Eingeschüchtert, ja, verängstigt liegt Emu Romeo von der Straußenfarm Hegau-Bodensee auf dem Boden eines gelben Bauwagens. Blut klebt verkrustet auf seinem Fleisch, es ist fast schwarz. Federn liegen um ihn herum – Spuren eines Kampfes. Die Emu-Henne Julia hat ihn verletzt, hat ihm die Seite mit einem Tritt aufgerissen. Jetzt liegt er vor zwei Näpfen, die eine gefüllt mit Wasser, die andere mit Getreide und Obst.

Der Tierarzt habe Romeo genäht, berichtet Ingrid Frick. Sie leitet die Straußenfarm Hegau-Bodensee in Stockach-Airach. „Seit dem Angriff isst und trinkt er nichts mehr“, erzählt sie weiter. Ob er Julias Attacke überlebt, sei derzeit fraglich.

Der Emu Romeo ist von der Emu-Henne Julia schwer verletzt worden. Ob er den Angriff überleben wird, ist derzeit noch unklar.
Der Emu Romeo ist von der Emu-Henne Julia schwer verletzt worden. Ob er den Angriff überleben wird, ist derzeit noch unklar. | Bild: Rasmus Peters

Strauße sind im Frühjahr aggressiv

Dass Romeo und Julia überhaupt so viel Zeit im Stall verbringen, liegt an der Stallpflicht für Geflügel, die wegen der Vogelgrippe im Landkreis verhängt wurde. Das sei problematisch, insbesondere zu dieser Jahreszeit, so Frick. Nicht nur haben Laufvögel wie Strauße und Emus einen erhöhten Bewegungsdrang, im Frühjahr werden bei den Straußen die Hähne aggressiv, sie wollen die Weibchen decken und den Nachwuchs beschützen, erklärt Frick.

Bei den Emus wiederum sei es umgekehrt: Die Henne werde zur Paarungszeit aggressiv und verteidige ihr Revier, so sei es auch zu dem Zwischenfall von Romeo und Julia gekommen. Nun leben sie getrennt.

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Schnittwunden sind an der Tagesordnung

Seit der Stallpflicht gebe es wegen der aggressiven Grundstimmung auch viele Verletzungen im Straußen-Gehege. „Schnittwunden sind an der Tagesordnung“, sagt Frick. In dieser aufgeheizten Stimmung werde die Reinigung und Pflege der Ställe selbst für sie gefährlich und die Fütterung der Strauße schon mal abenteuerlich, führt Ingrid Frick aus.

Sie erzählt, wie sie in die Schaufel eines Hofladers gestiegen sei, ein kleinerer Bagger mit breiter Schaufel und geschütztem Führerhäuschen. Von dort aus habe sie in der Schaufel balancierend mit einer Mistgabel das Stroh und das Futter zwischen den Vögeln verteilt.

Ingrid Frick auf ihrer Straußenfarm in Stockach-Airach.
Ingrid Frick auf ihrer Straußenfarm in Stockach-Airach. | Bild: Rasmus Peters

Ställe mit Vordach und Netz ausgestattet

Rund 150 Tiere versorgt sie mit ihrem Mann und ein paar Mitarbeitern. Derzeit leben die Strauße aufgeteilt auf 13 Ställe. Zwischen zehn und 20 Vögel sind je Stall untergebracht. Normalerweise steht ihnen ein großes Areal mit Wiese zur Verfügung. Wegen der Vogelgrippe wurde ihr Auslauf drastisch eingeschränkt.

Rund 100 Quadratmeter verbleiben zumindest den Jungtieren, 50 Quadratmeter den restlichen. Je die Hälfte davon ist der Stall selbst. Die andere Hälfte ein überdachter Bereich, vollständig mit einem feinmaschigen Netz verhangen. Der Schutz von allen Seiten sei notwendig, damit keine Vögel den Straußen das Futter wegessen oder ins Gehege koten. Damit werden potenzielle Erreger ferngehalten, so die Straußenfarm-Betreiberin. Fünf der Ställe haben bisher einen solchen Vorbau. Bei den übrigen wurden Bretter so am Ausgang angebracht, sodass zumindest Licht ins Innere fällt.

