Albert Bittlingmaierund Isabelle Arndt

Die drastischen Verschärfungen der Corona-Verordnung mit den Schließungen vieler Läden ab Mittwoch bis zum 10. Januar trifft den Einzelhandel in der Region hart. „Wir mussten Ende der vergangenen Woche mit der Maßnahme rechnen. Die Betreiber der Geschäfte hätten sich aber gewünscht, dass sie noch etwas Zeit bekommen hätten, bevor sie schließen müssen. Dies muss nun kurzfristig wie beim ersten Lockdown umgesetzt werden“, erklärt Hans Wöhrle, Vorsitzender des Singener Einzelhandelsverbandes.

„Der erneute Lockdown trifft den Singener Einzelhandel hart. Er findet in der Phase statt, in welcher der mit Abstand größte ...
„Der erneute Lockdown trifft den Singener Einzelhandel hart. Er findet in der Phase statt, in welcher der mit Abstand größte Umsatz erzielt wird.“Hans Wöhrle, Einzelhandelsverband | Bild: Trautmann, Gudrun

„Das ist schon tragisch. Es bricht nun nicht nur das Geschäft vor Weihnachten weg, das etwa 20 bis 25 Prozent des gesamten Jahresumsatzes ausmacht. Auch die Tage zwischen Weihnachten und Dreikönig nutzen normalerweise viele Menschen in ihrer Freizeit, um in den Läden einzukaufen oder Gutscheine einzulösen“, sagt Wöhrle.

Digital-Verkauf profitiert stark von Schließung

„Im Sinne der Bekämpfung der Pandemie war die Entscheidung, die Corona-Verordnungen zu verschärfen, sicher richtig. Und uns tat es auch leid, dass beispielsweise die Gastronomie schon seit November schließen muss. Dass die in der Singener Innenstadt fehlt, geht auch stark zu Lasten des Handels“, so Wöhrle. Hinzu komme, dass auch bisher schon viele Leute aus Vorsicht die Innenstadt meideten. „Corona wird in den Jahren 2020/2021 große Spuren hinterlassen“, ist Wöhrle überzeugt. „Nun macht der professionelle Digital-Verkauf das große Geschäft. Das schwächt den stationären Handel. Der kann aber langfristig vom neuen Einkaufszentrum Cano profitieren, weil das eine Magnet-Wirkung erzeugt“, blickt Wöhrle voraus.

„Der Einzelhandel muss ausgerechnet schließen in einer Zeit vor und nach Weihnachten, in der er normalerweise pulsiert und die Kunden in Kauflaune sind, vor allem weil sie viel Zeit haben“, sagt Dirk Oehle, Vorsitzender der Interessensgemeinschaft (IG) Singen Süd. „Darunter wird auch der rege Handel in der Singener Südstadt stark leiden. Die größeren Geschäfte, wie Elektronik-Märkte, müssen nun ihren Internet-Handel vorantreiben. Einige sind schon sehr gut aufgestellt. Für viele kleineren Läden rentiert sich der Online-Verkauf allerdings nicht, weil sie dafür einen zu großen Aufwand betreiben müssten“, schildert Oehle.

Hoffnung auf Impfung

„Meine Hoffnung liegt darin, dass sich viele Menschen gegen das Corona-Virus impfen lassen. Leider gibt es – wie Diskussionen zeigen – wegen der Sorge vor Nebenwirkungen auch viele Vorbehalte. Dabei weisen beispielsweise das Rauchen und der Alkoholgenuss viel größere gesundheitliche Langzeitschäden auf, wie dies bei den Impfungen befürchtet wird“, betont Oehle.

„Auch die Geschäfte des Singener Südens leiden. Normalerweise pulsiert der Handel in der Zeit vor Weihnachten bis in das neue Jahr ...
„Auch die Geschäfte des Singener Südens leiden. Normalerweise pulsiert der Handel in der Zeit vor Weihnachten bis in das neue Jahr hinein.“Dirk Oehle, IG Singen Süd | Bild: SK

„Das Cano-Center bleibt weiterhin in einem reduzierten Umfang durch die 18 Geschäfte des täglichen Bedarfs weiterhin geöffnet“, berichtet Cano-Leiterin Carolin Faustmann. „Die behördliche Verfügung zur Schließung im Einzelhandel bedeutet, dass die von der Verordnung betroffenen Geschäfte vom 16. Dezember bis zum 10. Januar 2021 schließen müssen.

