Dieser Einsatz war der bisher höchste für Andreas und Florian Mauch sowie Peter Krattenmacher. Sie sind bereits geübt darin, Storchennester zu räumen und neu anzubringen – in schwindelerregenden Höhen. Doch das rund zwei Jahrzehnte alte Nest auf dem Kamin der ehemaligen Schlossbrauerei in Espasingen war eine Herausforderung für das Team der Wahlwieser Firma Mauch.
Die Spitze des Kamins liegt laut Margit Klauza von vT Architektur in etwa 30 Metern Höhe. Die beiden im Innenhof des U-förmigen Gebäudekomplexes platzierten Kran- und Hebebühnenfahrzeuge reichten gerade noch heran. Außerdem war das Nest nicht 400 Kilogramm schwer, wie zunächst angenommen, sondern mit 500 Kilogramm sogar noch schwerer.
Mauch und Krattenmacher beförderten mit Gartenwerkzeugen zunächst das Nistmaterial in einen kleinen Container, der am Kran hing. Schließlich wurde der Container abgelassen, damit der Kran den Rest hinab heben konnte. Das gestaltet sich nicht ganz so einfach, da das Metall-Wagenrad, das die Basis des Nests gebildet hatte, oben mit Draht an den Kamin gesichert war. Letztendlich klappte aber alles.
Störche stehen unter Naturschutz und somit auch ihre Nester. Doch wenn ein Nest an einer bestimmten Stelle nicht bleiben kann, darf es an einen geeigneten Ort in der Nähe umgesetzt werden. So auch in diesem Fall, da der Kamin wieder genutzt werden soll – deshalb und aufgrund der anstehenden Arbeiten musste das Nest umgesiedelt werden. Umsetzen bedeutete hier jedoch nicht den Komplettumzug des vorhandenen Nests, sondern die Verlagerung des Standorts auf ein Nachbargebäude mit einem neuen Nest.
Ein Großteil des Areals und der Flächen dahinter wird in den kommenden Jahren zur Großbaustelle. Der Umbau der alten Schlossbrauerei durch die Immobilenfirma Gnädinger und Mayer läuft bereits und das Gräfliche Haus Bodman hat weitere Bauprojekte. So soll entlang der Stockacher Aach ein neues Baugebiet entstehen.
Neues Nest auf dem Scheunendach
Im Vorfeld hatte die Beteiligten in Absprache mit dem Storchenbeauftragten Christian Mende die Scheune links auf dem Brauerei-Areal ausgesucht. Andreas Mauch und Peter Krattenmacher montierten die von der Eigeltinger Firma Winter vorgefertigten Teile des Dachreiters und neuen Nests auf dem Dachgiebel. Florian Mauch steuerte die Geräte und sorgte mit dem Kran-Arm dafür, dass beide oben die notwendigen Werkzeuge hatten.
Bei der Befestigung des Dachreiters für das Nest kamen 40 Zentimeter lange Schrauben zum Einsatz, um diesen wirklich fest durch die Holzschindeln hindurch mit den Dachbalken zu verankern. Natürlich gehörte auch das Abdichten zu den Aufgaben der Firma, damit kein Wasser ins Dach eindringen kann.
Nester können hunderte Kilogramm wiegen
Die Storchenbeauftragte Astrid Wochner aus Wahlwies, die Christian Mende bei dieser Aktion vertrat, erklärte im Gespräch mit dem SÜDKURIER, das Dach könne ein 400 Kilogramm schweres Nest tragen. So schwer ist der neue Kranz zwar noch lange nicht, doch über Jahre könnte ein solches Gewicht zustande kommen, wie zahlreiche andere Storchennester zeigen. Die Vögel sammeln ständig neues Material und so wird es mit der Zeit immer schwerer. Bei Bedarf könne ein Teil des Gewichts abgeräumt werden, so Wochner. Sie und Christian Mende haben die Nester regelmäßig im Blick.

Nachdem das neue Nest sicher an seinem Standort befestigt war, fuhr Astrid Wochner im Hebebühnen-Korb nach oben, um den Weidenkranz noch an ein paar Stellen mit weißer Farbe zu bestreichen. „Damit es aussieht, als ob schon Störche drin gewesen wären“, erklärte sie. Weiß ist die Kotfarbe von Störchen und eine Signalfarbe für die großen Vögel.
Auch in Stockach gab es so eine Aktion, als das Nest auf dem Kriegerdenkmal ersetzt wurden. Der Unterschied war allerdings, dass es dort an denselben Platz kam, während das Nest in Espasingen circa 50 Meter wanderte. Astrid Wochner zeigte sich zuversichtlich, dass die Störche, von denen mindestens einer in Espasingen überwintert, das neue Nest annehmen werden.

Sind das jetzt etwa Narrenbäumchen auf dem Kamin?
Damit kein neues Nest auf dem geleerten Kamin entsteht, montierten Andreas Mauch und Peter Krattenmacher zwei Konstruktionen an die Spitze, die wie eine Mischung aus einem Narren- und Palmbaum aussehen. Diese Storchenabwehren aus Kunststoff kommen von der EnBW und werden üblicherweise auf Strommasten angebracht, auf denen kein Horst entstehen soll.
Astrid Wochner erzählt, Espasingen sei mit den derzeit drei Nestern möglicherweise auf dem Weg zu einer Kolonie. Wenn ein Ort ein einzelnes Nest habe, sei die Entstehung eines zweiten zunächst schwierig, da Störche Konkurrenz vertreiben. Sobald die kritische Zahl Zwei überwunden sei, könnten problemloser mehr Ansiedlungen entstehen. Neben dem frisch umgesetzten Nest auf dem Brauerei-Areal gibt es noch ein Mast-Nest auf der anderen Seite der Bundesstraße 34 an den Bahnschienen und ein weiteres auf einem Strommast in der Straße Breitene.

Neue Nistkästen für Turmfalken
Zu der Nest-Aktion gehörten übrigens auch zwei Nistkästen für Turmfalken. Eines befindet sich nun an der alten Mühle und ein anderes an der Scheune am gegenüberliegenden Ende des Storchennests. Schon seit ein paar Jahren stehen zudem Schwalbenhäuser auf dem Areal, damit sich die ebenfalls geschützten Tiere dort einsiedeln – sie können nicht an den Dächern der Schlossbrauerei bleiben. Alle Maßnahmen wurden in Absprache mit dem Naturschutz und nach dessen Vorgaben umgesetzt, wie die Beteiligten bereits im Vorfeld immer wieder betont haben.
Am Tag vor dem Nest-Umzug wurden neue große Banner an die Gebäude angebracht, die Visualisierungen der Pläne für den Komplex zeigen. Im Inneren laufen bereits seit Herbst die Entkernung. In Kürze soll es mit Arbeiten an der Fassade losgehen.