Der Rechtsstreit zwischen dem niedergelassenen Neurochirurgen Aram Bani und dem Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) verdeutlicht: In der neurochirurgischen Versorgung der Menschen in der Region mit einem Einzugsbereich, der über die Kreisgrenzen hinausreicht, steckt viel Geld. Da ist zum einen die Frage nach Schadenersatz, die beide Parteien, der frühere Honorararzt Bani und der GLKN, nach einem Gütetermin vor dem Konstanzer Landgericht nun klären sollen.
Bani wehrt sich juristisch gegen die vorzeitige Kündigung der Kooperation durch das Krankenhaus, die erfolgt war, nachdem er selbst seinen Vertrag über die neurochirurgische 24-Stunden-Rufbereitschaft gekündigt hatte – fristgerecht unter Nutzung einer sehr viel kürzeren Kündigungsfrist, als sie der Vertrag über die neurochirurgischen Operationen enthielt. Bei einem möglichen Schadenersatz könnte es um einen sehr hohen Betrag gehen. Zumindest sagte Banis Anwalt Martin Geißler vor Gericht, seinem Mandanten seien durch die vorzeitige Kündigung etwa 2,3 Millionen Euro verloren gegangen – wobei alle Beteiligten nach dem Gütetermin versicherten, dass diese Summe kein Anhaltspunkt für einen möglichen späteren Schadenersatz sei.
Konnte Bani den Vertrag überhaupt erfüllen?
Vereint sind die streitenden Parteien offenbar im Willen, die Sache einigermaßen bald zu beenden. So äußern sich nun sowohl GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber als auch Arzt Aram Bani. Aus Stellungnahmen geht aber auch hervor, dass beide Seiten nicht jeden Preis zu zahlen bereit sind. Sollte man sich nicht auf Schadenersatz einigen können, wäre wieder das Gericht am Zug.
Im Moment würden die Anwälte miteinander korrespondieren, so Bani. Sieber argumentiert aber auch, dass Banis Praxis gar nicht mehr in der Lage gewesen wäre, den Vertrag zu erfüllen. Wie GLKN-Anwalt Thomas Ratajczak bei dem Gütetermin im Januar sagte, habe es in der Praxis zum betreffenden Zeitpunkt nicht mehr genügend Ärzte gegeben. Beim GLKN wolle man nun die eigene Neurochirurgie konsequent weiterentwickeln, so Sieber. Nach der Argumentation von Bani und seinen Anwälten hätte allerdings zumindest die Kooperation bei stationären Eingriffen bis zum ordentlichen Kündigungszeitraum weiterlaufen müssen.
Doch nicht nur an dieser Stelle ist viel Geld im Spiel. Bereits in der Vergangenheit flossen hohe Summen, um die neurochirurgische Versorgung durch Kooperation mit niedergelassenen Ärzten sicherzustellen. Dies wurde bei dem Gerichtstermin ebenfalls öffentlich. Zur Historie des Rechtsstreits gehört nämlich, dass 24-Stunden-Rufbereitschaft und Kooperation bei Operationen zunächst in einem gemeinsamen Vertrag geregelt waren, wie die Vorsitzende Richterin Ulrike Hohlfeld bei dem Termin erklärte. Als das Paket auf zwei Verträge aufgesplittet wurde, sei auch die Vergütung aufgeteilt worden.
Es geht um knapp 70.000 Euro pro Monat
Aus den Ausführungen von Aram Bani lässt sich herausrechnen, dass für neurochirurgische Operationen und 24-Stunden-Rufbereitschaft zunächst knapp 70.000 Euro monatlich vom Krankenhaus an seine Praxis geflossen sind. Der weitaus kleinste Teil, nämlich 3860 Euro, sind demnach ab der Aufteilung auf zwei Verträge ab Januar 2019 auf den Vertrag zur Rufbereitschaft entfallen.
