Im vergangenen Jahr feierten die Alt-Stockacherinnen und die Hänsele ihren 90. Geburtstag. Jetzt freuen sich die Marketenderinnen, denn sie werden 50 Jahre alt. Diesen Anlass feiern sie mit 400 geladenen Gästen am Samstag, 15. Februar in der Jahnhalle. Manuela Elsner und Jeanette Schindler erzählen, wie die Fasnachtsfigur entstand und welche Aufgaben die Frauen dieser farbenfrohen Gliederung heute haben.

Aus der Chronik geht hervor, dass es Anfang der 1960er Jahre im Kollegium des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts Überlegungen gab, zusätzlich zur bereits seit 1934 bestehenden Alt-Stockacherin eine zweite weibliche Fasnachtsfigur zu schaffen.

Denn zum einen gefiel nicht allen jungen Mädchen und Frauen die vorderösterreichische Bürgerinnentracht mit der großen Radhaube, die die Alt-Stockacherinnen tragen. Zum anderen sollte die bestehende Gruppe nicht zu groß werden.

Was Marktenderinnen mit Soldaten zu tun haben

Nachdem das Narrengericht mit seinem Privileg auf den Kriegszug gegen die Schweizer, die sogenannte „Schlacht am Morgarten“ im November des Jahres 1315 zurückgeht, bot sich die Figur der Marketenderin an. Sie war eine Händlerin, die militärische Truppen begleitete und die Soldaten mit Waren des täglichen persönlichen Bedarfs versorgte.

Schon während der Kriegs- und Beutezüge des Mittelalters bis in die frühe Neuzeit gehörte sie praktisch zur Truppe. Wenn die Marketenderinnen heute im Getümmel des Narrenbaumsetzens auftreten, erinnern sie an ihre Namensgeberinnen aus dem Mittelalter.

Woher kommt das Häs der Gliederung?

Der damalige Narrenrichter Walter Schneider, seine Frau Lilo und Willi Kutter, Kulturreferent der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte und Leiter der Aufnahmekommission, wirkten beim Entwerfen des Häses mit. Es besteht aus einem farbenfrohen Rock, einer weißen Strumpfhose, schwarzen Schuhen, einer weißen Bluse, einer blauen Weste.

Acht der zehn Gründungsmitglieder der Marketenderinnen waren (von links) Waltraud Appenzeller, Iris Engelmann, Margret Rauch, Ursel ...
Acht der zehn Gründungsmitglieder der Marketenderinnen waren (von links) Waltraud Appenzeller, Iris Engelmann, Margret Rauch, Ursel Auer, Regina Reiser, Margret Mattes, Gabi Baumli und Angelika Wirtz. Nanni Gelle und Sonja Mattes fehlen hier | Bild: Archiv Marketenderinnen

Zudem gehört dazu eine schwarze Jacke, weiße Handschuhe und ein breitkrempiger schwarzer Filzhut mit großen Straußenfedern in Rot und Weiß, die auf die jahrhundertelange Zugehörigkeit Stockachs zu Vorderösterreich hinweist.

Bei der Vorstellung 1975 trugen die Frauen noch Strohhüte, weil man sich zuvor keine Gedanken über die Kopfbedeckung gemacht hatte. Ein Jahr später hatten sie dann ihre Filzhüte.

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Drei Gründungsmitglieder sind noch aktiv

Eine weitere Besonderheit gibt es noch: Von den ursprünglich zehn Gründungsmitgliedern sind heute noch drei aktiv und nur sie tragen den obersten Rockvolant in Gelb, alle anderen in Rot. Ihren ersten Auftritt im neuen Häs hatten Iris Engelmann als erste Obermarketenderin, Waltraud Appenzeller, Margret Mattes, Sonja Mattes, Angelika Wirtz, Nanni Gelle, Ursel Auer, Margret Rauch, Regina Reiser und Gabi Baumli beim Narrentreffen in Bad Dürrheim.

