Frau Waechter, Schauspielerin ist kein traditioneller Beruf. Weshalb haben Sie sich für diesen Weg entschieden?
Bianca Waechter: Spaß und Freude am Spiel. Ich war in der Schule damals eher schüchtern, aber auf der Bühne hatte ich das Gefühl, dass ich voll Ich sein kann; dass ich spielen und anders mit Mitmenschen Kontakt aufnehmen kann. Die Faszination und der Spaß, Rollen einzunehmen und mich von mir selbst überraschen zu lassen, hat mich nicht losgelassen. Teilweise tauchen dabei Gefühle auf, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie habe oder die sich in meinem Alltag nicht zeigen. Das finde ich spannend. Auch als Zuschauerin im Theater oder in der Oper war ich immer fasziniert von dem Sog der Welt, die sich auf der Bühne eröffnete. Bei einem guten Stück kreieren die Schauspielerinnen und Schauspieler ein echtes Energiefeld, das das Publikum in diese Welt zieht. Und das ist mein Ziel. Ich will Theater machen, das anzieht, einsaugt und Emotionen auslöst. Und vielleicht sogar solche Emotionen, die Menschen in ihrem Alltag nicht fühlen oder sich nicht herantrauen. Für mich ist das Theater.
Nun haben Sie zum ersten Mal ein eigenes Drehbuch verfasst.
Bianca Waechter: Das habe ich Maya Le Roux zu verdanken. Wir haben das Stück zusammen geschrieben. Wir sind beide freischaffende Schauspielerinnen in Berlin. Als wir uns kennengelernt haben, wussten wir sofort, dass wir dieselbe kreative Sprache sprechen. Schon einige Wochen danach haben wir gesagt: Lass uns zusammen etwas machen. Wir haben uns hingesetzt und Ideen gesammelt. Wir hatten beide ein paar Szenen und Texte, die wir mal geschrieben hatten. Die haben wir gesammelt, um zu sehen, ob sich daraus Ideen für ein Stück ergeben. Aus dem Zusammenstellen dieser Szenen sind zwei Figuren aufgepoppt. Zwei Mägde aus dem Mittelalter – Nortburga und Bertegilde. Beste Freundinnen und geplagt von Elend, Armut und dem Wunsch, geliebt zu werden und etwas Größeres mit Ihrem Leben zu machen. Wir haben das Stück komplett gemeinschaftlich geschrieben. Manchmal hat eine die Führung übernommen, aber hauptsächlich haben wir symbiotisch geschrieben. Das hat erstaunlich gut funktioniert. Unser erster Entwurf war allerdings total chaotisch und viel zu lang.
„Wenches!“ lautet der Titel. Was kann das Publikum denn dabei erwarten?
Bianca Waechter: Unser Publikum lässt sich auf jeden Fall auf einen verrückten Abend ein, der moderne Relevanz mit historischer Absurdität mischt. Das Stück thematisiert performativen Aktivismus und den Preis des Nichtstuns. Wir folgen den Mägden Nortburga und Bertegilde auf ihrer Reise. Die beiden wollen etwas an den Hexenverbrennungen und Hinrichtungen ändern. Wie sie das tun und was für Probleme auftauchen, verrate ich noch nicht. Das Stück ist eine multimediale Komödie. Absurde und komödiantische Projektionen, Animationen, ein fantastischer, originaler Soundtrack von Kiki Le Roux und Voice-Over Kommentare von Christian Intorp sind Teil des Stückes.
Bis jetzt waren Sie immer ganz Schauspielerin. Wie ist es für Sie, eine andere Rolle einzunehmen?
Bianca Waechter: Cool und stressig. Es gibt mir viel Eigenmacht und macht den ganzen Prozess noch besonderer. Als Schauspielerin habe ich viel mit Ablehnung zu tun und das lässt mich oft verzweifeln. Das Gefühl zu haben, etwas Eigenes zu kreieren und nicht nur von Vorsprechen abhängig zu sein, ist sehr befreiend. Und es ist gleichzeitig extrem schwierig, so viele Hüte auf einmal zu tragen. Manchmal denke ich, während wir eine Szene proben, dass ich noch Kostüme einkaufen, den Techniker anrufen, den Probenplan aktualisieren muss und, und, und ... Das ist natürlich für das Proben nicht von Vorteil. Es ist aber ein gutes Kopftraining, sich immer nur auf eine Sache zu fokussieren.