Anfangs gab es zwei Kooperations-Praxen
Damals haben noch zwei neurochirurgische Praxen auf diese Weise mit dem Singener Krankenhaus kooperiert, denn auch Bahram Hashemi arbeitete als niedergelassener Neurochirurg in Singen. Im Juli 2021 schloss er sehr plötzlich seine Praxis, nachdem das Krankenhaus die Zusammenarbeit mit ihm aufgekündigt hatte. Im Hintergrund dieser Kündigung standen offenbar schwere, aber letztlich haltlose Vorwürfe, die Hashemi gegen Bani und einen anderen mit dem Krankenhaus verbundenen Arzt erhoben hatte. Auch dazu läuft ein Rechtsstreit, der einige spektakuläre Details zutage förderte.
Nach dem Ende von Hashemis Praxis übernahm Banis Praxis die Rufbereitschaft allein. Die Vergütung für die Rufbereitschaft habe sich dadurch verdoppelt, schreibt Banis Anwalt Dirk Lebe auf Anfrage.
Da die Verträge mit den Praxen von Aram Bani und Bahram Hashemi laut GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber identisch waren, lässt das den Schluss zu: Derselbe Betrag floss monatlich auch an Hashemis Praxis – allein aus der Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus. Nach den nun zugänglichen Informationen hat das Krankenhaus also jeden Monat etwa 140.000 Euro an Honoraren für die neurochirurgische Versorgung gezahlt – mehr als 1,6 Millionen Euro jährlich.
Viel Geld, aber auch viele Kosten
Dem dürften allerdings auch erhebliche Kosten der Praxen gegenüber stehen. Die Neurochirurgie ist eine hoch spezialisierte Disziplin mit großen Risiken, teuren Geräten und Versicherungen. Die genannten Beträge sind kein Gewinn, denn die Kosten müssen davon abgezogen werden. Und auch ein Krankenhaus müsste eine eigene neurochirurgische Abteilung natürlich finanzieren, etwa die Gehälter von angestellten Ärzten, was durch die Kooperation bis vor Kurzem nicht notwendig war.
Der Gerichtstermin legt allerdings noch einen weiteren Schluss nahe, nämlich dass die betreffenden Verträge offenbar vergleichsweise hemdsärmelig geschlossen wurden. Als die Verträge für stationäre Eingriffe und für 24-Stunden-Rufbereitschaft getrennt wurden, sei zwar eine Anwaltskanzlei involviert gewesen, sagte GLKN-Anwalt Ratajczak bei dem Gütetermin. Hauptsächlich sei die Vertragsschließung aber über die damalige Geschäftsführung gelaufen. Am Ende habe die Kanzlei von den Verträgen nichts mehr mitbekommen. Und an die stark unterschiedliche Kündigungsfrist habe man wohl einfach nicht gedacht, so Ratajczak.
Viele Beteiligte von damals sind jetzt in Rente
Unabhängig überprüfen lässt sich das indes kaum, die Beteiligten von 2018, als die Trennung der beiden Verträge verhandelt wurde, sind inzwischen fast alle im Ruhestand. Peter Fischer, der ursprünglich Geschäftsführer am Hegau-Bodensee-Klinikum mit Sitz in Singen war und ab der Fusion 2012 mit Rainer Ott die Geschäfte des GLKN geführt hat, ist beispielsweise seit Ende 2020 in Rente. Erst im Januar 2020 kam Bernd Sieber als Vorsitzender der Geschäftsführung hinzu, er ist nun allein Geschäftsführer. Für alles, was vor seinem Amtsantritt passiert ist, müsse auch er auf die Akten zurückgreifen, sagte Sieber bei Gericht.
Was hinter den so unterschiedlichen Kündigungsfristen der Verträge über stationäre Leistungen und Rufbereitschaft steckt, lässt sich aus diesen aber offenbar nicht herauslesen, wie bei Gericht deutlich wurde. Der Hintergrund ließ sich somit nicht abschließend klären.
Bani sagte bei dem Termin, er habe sich über die unterschiedlichen Kündigungsfristen keine Gedanken gemacht: „Das war für mich eine Formalie.“ Sicher ist aber: Die Diskrepanz hat weitreichende Konsequenzen. Ohne sie dürfte vieles anders gelaufen sein – und für beide Seiten würde wohl weit weniger auf dem Spiel stehen.