Singen – Lisa Federle und Bernd Kohlhepp sind ein eingespieltes Team, wenn sie auf Lesereise gehen. Im Kulturzentrum Gems trafen sie auf ein munteres Publikum, das nach dem Auftritt von Glück reden konnte, diesen Abend erlebt zu haben. Trotz ernster Themen und Situationen, mit denen eine Notärztin zuweilen konfrontiert ist, gab es viele heitere Momente.

„Mit ihrer zupackenden Art hat sie im Fluchtsommer 2015 und während der Pandemie das ganze Land verzaubert“ – mit diesem Satz beginnt der Klappentext für Federles zweites Buch (gemeinsam mit Isabelle Müller geschrieben) „Vom Glück des Zuhörens“, das im Herbst 2023 erschienen ist. Daraus las sie zunächst ein Kapitel über ein hochbetagtes Ehepaar, das ihr das Versprechen abgenommen hatte, zuhause sterben zu dürfen – worauf Federle sich dafür einsetzte, dass der über 90-jährige Mann kurz vor seinem Tod das Krankenhaus verlassen konnte. Auch Bernd Kohlhepp hatte sie in der Corona-Zeit als Patienten behandelt. Beide lasen diese Geschichte von Heimsuchungen und Hausbesuchen gemeinsam, was sehr, sehr witzig ist. Mit ihrem Buch möchte die Ärztin Mut machen. Lisa Federle, 1961 in Tübingen geboren, hatte keinen leichten Lebensweg. Aber Mut. Mit 17 bekam sie ihr erstes Kind, drei weitere folgten. Ihr Vater starb, als sie elf Jahre alt war. Die strenge Atmosphäre in ihrem Elternhaus führte dazu, dass sie dieses ohne Schulabschluss verließ. Erst viel später machte sie das Abitur nach und studierte Medizin. Als leitende Notärztin und Ärztin mit eigener Praxis ist sie längst in ihrem Beruf, der zugleich Berufung ist, angekommen und hört den Menschen zu.

Wie sie es schaffe, neben der Arbeit als Ärztin Bücher zu schreiben, wollte Bernd Kohlhepp wissen. „Von 22.30 bis 1 Uhr in der Nacht habe ich mir dafür Zeit genommen“, sagte Federle. Erste Anfragen für eine Biografie habe es bereits im Jahr 2011 gegeben. Überhaupt, Bücher. Die hätten sie in ihrer Kindheit in ihrem strengen, pietistischen Elternhaus gerettet. Sie sei zwei Mal sitzen geblieben, weil sie im Unterricht unter der Schulbank Bücher verschlungen habe. Mit ihrer heutigen Erfahrung als Präsidentin des DRK Tübingen und als Ärztin würde sie den Numerus Clausus für das Medizinstudium abschaffen. Trotz der stressigen Arbeit als Notärztin habe sie immer noch Spaß daran. Ohne Spaß würde es auch nicht gehen. „Vor 20 Jahren habe ich bei Einsätzen manchmal mit der Polizei ‚Rennerles‘ gespielt, also wer schneller am Ziel ist. Das hat die schwere Situation, die bevorstand, etwas aufgelockert“, so Federle. Das sei auf jeden Fall verjährt, sagte sie verschmitzt. Berührend sind auch die gelesenen Alltagsgeschichten, die sie in ihrer Praxis erlebt, mit dabei auch mal der Tübinger OB Boris Palmer als Patient.

Bernd Kohlhepp hatte an dem Abend ein schwarzes Mikrophon, Lisa Federle ein grünes. Das sei Absicht: Kohlhepp sei einmal Mitglied bei den Grünen gewesen, und Federle ist immer noch für die CDU im Tübinger Kreistag. Rund zwei Wochen vor der Bundestagswahl konnte die Politik nicht außen vor gelassen werden. Eine neue Regierung werde Kompromisse machen müssen, so Federle. „Man muss wählen und darf keine extremistische Parteien wählen“, sagte sie. Das Abschieben von Fachpersonal mit nicht deutschem Pass sieht sie kritisch. Ohne diese würde es im Gesundheitswesen gar nicht gehen. „Jemand, der kriminell wird, muss in sein Herkunftsland zurück“, meinte Kohlhepp. Lisa Federle sieht nach der Wahl wieder mehr soziale Verantwortung auf jeden Einzelnen zukommen: „Ich habe den Anspruch, dass wir aufeinander schauen, auch ohne Bezahlung.“ Sie wünscht sich, dass „wir wieder unsere Mitte finden und Frieden“.

Zu den Personen

  • Dr. Lisa Federle: Federle, Jahrgang 1961, lebt in Tübingen. Als Ärztin wurde sie vor allem in der Corona-Zeit durch den sogenannten „Tübinger Weg“ bekannt. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Boris Palmer schreibt sie darüber ihr drittes Buch: „Wir machen das jetzt! Über den Mut, neue Wege zu gehen“ wird am 25. April 2025 erscheinen. In dem Buch setzen Federle und Palmer anhand von Fakten, Fallgeschichten und pragmatischen Ansätzen ein Statement für die Demokratie und gegen den Populismus. Ihr erstes Buch, erschienen 2022, hat den Titel „Auf krummen Wegen geradeaus. Was mich bewegt und antreibt“. Im Mai 2021 initiierte Lisa Federle gemeinsam mit dem Schauspieler Jan Josef Liefers und dem Fernsehmoderator Michael Antwerpes das Projekt „bewegtEuch“. Dieses ermöglichte es Kindern und Jugendlichen, trotz anhaltender Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie wieder Sport auch in größeren Gruppen zu treiben.
  • Bernd Kohlhepp: Kohlhepp, Jahrgang 1962, lebt ebenfalls in Tübingen und ist unter anderem solo mit der Figur des Herrn Hämmerle aus Bempflingen unterwegs. Im Sommer 2021 war er zum Beispiel solo im Open-Air-Programm der Gems zu Gast. Er moderierte aber auch schon hochkarätige Veranstaltungen wie die Verleihung des Badischen Kleinkunstpreis.