Zum gesellschaftlichen Auftrag einer Kommune gehört es, der Bevölkerung ein kulturelles Angebot bestehend aus Theateraufführungen, Konzerten, Kleinkunst und ähnlichen Veranstaltungen zu unterbreiten. André Heygster ist seit 1999 der Mann, wenn es um kulturelle Belange in Pfullendorf geht. Der freie Kulturbeauftragte der Stadt organisiert 25 bis 30 Veranstaltungen im Jahr. Das Spektrum reicht vom Neujahrskonzert in der Stadthalle über Lesungen in der Buchhandlung bis hin zu großen Open-Air-Konzerten im Seepark wie 2015 der Auftritt von Roger Hodgson.

Fester Bestandteil sind und bleiben Veranstaltungsreihen wie „Kultur im Herbst“. Vorbei sind indes die Zeiten von Boulevard-Theater und Sommernachtskino. Was das Theater à la Millowitsch angeht, fehlt es heutzutage an Zugpferden und seit der Digitalisierung der Filme ist die Technik fürs Freiluft-Kino zu teuer. „Wir könnten 35-mm Filme in der alten Technik zeigen, aber das Interesse ist nicht so enorm, wenn man sich den Film auf DVD ausleihen und zu Hause gemütlich auf dem Sofa gucken kann.“

Seit Jahren beobachtet der Leiter des Kulturbüros einen Wandel im Verhalten der Kultur-Konsumenten. Als einen Grund nennt er die zunehmende Mobilität. Die Menschen setzen sich ins Auto und holen sich die Kultur außerhalb ihres Wohnorts. Hinzu komme das virtuelle (Über-)Angebot. Kultur kann jederzeit im Internet abgerufen werden, Operninszenierungen und Kabarett kommen via DVD ins Haus. Lokalitäten wie die „technisch hervorragend ausgerüstete“ Stadthalle werden weiterhin für Veranstaltungen gebraucht, doch Heygster sieht die Zukunft vor allem in klein- bzw. großflächigen Locations.

Den Berliner Musiker und seine Band konnte man Ende April im Café Moccafloor hören.
Den Berliner Musiker und seine Band konnte man Ende April im Café Moccafloor hören.

 „Auf der einen Seite beispielsweise Café Moccafloor, Gasthaus Lamm und Mohren, wo maximal 80 bis 100 Leute Platz haben, auf der anderen Seite der Seepark. Ich finde toll, was sich im Seepark bewegt.“ Immer attraktiver seien unkonventionelle Veranstaltungsorte, die nicht von vornherein mit Kultur in Verbindung gebracht werden, wie etwa die Schreinerei Frickinger oder Kunstschmiede Klink. „Ein solches Ambiente kommt gut an, das haben wir schon vor Jahren bei Aqua Voices erlebt.“ Dieses Konzert fand vor der Kulisse des Abwasserturms der Firma Geberit statt.

Mit Spannung schaut Heygster in Richtung Donautal. In Hausen im Tal ist vor einem Jahr in einer ehemaligen KfZ-Werkstatt das Fabrikle an den Start gegangen, das als Atelier, Kunst- und Kulturzentrum dient. Kultur in die Ortsteile zu bringen, kann sich der Kulturbeaufragte gut vorstellen. „Die Schlossgartenhalle in Aach-Linz oder das neue Dorfgemeinschaftshaus in Otterswang würden sich anbieten“, findet er und träumt von einer Wiederbelebung der verwaisten Kneipen und Dorfsäle. Darüber schwebt jedoch die Frage der Finanzierbarkeit. „Die Rahmenbedingungen werden immer schwieriger.“ Teilweise seien die behördlichen Auflagen, etwa was den Brandschutz angeht, eine schier unüberwindbare Hürde. Auch Aktionen wie das Aufstellen eines großes Zirkuszeltes mitten auf dem Pfullendorfer Marktplatz wie 2013 beim Fisimatenten-Festival seien mit (zu) großem Aufwand verbunden.

Um in der ländliche Region das Publikum für Veranstaltungen zu begeistern, müssen namhafte Künstler verpflichtet werden
Um in der ländliche Region das Publikum für Veranstaltungen zu begeistern, müssen namhafte Künstler verpflichtet werden

An Bedeutung gewinnt aus Heygster Sicht das Drumherum, der Mehrwert. „Die Lust, etwas zu erleben, hat sich geändert. Vor allem junge Leute wollen mehr als das Konzert von 20 bis 22 Uhr.“ Was bei Großveranstaltungen wie dem „Tollwood“ in München oder „Open Ohr“ in Mainz üblich ist, kann auch im kleineren Rahmen realisiert werden. Das beweisen „Musikprob“, „Seepark 6“, „Keep it real Jam“ und „Biker Days“ in Pfullendorf, die auf eine Kombination aus Bühnenshow, Workshops, Flohmarkt, Verkaufsständen und Catering-Meile setzen. Solche Konzeptionen werden sich durchsetzen, ist sich Heygster sicher.

Bildunterschrift
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"Qualität ist für mich ein Hauptkriterium"

Der städtische Kulturbeauftragte André Heygster nennt Kriterien für ein gutes Kulturprogramm


Worauf achten Sie bei der Zusammenstellung des Programms?

Qualität ist für mich ein Hauptkriterium, darum schaue ich mir die Künstler vorher gerne an, bevor ich sie buche. Kultur hat viele Facetten, und ich achte darauf, dass wir möglichst breit aufgestellt sind, in Pfullendorf kann man sowohl Modern Dance als auch Schlagerkonzerte erleben. Bekannte Top-Acts wie Konstantin Wecker, Manfred Mann, Uriah Heep oder Gerhard Polt, die alle schon in Pfullendorf aufgetreten sind, sind wichtige Highlights, an denen wir auch festhalten. Aber genauso wichtig finde ich die Auftritte lokaler Künstler wie Burr & Klaiber oder Steve Big Man Clayton.


Wen würden Sie gerne mal in Pfullendorf auf der Bühne sehen?

Ich mag die Kabarettisten Hagen Rether und Jochen Malmsheimer. Urban Priol wäre toll. Aber für Priol fehlt uns die Kapazität, da haben wir die Infrastruktur nicht. Ebenso wenig könnten wir einen Comedian wie Ingo Barth nach Pfullendorf holen.

 

Ist es so, dass bekannte Namen verlässliche Zugpferde sind?

Das kann man so sagen. Als wir ein Theaterstück mit Horst Jansson in der Stadthalle auf dem Spielplan hatten, kamen viele Zuschauer nur wegen ihm, er war früher ja mal ein bekannter Fernseh-Star. Und wenn jemand wie Michael Fitz in der „Alten Kirche“ in Rulfingen auftritt, zieht das Besucher an. Fitz spielte früher im „Tatort“ mit.

 

Ist es schwierig, bekannte Künstler nach Pfullendorf zu locken?

Es muss halt in deren Terminplan passen. Ich stehe da in engem Kontakt zu den Agenturen und dem Management der Künstler. Daran, dass Gerhard Polt kam, hab ich fünf Jahre gearbeitet. Polt tritt nun mal nicht öfter als 30 Mal in Jahr auf. Roger Hodgson spielt grundsätzlich nicht in einem Bierzelt.

 

Fragen: Kirsten Johanson


Die städtische Galerie "Alter Löwen" in Pfullendorf hat Möglichkeiten entdeckt, Defizite in der Kulturarbeit zu reduzieren. Galeriechefin Hermine Reiter zeigt neue Wege auf. Ostrach unterhält gleich drei Museen. Bürgermeister Christoph Schulz erläutert die Gründe.  Hier geht es zum Artikel