Die anderen Gliederungsführer Lars Wegmann, Dominik Mutzel, Michael Hahn und Lea Ossola (von links) gratulieren den Marketenderinnen ...
Die anderen Gliederungsführer Lars Wegmann, Dominik Mutzel, Michael Hahn und Lea Ossola (von links) gratulieren den Marketenderinnen herzlich zum 50. Geburtstag. | Bild: Claudia Ladwig

Grußworte der anderen Gliederungsführer

Der Karren, der erstmals 1976 beim Umzug anlässlich der 625-Jahr-Feier des Narrengerichts zum Einsatz kam, ist bei allen Umzügen mit Narrenbaum dabei und zur Verpflegung der Zimmerergilde gut gefüllt. Wenn die Zimmerer beim Narrenbaumsetzen streiken, werden sie mit Bier und Fleischkäswecken versorgt.

Auch in ihren Körben haben die Marketenderinnen süße und geistreiche Köstlichkeiten. Für Kinder gibt es Bonbons und Schokolade, für Erwachsene Schnaps oder Likör. „Wenn eine Marketenderin volljährig ist, muss sie diese Getränke dabeihaben. Jede kauft selbst ein. Gelegentlich gibt es auch einen Korbzuschuss“, sagt Manuela Elsner. Ihre Kollegin verrät: „Du hast schon deine Leute, die wissen, was du im Korb hast. Ich habe immer Williams einer bestimmten Sorte dabei.“

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Diese Aufgaben haben die Marketenderinnen

Zu den Marketenderinnen gehören heute 13 Jugendliche bis 17 Jahre und 25 Kinder unter elf Jahren. Unter Ursel Kempter wurde vor 25 Jahren für die ab 13-Jährigen eine separate Jugendgruppe unter dem Namen Jung-Marketenderinnen mit eigenem Jugendvorstand gegründet.

Seit 30 Jahren gibt es einen Karren in kleinerer Ausführung, um den sich die Jugend zusammen mit den Kindern kümmert. Sie versorgen daraus beim Kindernarrenbaumsetzen die Jungzimmerer. So werden Tradition und Brauchtum schon an die Jüngsten weitergegeben und gepflegt.

Die Marketenderinnen wirken auch an den bunten Abenden mit. Dazu sagt Jeanette Schindler: „Wir können zwar auch Sketch, aber Tänze standen bei uns immer im Vordergrund.“ Am Fasnetmäntig bewirten sie den Kinderball und veranstalten nach dem Hemedglonkerverbrennen den Hemedglonkerball im Bürgerhaus. Auch am Schnurrsamstag sind sie aktiv.

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Manuela Elsner erzählt: „Früher waren wir als geschlossene Marketenderinnengruppe unterwegs, jetzt aufgrund der Größe in mehreren Einzelgruppen.“ Außerdem falten die Marketenderinnen seit jeher das Narrenblättle. Ein Ereignis ist den Frauen in besonderer Erinnerung: die „Rote Meile“ am großen Narrentreffen 2001. Im Bürgerhaus hatten sie eine Besenwirtschaft im Stil einer Bar eröffnet. „Das war damals ein großer Aufreger“, so Manuela Elsner lachend.

Sie sind auch außerhalb der Fasnacht aktiv

Die Frauen treffen sich auch außerhalb der närrischen Saison – zu einem Ausflug, der Weihnachtsfeier und einem Sommerfest für die ganze Familie. Die Marketenderinnen sind also ein Ganzjahresverein. „Wer bei uns mitmachen möchte, muss schon Lust haben, immer wieder was gemeinsam zu machen“, betont Jeanette Schindler.

Ihre Tochter Leonie, 18, erzählt, was ihr an der Gliederung besonders gefällt: „Man hat zusammen Spaß. Es ist wie ein kleines Licht in der grauen Jahreszeit. Wir sind eine lustige Gruppe, die nach der Corona-Pause wieder richtig zusammenwächst.“