Nachdem Bundes- und Landesregierung die Rahmenbedingungen für den Bau von Windkraftanlagen geändert haben, ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass in Kürze auf der Gemarkung Leibertingen Windkraftprojekte realisiert werden. Aus diesem Anlass hatte die Gemeinde zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Bürgermeister Stephan Frickinger fühlt sich von Bund und Land im Stich gelassen, wie er während der Veranstaltung mehrfach betonte. „Im Bereich Wind spielt die kommunale Planungshoheit praktisch keine Rolle mehr“, stellte Frickinger vor zahlreich im Bürgersaal Kreenheinstetten erschienenen Zuhörerinnen und Zuhörern am Dienstagabend fest.
Weitere Vorrangflächen zu erwarten
Bundes- und Landesregierung haben erst vor kurzem die Voraussetzungen geschaffen, dass Windkraftprojekte beschleunigt umgesetzt werden können. Das Land etwa gibt vor, dass 1,8 Prozent der Fläche für den Ausbau von Windenergie und 0,2 Prozent für Freiflächensolaranlagen ausgewiesen werden müssen. Bis Januar 2024 müssen die Regionalverbände, so auch der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, jeweils ihren „Teilregionalplan Energie“ aufstellen und in die öffentliche Anhörung gehen. Ende 2025 soll das gesamte Verfahren abgeschlossen sein. Für die Gemeinde Leibertingen bedeutet dies, dass zu den bereits in der Gemeinde ausgewiesenen Vorrangflächen für Windenergie weitere Flächen hinzukommen könnten.
Genehmigungsverfahren beschleunigt
Außerdem wurde vom Bund das Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen beschleunigt und in der Weise vereinfacht, dass unter bestimmten Voraussetzungen langwierige umwelt- und artenschutzrechtliche Prüfungen entfallen können. Damit setzt die Bundesregierung die sogenannte EU-Notfallverordnung vom Dezember 2022 in nationales Recht um.

Unklar ist laut Frickinger noch, welche Flächen in der Gemeinde Leibertingen tatsächlich im Regionalplan für Windkraft ausgewiesen werden. Denn noch sind offenbar nicht alle Kriterien berücksichtigt. Große Hoffnungen allerdings, dass die Belange der Gemeinde Leibertingen während der Anhörungen zum Regionalplanverfahren berücksichtigt werden, machte der Bürgermeister den Anwesenden beim Informationsabend nicht.
Windräder bei Rohrdorf und Langenhart?
Der Bürgermeister rechnet außerdem damit, dass auf Leibertinger Gemarkung sehr bald Windkraftprojekte realisiert werden. Denn der Flächennutzungsplan der Verwaltungsgemeinschaft für Meßkirch, Leibertingen und Sauldorf weist seit 2014 Flächen vorrangig für Windkraft aus. Dazu gehören auch die auf Leibertinger und Meßkircher Gemarkung liegenden Flächen bei Rohrdorf und Langenhart, die bereits mehrfach für Windkraftprojekte im Gespräch waren. Genau auf diesen Flächen könnten laut dem Leibertinger Bürgermeister in vergleichsweise kurzer Zeit Windräder aufgestellt werden. Möglich macht dies das bereits erwähnte Bundesgesetz, das in diesem Fall keine erneute umwelt- und artenschutzrechtlichen Prüfungen verlangt. „Es würde mich überraschen, wenn der Windkraftausbau dort nicht stattfindet“, sagte Frickinger.
Aufruf zu zivilem Ungehorsam
Der Unmut, dass sie von der Politik vor vollendete Tatsachen gestellt werden, war während der anschließenden Fragestunde bei den anwesenden Bürgerinnen und Bürger deutlich zu spüren. Gar zum zivilen Widerstand wurde aufgerufen, ähnlich wie Klimaaktivisten ein mögliches Bauprojekt zu sabotieren. Auch die sich äußernden Leibertinger Gemeinderäte – augenscheinlich war das gesamte Gremium samt Ortsvorsteher anwesend – sprachen sich gegen mögliche Windkraft-Vorhaben aus. Gemeinderat Guido Amann meinte, dass die Gemeinde doch ihre Pflicht getan habe, wenn sich „drei oder vier Windräder“ auf den aktuellen Vorrangflächen drehen würden. Den Ausbau auf weiteren Flächen lehnte er dagegen ab. Der ländliche Raum trägt die Energiewende und erhält dafür keinen Ausgleich, war der Tenor im Saal. „Wir übernehmen die Stromerzeugung und erhalten dafür keine Kompensation“, fasste Gemeinderat Markus Bugge diese Ansicht zusammen.

Auch wenn Windkraftprojekte in Leibertingen offenbar nicht mehr zu verhindern sind, wollen Bürgermeister und Gemeinderat zumindest „maximal“ Einfluss auf das kommende Geschehen nehmen. Dafür holte sich Frickinger per Abstimmung Rückhalt von den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern. Am Ende klang durch, dass der Bürgermeister offenbar bereits einen Plan hat, wie zukünftige Windkraftprojekt zumindest nach Vorstellung der Gemeinde umzusetzen sein könnten. „Wenn Windräder auf kommunaler Fläche gestellt werden, sind wir in einer vertraglichen Situation mit dem Projektierer und können Bedingungen stellen“, deutete der Bürgermeister seine Idee an. Zu Details wollte sich der Bürgermeister auf Nachfrage des SÜDKURIER aber nicht äußern. Die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Leibertingen dürfen gespannt sein, ob Bürgermeister Stephan Frickinger bereits während der Gemeinderatssitzung am kommenden Dienstag einen Vorschlag präsentiert. Das Thema Windkraft steht in jedem Fall auf der Tagesordnung der Sitzung.
Pro und Contra Windkraft
- Die Befürworter von Windkraftanlagen argumentieren, dass Windenergie nachhaltig ist und eine saubere Energiequelle darstellt. Windkraftanlagen verursachten keine schädlichen Emissionen wie Smog oder Treibhausgase und belasteten die Luft nicht wie etwa Kraftwerke, die auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl oder Erdgas angewiesen sind. Der Bau von Windkraftanlagen schaffe Arbeitsplätze und sichere Gemeinden ein dauerhaftes Einkommen, heißt es zur Begründung.
- Die Gegner argumentieren hingegen, dass Windkraftanlagen das Landschaftsbild und den Tourismus beeinträchtigen können. Auch wird oft argumentiert, dass Windkraftanlagen Vögel gefährden. Windkraftgegner führen auch häufig gesundheitliche Argumente an. In diesem Zusammenhang werden visuelle Effekte (zum Beispiel Schattenwurf oder Stroboskopeffekte) und Lärmbelästigungseffekte als Gefährdung für die menschliche Gesundheit genannt.