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„Selbstverständlich folgen wir den Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie und versuchen, nach Kräften dazu beizutragen, die Infektionszahlen zu senken. Für unsere Mieter bedeutet die Schließung aber eine sehr große Herausforderung. Es wäre daher wichtig und dringend geboten, dass die Einzelhändler jetzt staatliche Unterstützung erhalten, wie zuletzt etwa die geschlossenen Gastronomie-Betriebe. Dies wünschen wir allen Einzelhändlern“, betont Carolin Faustmann. „Die Kunden begrüßen wir weiterhin mit unserem umfangreichen Hygienekonzept. Das Parkhaus ist von 7 bis 21 Uhr geöffnet“, so Carolin Faustmann.

Warteschlangen im Freien

Die Singener Innenstadt war am Montag sehr belebt. Es gab teils große Warteschlangen vor den Geschäften. Die Kunden wirkten aber eher gelassen, obwohl die meisten Einzelhandelsgeschäfte ab Mittwoch schließen müssen. „Das ist für die Betreiber der Geschäfte sehr bedauerlich. Es war aber damit zu rechnen, dass die Schließung kommt. Das mussten die Betreiber der Gaststätten leider auch hinnehmen“, sagt Rentnerin Ruth Kästle aus Singen.

Christian Götz föhnt einem Kunden in seinem Salon die Haare. Ab Mittwoch muss er schließen.
Christian Götz föhnt einem Kunden in seinem Salon die Haare. Ab Mittwoch muss er schließen. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Wie ein Gottmadinger Frisör die Schließungen erlebt

  • Viele wollen noch zum Frisör: Ab dem 16. Dezember dürfen auch die Frisörsalons, die bereits beim Lockdown im Frühjahr rund sechs Wochen komplett dicht machen mussten, nicht mehr öffnen. Die neue Verordnung betrifft auch andere Dienstleister, die bei ihren Kunden nicht mehr Hand anlegen dürfen, wie in den Bereichen Kosmetik und Massagen. Wer also zum Frisör will, muss sich deshalb sputen. So drängten am Montag viele Kunden noch in den traditionellen Gottmadinger Frisörsalon von Christian Götz. Andere holte sich schnell noch einen Termin für den Dienstag ab. Denn danach geht vorläufig nichts mehr in Sachen Schneiden oder andere Behandlungen von Haaren.
  • Stammkunden fehlen: „Ich muss mich der neuen Situation stellen. Die Geschäfte sind in der Vergangenheit zufriedenstellend gelaufen. Die von Bund und Land angekündigte finanzielle Unterstützung nach dem ersten Lockdwon im Frühjahr ist nach einer kurzen Nachfrage problemlos bezahlt worden. Leider kommt ein Teil der Stammkundschaft seither nicht mehr, vor allem im hochpreislichen Bereich“, erklärt Christian Götz. Es handle sich teils um Sparmaßnahmen von coronabedingten Einnahme-Verlusten von Kunden, wie durch Kurzarbeit betroffene. „Manche sind auch in Sorge vor einer Ansteckung oder schneiden sich die Haare mit eigenen Geräten selbst“, so Götz.
  • Viel Gesprächsbedarf: „Unsere Innung hat uns vor dem ersten Lockdown darauf hingewiesen, möglichst wenig mit den Kunden zu reden. Schnell stellte ich aber fest, dass dies fast unmöglich ist“, berichtet Götz. Gerade in Zeiten, in denen es kaum noch soziale Treffpunkte gebe, um sich auszutauschen, sei es vielen Kunden ein Bedürfnis, beim Besuch in einem Frisörsalon ins Gespräch zu kommen. „Viele wollen ihre Sorgen wegen Corona loswerden oder einfach nur darüber sprechen. Da agiert man auch ein wenig als Seelentröster“, sagt Götz. In Kürze muss er sich in den zweiten Zwangsurlaub verabschieden.
Albert Bittlingmaier