Stockach könnte schon bald zu einer Pilgerstätte werden. Allerdings nicht aufgrund von unerklärlichen Heilungen oder religiösen Erscheinungen, sondern vielmehr wegen wundersamen politischen Karrieren. Immer wieder kommt es vor, dass Politiker, die sich vor dem Stockacher Narrengericht gegen schwere Vorwürfe wehren müssen, danach so richtig Karriere machen, anstatt für ihre Verfehlungen in die politische Versenkung zu verschwinden.
Viele machten einen Karrieresprung
Wie eine nicht repräsentative Auswertung des SÜDKURIER ergeben hat, gibt es dafür in der Geschichte einige Beispiele für Politiker, die sich nach ihrer Verurteilung in Stockach über einen Karrieresprung freuen konnten. Da wäre zum Beispiel Kurt Georg Kiesinger. Der CDU-Politiker war im Jahr 1965 in seiner Funktion als Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg vor das Narrengericht zitiert worden. Nur wenige Monate später fand er sich als dritter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland im Bonner Amtssitz des Regierungschefs wieder.
Mit Angela Merkel gibt es gleich eine zweite Beklagte, die später den Sprung in das Kanzleramt geschafft hat. Nicht zu vergessen, unser Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier, der 2011 vor dem Narrengericht stand oder Roman Herzog, der ebenfalls nach seiner Verurteilung in Stockach noch den Sprung in das höchste Amt des Staates schaffte.
Drei Bundeskanzler mit Vorstrafen
Die jüngste Bundestagswahl hat gleich zwei ehemalige Beklagte in politische Höhen befördert. So wird der Beklagte von 2004 und Stockacher Laufnarr, Friedrich Merz, aller Voraussicht nach der nächste Bundeskanzler. Zugegeben, bei ihm hat es mehr als 20 Jahre gedauert, bis die Narrengerichts-Karriere-Magie ihre Wirkung gezeigt hat, aber Merz wird sich sicher denken „besser spät als nie“.
Sofort-Effekt bei Julia Klöckner
Deutlich schneller ging es bei der diesjährigen Beklagten Julia Klöckner. Kaum in Stockach verurteilt, schon soll sie Bundestagspräsidentin werden. Immerhin: protokollarisch gesehen das zweithöchste Amt im Staat und das, obwohl Klöckner schon als Landwirtschaftsministerin nicht unumstritten war. Das zeigt deutlich: Das Narrengericht muss wirklich ein politisches Karrieresprungbrett sein und bald schon dürften aus Berliner Kreisen die ersten Selbstanzeigen für eine Verurteilung beim Narrenrichter eingehen.