Die Strauße dürfen derzeit nicht frei laufen.
Die Strauße dürfen derzeit nicht frei laufen. | Bild: Rasmus Peters

Einnahmen bleiben aus

Die Stallpflicht der Tiere soll verhindern, dass Geflügel wie die Strauße in Kontakt mit erkrankten Wildtieren und Ausscheidungen kommen, erläutert Cornelia Pfleghar, Leiterin des Veterinäramtes die Gesetzeslage. „Auch gilt es, die Futterplätze zu schützen, an denen es zum Austausch des Virus kommen könnte. Volieren sind daher ein guter Kompromiss“, bestätigt Pfleghar. Bei Vogelgrippefällen 2019 beantragte Ingrid Frick noch eine Ausnahmegenehmigung für ihre Strauße. Dieses Jahr stellte sie den Antrag aus Rücksicht auf andere Geflügelhalter zurück.

Die vergangenen Jahre konnten die Strauße wegen Corona nicht besucht werden, jetzt wegen der Vogelgrippe. Für die Straußenfarm ist das Ergebnis dasselbe: Einnahmen bleiben aus. Im März sei das noch nicht so schwerwiegend. „Ostern ist für uns Hauptgeschäftszeit“, so Frick. An den Feiertagen würden mehr Führungen angeboten als sonst.

Bisher gilt die Stallpflicht bis Ende März. Ob es dabei bleibt, entscheide sich in der letzten Märzwoche, so Cornelia Pfleghar. Unter den derzeitigen Bedingungen sei es jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Stallpflicht verlängert werden müsse. Aktuell habe man im Landkreis 17 Tiere zur weiteren Untersuchung ins Labor geschickt und an 10 Vögeln das Vogelgrippevirus H5N1 festgestellt.

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Geflügelwirtschaftsverband begrüßt die Maßnahmen

„Die Maßnahme begrüßen wir als Geflügelwirtschaftsverband ausdrücklich“, sagt Georg Heitlinger. Er ist Vorsitzender des Verbandes in Baden-Württemberg. Dass die Stallpflicht nur landkreisweit gilt, hätte Heitlinger gerne anders: „Den Wildvögeln ist eine solche Grenze egal.“ Das Virus komme mit den Zugvögeln und dieses Jahr sei es sehr aggressiv. Sogar auf Schweine sei es übertragen worden. „Diese Barriere schafft die Vogelgrippe normalerweise nicht“, so Heitlinger. Weiter gibt er an, wegen der Stallpflicht seien nicht nur die Strauße insgesamt aggressiver und nervöser. Sein Geflügel-Betrieb etwa habe deshalb Beschäftigungsmaterial wie Picksteine verdoppeln müssen.

Derzeit sind die Parkplätze der Straußenfarm leer. Führungen bleiben aufgrund der Stallpflicht der Vögel aus. Dadurch fehlen Einnahmen.
Derzeit sind die Parkplätze der Straußenfarm leer. Führungen bleiben aufgrund der Stallpflicht der Vögel aus. Dadurch fehlen Einnahmen. | Bild: Rasmus Peters

Eierregale könnten über Ostern leer bleiben

Problematisch sei das Vogelgrippe-Virus, weil es in Europa keine zugelassene Impfung dafür gebe, erläutert der Geflügelverbandsvorsitzende. Zugvögel und Großgeflügel betreffe das Virus kaum, die übertragen es nur. Legehennen betreffe es wiederum umso mehr: Jeden Tag könnten laut Heitlinger etwa 20 Prozent einer Herde umkommen.

„Um Ostern gehen wir davon aus, dass mehrere Eier-Regale leer bleiben, weil europaweit bereits etwa 50 Millionen Stück Geflügel gekeult, also getötet, wurden“, erläutert Heitlinger. Vielleicht helfen dann Straußeneier, denn Ingrid Frick zufolge legen die großen Vögel noch so viele Eier wie zuvor. Da große Vögel wie Strauße weitgehend resistent gegenüber der Krankheit sind, können die Eier normal verkauft werden.