. Die Kadetten sind ein Jugendverein der Kreisverkehrswacht Konstanz-Hegau mit rund 60 Mitgliedern. Einsatzleiter Dieter Glocker von der Polizei hat die vier jungen Männer eingewiesen und ihnen die Handlungsbefugnis erteilt.
