Es war der Moment, auf den viele Zuschauer am schmotzigen Dunschtig in der Jahnhalle gespannt gewartet haben, als Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf die Bühne trat, um sich vor dem Narrengericht zu verteidigen. Der Minister, der in vielen Fernsehauftritten eher spröde wirkt und die Rolle der Spaßbremse einnimmt, enttäuschte in seiner Rolle als Beklagter nicht. Er teilte kräftig gegen das Gericht und seine Politikerkollegen aus und erntete mit trockenem rheinischen Humor und viel Selbstironie so manchen Lacher aus dem Publikum.

Dass er überhaupt der Vorladung des Gerichts gefolgt sei, sei alles andere als sicher gewesen, machte Lauterbach gleich zu Beginn klar. „Meine Berater haben mir abgeraten, zum Narrengericht zu kommen. Der Preis sei zu hoch, sagten sie, denn ich würde dadurch einen Talkshow-Auftritt bei Markus Lanz verpassen“, erklärte Lauterbach selbstironisch. Man habe das Problem allerdings dadurch lösen können, dass die Talkshow bereits am Vortag aufgezeichnet wurde.

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Fast hätte er einen Talkshow-Auftritt verpasst

Andere Berater wiederum hätten gesagt, er bräuchte den Weg nach Stockach nicht auf sich nehmen, da es sich beim Narrengericht sowieso nur um eine Provinzposse ohne Reichweite handle. „Allerdings muss man bedenken, dass Annegret Kramp-Karrenbauer heute nur noch für ihren Auftritt in Stockach und den hier vorgetragenen Toilettenwitz bekannt geblieben ist“, so Lauterbach. Auch dieses Argument konnte er also nicht gelten lassen.

Er kommt gern zur Karnevalseröffnung in Stockach

Angst, selbst mit einem Witz vor dem Narrengericht ins Fettnäpfchen zu treten, habe er nicht gehabt. „Ich bin nämlich gegen Fettnäpfchen geimpft. Deshalb bin ich gern hier hergekommen, um am Stockacher Weiberfasnachtsfest aufzutreten und den Karneval hier zu eröffnen“, sagte Lauterbach und versetzte allen Anhängern der schwäbisch-alemannischen Fasnacht damit einen empfindlichen Stich.

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Die FDP muss einstecken

Zu denen, die ihn vor einem Auftritt in Stockach gewarnt haben, habe auch der letztjährige Beklagte Wolfgang Kubicki gehört. „Allerdings aus anderen Gründen. Er sagte mir, es könne hier sehr teuer werden. Die Strafe des Narrengerichts hätte dazu geführt, dass seine persönlichen Sekt- und Austernvorräte so knapp geworden seien, dass er kaum noch arbeiten konnte“, erklärte Lauterbach. Im vergangenen Jahr hatte Kubicki als Beklagter selbst hart gegen den Gesundheitsminister ausgeteilt.

Volksnah gab sich der Minister in Stockach. Im Anschluss an die Narrengerichtssitzung stand er noch für Selfies zur Verfügung.
Volksnah gab sich der Minister in Stockach. Im Anschluss an die Narrengerichtssitzung stand er noch für Selfies zur Verfügung. | Bild: Löffler, Ramona

Doch Wolfgang Kubicki war nicht der einzige FDP-Mann, der an diesem Abend Seitenhiebe von Lauterbach einstecken musste. Denn zum ersten Anklagepunkt, Hochstapelei, betonte er, dass das einzige, was die Ampel-Regierung hochstaple, ungelöste Probleme seien. „Dafür müsste man aber den Oppositionsführer in der Regierung anklagen, nämlich Christian Lindner“, fügte der SPD-Politiker hinzu.

Im Zweifel helfen Erinnerungslücken

Auch sein Parteifreund, Bundeskanzler Olaf Scholz, blieb nicht verschont. Lauterbach führte aus, dass er sich auch nicht immer an alles halte, wozu er als Vorbeugungsmediziner raten müsse. Im Zweifel helfen ihm dabei Erinnerungslücken. „Diese sind ohnehin eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Kabinett Scholz“, betonte er. Dabei bezog er sich auf eine Begebenheit im Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal, bei der Olaf Scholz aussagen musste und beteuerte, sich an bestimmte Dinge nicht mehr erinnern zu können.

Als Nächstes war die Vorgängerregierung an der Reihe. Schon Albert Einstein habe sinngemäß gesagt: „Ein Idiot ist der, der nichts ändert und sich am Ende fragt, wieso nichts besser wird.“ Und genau das sei zusammengefasst das Motto von 16 Jahren Regierung Merkel gewesen, so Lauterbach.

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Minister schießt gegen das Narrengericht

Die drei Anklagepunkte des Gerichts (Hochstapelei und Täuschung, politischer Alarmismus und Panikmache sowie Narzissmus und Mediengeilheit) hielt Lauterbach für völlig substanzlos. „Aber was kann man von einem Gericht erwarten, das Harvard für eine Rebsorte hält, und von einem Kläger, dessen einzige Fachliteratur das Weinmagazin ‚Der Weinkenner‘ ist?“, fragte Lauterbach.

Wenn der Kläger aufgrund der vielen Fernsehauftritte Lauterbachs morgens beim Rasieren schon Angst gehabt habe, beim Blick in den Spiegel auch noch Lauterbachs Gesicht zu sehen, dann könne er ihm nur empfehlen, das Rasierwasser künftig nur noch zur äußeren Anwendung einzusetzen, nicht zur inneren, so der Minister.

Ordnungsstrafe wird zurückgenommen

Für die Anrede mit „Niederes Gericht“ erteilte Narrenrichter Jürgen Koterzyna postwendend eine Ordnungsstrafe. Die nahm er später aber wieder zurück, mit dem Verweis, dass Lauterbach am nächsten Tag wieder als Minister in der Ampel-Regierung arbeiten müsse und das Strafe genug sei.

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Aber apropos Arbeit in der Regierung: „Wir hatten heute Morgen eine Sitzung zum Thema Krankenhausreform. Dabei wurde über Inhalte, nicht über Klamauk gesprochen. Es gab keinen Alkohol zu trinken und Frauen durften mitreden. Das sind alles Dinge, die sich dieses Gericht gar nicht vorstellen kann“, erklärte Lauterbach und erntete dafür einmal mehr Lacher und Applaus vom Publikum.

Einige Besucher der Gerichtsverhandlung betonten im Nachgang, dass sie positiv überrascht worden seien, wie humorvoll Lauterbach vor dem Narrengericht aufgetreten sei. Viel Lob gab es auch für den Auftritt von Wolfgang Reuther, der zum letzten Mal in der Rolle des Klägers zu sehen war.