Wo sich der Mensch zurückzieht, erobert die Natur ihren Raum zurück. Das zeigt sich an vielen verlassenen Orten. Auch an der Stockacher Nellenburg. Damit die letzten Reste der Ruine aber nicht komplett verschwinden, kümmert sich eine Gruppe Freiwilliger unter der Federführung des Umweltzentrums regelmäßig um einen Rückschnitt der Gebüsche an den Mauerresten.

Zumindest ist das seit gut zehn Jahren der Normalfall. Umso verwunderlicher war für die freiwilligen Helfer in diesem Jahr, dass ihnen die Genehmigung zum Rückschnitt der Gehölze verwehrt wurde. Wie aus einem E-Mail-Verkehr, der dem SÜDKURIER vorliegt, hervorgeht, hatte die Gruppe bereits für Ende Februar die Genehmigung zum Rückschnitt erbeten.

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Die Burg ist Privatbesitz

Besitzer des Areals ist die gräfliche Familie Douglas. Die Gräfliche Forstverwaltung gab Ende Februar keine Genehmigung zum Zurückschnitt der Gehölze mit der Begründung, dass „die Eigentümer sich die Burgruine vorab anschauen und sich selber einen Eindruck über die Notwendigkeit der Maßnahme machen“ wollen.

An den Mauerresten der Ruine Nellenburg wächst Gestrüpp. Freischneideaktionen sollen verhindern, dass das Wurzelwerk die letzten Mauern ...
An den Mauerresten der Ruine Nellenburg wächst Gestrüpp. Freischneideaktionen sollen verhindern, dass das Wurzelwerk die letzten Mauern zerstört. | Bild: Dominique Hahn

So steht es im besagten Mailverkehr. Die Ehrenamtlichen machten sich daraufhin große Sorgen, dass die Ruine zu stark zuwuchert, denn ein Rückschnitt ist aus Naturschutzrechtlichen Gründen zwischen dem 1. März und dem 30. September nicht erlaubt.

Vorwurf der Verzögerungstaktik

Aus Sicht der Freiwilligen geht damit wertvolle Zeit verloren und der Vorwurf wurde laut, dass die Aktion bewusst verhindert werden solle, damit die Nellenburg als Ausflugsziel unattraktiv wird. Schließlich weisen auf dem Gelände ohnehin schon viele Schilder darauf hin, dass sich Spaziergänger auf Privatgelände befinden.

Doch was sagt die Familie Douglas zu den Vorwürfen? Der SÜDKURIER hat beim Gräflichen Haus mit Sitz in Wien nachgefragt. Die Antwort kam von Helga Douglas: „Wir haben natürlich nichts gegen die Aktionen der freiwilligen des Umweltzentrums. Im Gegenteil. Wir sind sehr dankbar für das Engagement“, betont Helga Gräfin Douglas, deren Söhne Christopher und Benedikt die Eigentümer des Areals sind.

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Schranke und Schilder nur zum Schutz

Die Tatsache, dass an der Einfahrt zum Areal eine Schranke aufgestellt wurde und so viele Schilder auf den Privatbesitz hinweisen, sei in erster Linie eine Reaktion, denn in der Vergangenheit habe man regelmäßig große Mengen an Müll aufräumen müssen.

„Wir haben Untergestelle von Kinderwagen gefunden. Sowas trägt niemand zu Fuß da hoch“, sagt Helga Douglas. Daneben hätten illegale Partys mit Lagerfeuern bei Waldbrandgefahr die historische Scheune und das Wohnhaus der Familie auf dem Gelände bedroht, berichtet sie.

Eine Schranke ist an der Zufahrt zum Gelände der Familie Douglas angebracht. Beim unangekündigten Besuch des SÜDKURIER stand sie offen.
Eine Schranke ist an der Zufahrt zum Gelände der Familie Douglas angebracht. Beim unangekündigten Besuch des SÜDKURIER stand sie offen. | Bild: Dominique Hahn

All diese Maßnahmen seien im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung Stockach getroffen worden. Dennoch hätte es viele Anfeindungen von Passanten gegeben. „Das ging bis hin zu Morddrohungen gegen unsere Familie“, berichtet die Gräfin.

Familie will sich beim Rückschnitt einbringen

Die Absage an die Freiwilligen sei im Zuge eines Missverständnisses in der Kommunikation zwischen Gräflicher Forstverwaltung und Familie entstanden, da es im gleichen Zeitraum noch von anderer Seite eine Anfrage gab, die sich auf die Fällung von Bäumen auf dem gräflichen Areal bezog.

Im Gespräch mit dem SÜDKUREIR verspricht Helga Douglas jedoch, dass die Helfer im Herbst wieder zur Tat schreiten dürfen, wenn das Zurückschneiden der Gehölze wieder erlaubt ist. Gerne möchte die Familie auch bei einer solchen Aktion dabei sein. „Wir wollen ein gutes Miteinander, aber dafür müssen wir auch einen guten Weg finden“, betont Gräfin Douglas.

Mauerreste auf dem Gelände der Stockacher Nellenburg.
Mauerreste auf dem Gelände der Stockacher Nellenburg. | Bild: Dominique Hahn

„Wir sitzen zwar in Wien, betrachten die Nellenburg aber auch als Juwel und würden gerne öfter da sein. Stockach liegt uns nämlich am Herzen“, sagt die Gräfin. Zu bestimmten Zeiten im Jahr ist die Familie vor Ort und lebt auf dem Grundstück an der Nellenburg. „An Ostern wollen wir wieder da sein, auch im Sommer werden wir längere Zeit dort verbringen und im Herbst sind wir auch wieder in Stockach“, so Gräfin Douglas.

Das sagt die Stadtverwaltung

Bürgermeister Rainer Stolz stellt sich hinter die gräfliche Familie. „Es ist das Recht des Eigentümers einen Antrag zu prüfen und zu bescheiden“, sagt er mit Blick auf die abgelehnte Freischneideaktion im Februar. Auch er verweist darauf, dass die Familie auch ihm gegenüber einen Rückschnitt im kommenden Herbst bereits zugesagt hat.

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Insgesamt sei es für die Eigentümerin der Straße zur Nellenburg und der betreffenden Flächen unzumutbar, die in unschöner Regelmäßigkeit anzutreffenden Hinterlassenschaften von „Festgästen“ auf ihrem Gelände ständig beseitigen zu müssen und die Verkehrssicherungspflicht beispielsweise für Scherben mit zu übernehmen, macht Stolz deutlich.

Deshalb habe das gräfliche Haus beantragt, die unbeschränkte Zufahrt zum Anwesen zu unterbinden. „Es besteht aber, für Wanderer, welche unbedingt mit dem Auto zum Wandern auf die Nellenburg oder zu den Wanderwegen wollen, die Möglichkeit, zu parkieren. Das gräfliche Haus hat für die Besucher der Ruine Nellenburg einen begehbaren Fußweg auf ihrem Gelände eingerichtet, der den Zugang ermöglicht“, so Stolz.

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