Der Corona-Krise geschuldet, tagte der Meßkircher Gemeinderat am Dienstag in der Stadthalle mit großem Abstand zwischen den Teilnehmern. Zwischen den Mandatsträgern sorgte je eine Zwei-Meter-Lücke für den nötigen Sicherheitskorridor.

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Erinnerungen an Starkregen im Jahr 2015

Hauptthema auf der Tagesordnung war jedoch nicht die Pandemie, sondern ein Wetterereignis: Starkregen. Davon war Meßkirch im Sommer 2015 betroffen. Ein 50-minütiger Starkregen über Rohrdorf und Heudorf sorgte in der Meßkircher Innenstadt bei der Stadthalle und vor einem benachbarten Supermarkt für einen bis zu einen Meter hohen Wasserstand. Um solche Überschwemmungen in Zukunft zu verhindern oder wenigstens ihre Auswirkungen zu minimieren, hat die Stadtverwaltung ein Neuhausener Ingenieurbüro mit der Ausarbeitung eines Starkregenkonzepts als Handlungsleitlinie für Stadt und Privatleute beauftragt.

Wer hat Schuld am Hochwasser? Regen oder Bachwasser?

Am Dienstag erstattete Immo Gerber vom itr-Büro vor dem Gemeinderat einen Zwischenbericht. In der Diskussion trat ein deutlicher Einschätzungsunterschied zwischen dem Experten und Gemeinderatsmitglied Johannes Hopp über die Rolle des Theuerbachs bei der Überschwemmung von 2015 zutage. Während Gerber die Schuld für die Ein-Meter-Flut in der Hauptsache dem von den Ufern in den Bach fließenden Regenwasser gab, meinte Hopp, das Bachwasser trage die Hauptschuld. Gleichzeitig verwahrte sich der Landwirt dagegen, dass sein Berufsstand allein in die Pflicht genommen werden solle.

Starkregen als seltenes aber heftiges Ereignis

Ein solcher Starkregen wie 2015 kommt statistisch gesehen nur alle 100 Jahre vor. Doch weder Regen noch Wetter oder Klima halten sich an die Vorgaben staatlicher Behörden. Der Ingenieur machte das so deutlich: „128 Milliliter pro Quadratmeter und Stunde gelten als extrem.“ Damals waren es nach dem Regenradar punktuell 146 Milliliter und mehr. „Solche Wettererscheinungen sind selten und verschwinden nach einiger Zeit wieder aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit.“ Haftungsrechtlich sei die Kommune aus dem Schneider. Gerber: „Jeder durch so ein Hochwasser geschädigte Immobilienbesitzer muss die Schadensregulierung mit seiner Versicherung ausmachen.“

140.000 Euro für Starkregen-Management

Mit dieser Feststellung will sich die Stadt nicht abfinden und investiert deshalb 140 000 Euro in das Starkregen-Management. Davon bezahlt die Landesregierung über einen Zuschuss 70 Prozent. Jeder Grundstücks- und Hausbesitzer kann sich in Zukunft anhand der jetzt ausgearbeiteten Karten darüber informieren, ob sein Besitz bei einem Starkregenereignis gefährdet ist. Ob er danach Schutzmaßnahmen ergreift, ist, wie in der Sitzung erläutert, seine eigene Entscheidung.

Für wen die Karten nützlich sein sollen

Es dreht sich jedoch nicht nur um die Immobilienbesitzer. Die Stadtverwaltung erhält ein zuverlässiges Instrument, um ihre Bauleitplanung danach auszurichten. Im Rahmen des Starkregen-Managements sind auch Empfehlungen für bauliche Maßnahmen enthalten. Ebenso wie der private Grundstücksbesitzer können Gemeinderat und Stadtverwaltung entscheiden, ob sie diesen Ratschlägen folgen wollen oder nicht. Die dritte Nutznießergruppe sind Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und die Rettungskräfte. Gerber: „Sie können nach einem Wassersturz die Einsätze besser vorbereiten und die Einsatzpunkte sachgerechter priorisieren.“

Karten müssen immer wieder überarbeitet werden

Die Karten müssen in bestimmten Zeitabständen überarbeitet werden. Das bestätigt Stadtbauamtsleiter Stephan Frickinger. Wie groß diese Zeitabstände sein sollten, kann er aber noch nicht sagen: „Es handelt sich beim Starkregen-Management um eine freiwillige Leistung der Stadt. Deshalb gibt es keine entsprechenden gesetzlichen Vorgaben.“ Alle Eingriffe in das Gelände, die die Fließrichtung des Starkregenwassers beeinträchtigen, müssen bei der Überarbeitung der Karten neu einberechnet werden.

Kleine Maßnahmen sollen zum Schutz beitragen

Genau an diesem Punkt setzt die Diskussion zwischen Johannes Hopp und Immo Gerber ein. Gerber befürwortet „kleine Maßnahmen“ zum Schutz vor den Starkregenfolgen. Kleine Maßnahmen, die die Landwirtschaft betreffen. Als Beispiel wurde in der Sitzung die Ausrichtung der Ackerfurchen beim Pflügen genannt. Gerber: „Die bis zu 30 Zentimeter tiefen Furchen leiten das Wasser. Wenn sie nicht in Richtung der Gewittersturzbäche verlaufen, können sie Wasser aufhalten.“

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Leiter der städtischen Baubehörde: „Kleine Maßnahmen sind in ihrer Summe wirksamer als große Projekte“

Außerdem könnten Landwirte durch den Verzicht auf bestimmte Anbauarten wie beispielsweise Mais einen Beitrag zum Starkregenschutz leisten. Im Rahmen der Datenerhebung kam der Neuhausener zum Ergebnis, dass das von den Ufern in den Theuerbach geflossene Regenwasser die Hauptschuld an der Überschwemmung bei der Stadthalle trage.

Johannes Hopp sieht das völlig anders: „Zu 90 Prozent ist der Theuerbach an der Überschwemmung beteiligt“, stellte das Ratsmitglied fest. Der Leiter der städtischen Baubehörde unterstreicht Gerbers Einschätzung: „Kleine Maßnahmen sind in ihrer Summe wirksamer als große Projekte.“

Software ermittelt Gefahrenpunkte

Die Ausarbeitung der Starkregenkarten erfordert die Erhebung vieler Daten. Sie stammen, wie Gerber berichtet, unter anderem aus den vom Land verantworteten Überfliegungsaktionen: „Die ermittelten Abflusswege müssen dann zu Fuß abgegangen werden, um eventuelle Hindernisse zu finden, die aus der Luft nicht erkennbar sind.“ Mit diesen Daten füttert der Neuhausener eine Spezialsoftware, die anhand dieser Informationen die Gefahrenpunkte und Fließrichtungen berechnet.

Öffentlicher Workshop geplant

Das kommunalpolitische Ziel sei, die Bürger auf die Gefahren von Starkregenfällen aufmerksam zu machen. In den nächsten Monaten ist ein öffentlicher Workshop geplant, bei dem die Gefahrenkarten vorgestellt und erläutert werden sollen.