In rund vier Wochen ist Kommunalwahl – bis dahin müssen sich die Wählerinnen und Wähler entscheiden, wen sie wählen wollen. Eine Entscheidungshilfe bot nun die Lokalredaktion des SÜDKURIER in Singen mit einer Podiumsdiskussion zur Wahl in der Gems, zu der rund 90 Besucher kamen.
Sieben Kandidaten der Fraktionen im Gemeinderat – Franz Hirschle (CDU), Regina Brütsch (SPD), Eberhard Röhm (Grüne), Hubertus Both (Freie Wähler), Dirk Oehle (Neue Linie), Kirsten Brößke (FDP) und Raimund Siirak (SÖS) – stellten sich den Fragen von Redaktionsleiter Stephan Freißmann und Redakteur Matthias Güntert sowie denen des Publikums. Der Platz des AfD-Kandidaten blieb leer, nachdem Thomas Frischmuth lange nicht auf eine Anfrage reagiert hatte, sagte er erst am Abend vor der Diskussion aus beruflichen Gründen ab. Da die Partei erstmals mit einer Liste für den Gemeinderat in Singen antritt, wären ihre Positionen zur Zukunft der Stadt von Interesse gewesen.

Soll Singen autofrei werden?
Eine Frage von Matthias Güntert in einer Zweierfragerunde war, ob es in Singen zu viele Autos gibt oder ob die Stadt gar autofrei werden solle. Raimund Siirak (SÖS) stimmte zu, dass es zu viele Autos gebe, man müsse den Radverkehr und den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) stärken, um Singen noch lebenswerter zu machen.
Franz Hirschle (CDU) war da anderer Meinung: „Singen hat täglich 17.000 Einpendler und ist eine Industriestadt, deshalb muss man den Individualverkehr zulassen“, sagte er. Parkhäuser sollten für weniger Suchverkehr sorgen, so seine Meinung. Die Bedingungen seien in Singen nicht so, dass die Stadt autofrei werden könne, gleichzeitig sei ein Ausbau des ÖPNV teuer.
Wie kann Singen als Industriestandort attraktiv bleiben?
Zum Thema Industriestandort und wie attraktiv Singen noch für Unternehmen ist, antwortete Regina Brütsch (SPD), dass man den Standort kreativ weiterentwickeln müsse. Die Einrichtung des Reallabors sei richtig, um neue Fachkräfte zu gewinnen. Dirk Oehle (Neue Linie) sprach sich dafür aus, ordentlich mit den Betrieben umzugehen und nicht zu viele Auflagen zu machen, um Arbeitsplätze zu erhalten. „Was nutzt uns ein Betrieb, wenn er abwandert?“, erklärte er.

Gibt es genügend bezahlbaren Wohnraum in Singen?
Auch das Thema bezahlbarer Wohnraum wurde diskutiert und wie Singen noch wachsen könne. Kirsten Brößke (FDP) erklärte, man müsse den Wohnbau voranbringen und Umstrukturierungen fördern, damit Menschen in verschiedenen Lebensphasen die für sie passende Wohnung finden. „Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit Investoren in Wohnbau investieren“, sagte zudem Hubertus Both (FW). Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müsse die Stadt Wohnungen aufkaufen und anmieten und über neue Wohnformen nachdenken.
„Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum“, stellte Eberhard Röhm (Grüne) fest. „Wir brauchen eine neue Wohnungsbaugesellschaft und geförderten Wohnraum über die ganze Stadt verteilt“, sagte er. „Singen braucht keine neue Wohnungsbaugesellschaft“, hielt Kirsten Brößke dagegen. Die Stadt solle vielmehr Wohnungen aufkaufen und diejenigen unterstützen, die bauen wollen.
Wie soll die Stadt dem Mangel an Kita-Plätzen begegnen?
„Wir müssen mehr Kitas bauen und Personal dafür anwerben“, erklärte Hubertus Both zum Thema Kitaplatz-Mangel. Außerdem sei es wichtig, dass die Stadt gute Bedingungen schaffe, um Personal zu bekommen, indem sie zum Beispiel Wohnraum schafft. Man dürfe Bildung nicht immer als Last sehen: „Bildung ist unsere größte Chance.“ Kirsten Brößke sprach sich für neue Kita-Formen wie Waldkindergärten aus und dafür, dass Unternehmen, die das möchten, selbst Betreuungsmöglichkeiten anbieten.
Was kann sich Singen noch leisten?
Eine Diskussion zum Thema Finanzen der Stadt kam im Anschluss an eine Publikumsfrage von Christian Siebold nach einer Erhöhung der Grund- und der Gewerbesteuer auf. Einer Erhöhung der Gewerbesteuer hatte der Gemeinderat zugestimmt. Regina Brütsch erklärte, dass Singen mit der Erhöhung jetzt auf dem Niveau anderer Städte sei. Sie gab zu, dass der Haushalt 2024 schwierig werde, trotzdem könne sich die Stadt viel leisten und müsse es auch, um attraktiv zu sein. „Die Wirtschaft muss laufen, damit die Stadt sich weiterentwickeln kann“, erklärte Franz Hirschle im Hinblick auf die Gewerbesteuer.
Angela Zaffanella-Dietrich stellte als Lehrerin aus dem Publikum die Frage, wie man junge Leute für Politik begeistern könne. Raimund Siirak und andere Kandidaten plädierten dafür, die Themen der Jugendlichen ernst zu nehmen. Die Diskussionsteilnehmer riefen auch dazu auf, die jungen Kandidaten, die auf den Listen stehen, zu wählen: „Unser Gemeinderat muss jünger und bunter werden“, sagte Regina Brütsch.
Zuhörer Norbert Schaible wollte wissen, was noch in Sachen Stadtbegrünung getan werden könne. Eine Möglichkeit sei die Begrünung von Fassaden, aber auch die Entsiegelung von Flächen, erklärten die Stadträte.
Schnellfragerunde zu strittigen Themen
In einer Schnellfragerunde konnten die Kandidaten mit farbigen Karten zu Themen wie Erhalt des Hohentwiel-Festivals, dreiteilige Sporthalle, neues Feuerwehrhaus oder Windkraft abstimmen und zum Schluss einen kurzen Werbeslogan für ihre Kandidatenliste abgeben.
Dabei war die CDU laut Franz Hirschle, „die Partei, die für Ordnung sorgt“. Die SPD will dafür sorgen, „dass Menschen nicht abgehängt werden“, sagte Regina Brütsch. Die Grünen mit Eberhard Röhm setzen sich für „eine grüne Industriestadt“ ein, die Freien Wähler stehen laut Hubertus Both für Offenheit und eine „gute Streitkultur“. Bürger- und wirtschaftsnah sieht sich die Neue Linie mit Dirk Oehle. Die FDP mit Kirsten Brößke bewege etwas, indem es beispielsweise auf ihre Initiative hin Fördergelder für den Scheffelhallen-Neubau gab. Die SÖS sieht sich laut Raimund Siirak durch das Engagement ihrer Mitglieder kompetent in Sachen Ökologie und Soziales.