Welche Hürden mussten Sie überwinden?
Bianca Waechter: Zweifel, Zweifel und noch mehr Zweifel. Ich habe bestimmt 50 Theater in Berlin kontaktiert, um „Wenches!“ zu spielen. Die meisten sind natürlich voll. Und wenn man so lange daran arbeitet, weißt Du nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Wir haben eine Idee und sind zunächst begeistert davon. Doch irgendwann fragt man sich, ob die überhaupt gut war. Dann versuche ich mich immer an die Anfangsfreude und Begeisterung zu erinnern und darauf zu vertrauen. Auch während des Schreibprozesses hatten wir Gedankenblitze und Durchbrüche und dachten uns, jetzt haben wir es geknackt. Fünf Seiten später wussten wir nicht weiter. Aber das ist das Tolle daran, eine Schreibpartnerin zu haben. Durch den gemeinsamen Austausch kamen wir meistens schnell aus Blockaden raus. Wir haben uns auch getraut, Rückmeldung von vertrauten Menschen zu holen. Das hilft sehr, um Perspektive zu bekommen über den Prozess, was funktioniert und was nicht.
Was sind die Vorteile davon, sein Stück selbst geschrieben zu haben?
Bianca Waechter: Ich habe einen ganz anderen Zugang zur Figur. Ich kenne sie in- und auswendig. In unserem ersten Entwurf waren viele Figuren und Handlungen dabei, die jetzt raus sind. Aber all das ist jetzt Teil der Hintergrundgeschichte. Ich habe also als Schauspielerin viel weniger Arbeit, weil alles schon in meinem Kopf ist.
Und was sind die Nachteile?
Bianca Waechter: Ich bin schuld, falls das Stück nicht gut ist.
Wie ist es zur Zusammenarbeit mit den anderen Kolleginnen gekommen?
Bianca Waechter: Maya und ich haben Castings gehalten. Es werden drei Schauspielerinnen benötigt, zwei hatten wir ja schon – also uns. Für die restlichen Charaktere haben wir eine dritte Person benötigt. Wir waren ganz gerührt, wie viele tolle Schauspielerinnen zum Casting gekommen sind. Es war ein interessanter Prozess, mal auf der anderen Seite zu sitzen. Die meisten, denen wir abgesagt haben, waren total gut. Wir hatten viele Optionen, aber da gab es eine, die genauso war, wie wir uns es vorgestellt haben. Und das war Derya Celikkol. Sie hat uns sofort begeistert. Derya kommt aus der Türkei und hat 13 Jahre in New York Theater gespielt. Sie war gerade frisch nach Berlin gezogen. Die größere Aufgabe war es, eine Regie zu finden. Wir brauchten jemanden, der sich auf den Entwicklungsprozess einlassen kann und unseren Humor versteht. Es ist nicht so leicht, die Führung für ein Herzensprojekt abzugeben. Nach langer Suche hatten wir das Glück, Antonia Reinisch zu finden. Ich hatte ihr davon erzählt. Sie war begeistert und hatte selbst angeboten, die Regie zu übernehmen.
Was sind Ihre nächsten Pläne?
Bianca Waechter: Wir spielen unser Stück erstmals in Berlin im Theater im Kino als Vorpremiere. Da wollen wir uns Feedback vom Publikum holen. Dann überarbeiten wir das Stück für die Premiere in Schottland beim Edinburgh Fringe Festival. Dort spielen wir jeden Tag, den ganzen August. Das wird sehr intensiv, wir freuen uns darauf.
Die eigentliche Premiere findet im August beim Edinburgh Fringe Festival statt. Was hat es damit auf sich?
Es ist das weltweit größte Kunstfestival in der mittelalterlichen Hauptstadt von Schottland. Die ganze Stadt wird jeden August zu einem Theater. Von großen Theatern zu Straßentheater, in Cafés bis zu Pubs – an jeder Ecke und zu jeder Uhrzeit findet Theater statt. Viele große Produktionen hatten dort ihren Anfang. Unser Ziel ist es, das Theaterstück dort zu perfektionieren und dann damit auf Tournee zu gehen.
Fragen: Saskia Biehler