Vor rund zehn Jahren polarisierte ein Bauprojekt zunächst den Blumberger Gemeinderat und in der Folge die Bevölkerung: Am Achdorfer Wutach-Wehr sollte ein Flusskraftwerk entstehen. Das Vorgehen der Verwaltung, an deren Spitze damals Bürgermeister Matthias Baumann stand, weckte Widerstand. Im Achdorfer Tal entstand eine Bürgerinitiative, aus der der Badische Bund hervorging, der Blumbergs ersten Bürgerentscheid initiierte. Den Talbewohnern stieß auf, dass der Gemeinderat sich für ein Wasserkraftwerk ausgesprochen hatte, ohne dass der Ortschaftsrat darüber in eigener Sitzung beraten konnte. Und sie kritisierten, dass das Vorhaben so nicht in die wunderschöne Landschaft des Tals passe. Der Bürgerentscheid scheiterte. Zwar stimmten 1262 Wahlberechtigte mit Ja und 1167 Blumberger Bürger mit Nein, der Badische Bund verfehlte aber das Quorum. Für einen Erfolg wären mindestens 1871 Ja-Stimmen nötig gewesen. Die Wahlbeteiligung lag bei 32,7 Prozent. Allerdings: Mittlerweile war so viel Staub aufgewirbelt worden, dass der potenzielle Wasserkraft-Investor von seinem Vorhaben Abstand nahm.

Eines der wichtigsten Argumente der Flusskraftwerk-Befürworter lautete seinerzeit: Der Investor würde auch gleich eine Fischtreppe mitbauen, die ansonsten die Stadt finanzieren müsste – weil die EU vorschreibt, dass Flüsse für Fische und Kleinlebenwesen durchgängig sein müssen. Mittlerweile werden Fischtreppen aber nicht mehr als optimal angesehen, sogenannte Raue Rampen haben sich durchgesetzt. Auch im Achdorfer Tal soll ein Exemplar ins Flussbett modelliert werden. Doch was ist eine Raue Rampe genau und welche Funktionen erfüllt sie?

Die Rotach ist ein Zufluss des Bodensees im südlichen Oberschwaben. Unser linkes Foto zeigt den früheren Absturz am Wehr bei ...
Die Rotach ist ein Zufluss des Bodensees im südlichen Oberschwaben. Unser linkes Foto zeigt den früheren Absturz am Wehr bei Schönemühle. Das rechte Foto dokumentiert, dass große Teile der Betonkonstruktion verschwunden sind und der Absturz über eine größere Entfernung zu einer Rauen Rampe umgebaut worden ist. Bilder: SK-Archiv

Wie konnte das Wehr zu einem identifikationsstiftenden Bauwerk im Tal werden?

Das liegt wohl daran, dass es das Wehr seit über 200 Jahren gibt. Im Jahr 1778 taucht im Wasserbuch der Wutach das Wehr zum ersten Mal auf, weil es bei einem Hochwasser zerstört worden war. Im Jahr 1792 gibt es Hinweise auf ein privates Wasserrecht. Daraus ist zu entnehmen, dass es sich bei dem Absturz nicht um einen natürlichen Wasserfall handelt, sondern um ein sogenanntes Kunstbauwerk in Form eines Stauwehrs. Es wurde errichtet, um das Wasser aufzustauen, dem Mühlkanal zuzuleiten und dort Wasserräder für Mühle und Sägewerk in Privatbesitz anzutreiben. Bei der ursprünglichen Anlage dürfe es sich um ein wie im Schwarzwald übliches Holzwehr gehandelt haben. Die jetzige Ausführung in Form einer natursteinverblendeten Staumauer entstand 1880, erbaut durch die Familien Bausch und Wiggert, auf die auch die Wasserrechte eingetragen waren. Der Mühlkanal befand sich in Besitz dieser Familien. Diese Wasserrechte wurden von den Betreibern bis 1955 genutzt, zunächst für den Antrieb von Mühle und Sägerei, später zur Stromerzeugung. Da sich der Mühlkanal im Laufe der Jahrzehnte zu einem das Ortsbild prägenden Dorfbach entwickelt hatte, sprach sich der Gemeinderat 1979 dafür aus, die Unterhaltslast für das Gewässer zu übernehmen.

Weshalb ist das Wehr für die Fauna der Wutach so schädlich?

Abstürze wie Wehre bringen erhebliche Nachteile für Fische und andere Lebewesen mit sich. Abstürze sind für sie kaum überwindbare Hindernisse. Ihr Lebensraum verengt sich damit auf die oft nur kleinen Flussabschnitte zwischen den Absturzstufen. Abstürze zerhacken den Lebensraum der Fische. Die negativen Auswirkungen auf die Organismen in Flüssen und Seitenbächen sind beträchtlich. Die lassen sich vor allem am Beispiel der Fische gut beobachten: Es gib weniger Arten und weniger Exemplare. Fische brauchen Sandbänke zum Laichen, Unterstände, wo sie geschützt sind, tiefere Stellen oder solche mit Bewuchs, wo sich vor allem junge Fische sicher fühlen können. Wichtig ist zudem, dass Fische etwa beim Ausbruch einer Krankheit oder einer Gewässerverunreinigung in andere Gewässerteile ausweichen können, was durch die Abstürze verhindert wird.

Wie funktioniert eine Raue Rampe?

Das Funktionsprinzip von Rauen Rampen beziehungsweise Raugerinnen beruht auf dem Einbau von Blöcken in ein vorbereitetes Gerinne oder Flussbett, um den Höhenunterschied zwischen der Oberwassersohle und der Unterwassersohle abzubauen. Die Blöcke bremsen die Fließgeschwindigkeit im Gerinne und lenken die Strömung so ab, dass im Idealfall eine gleichmäßige Strömung mit moderaten Fließgeschwindigkeiten entsteht: Der Fischpass wird für Fische durchwanderbar und verbindet nun das Unterwasser mit dem Oberwasser. Das Raugerinne ist ein vom Grundsatz her altbewährtes und vielerorts häufig praktiziertes Bauwerk.

Weshalb bringt die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) die Städte und Gemeinden in den Zugzwang, ihre Fließgewässer in einen besseren Zustand zu versetzen?

Laut der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) mit Sitz in Karlsruhe hat die Durchgängigkeit an Fließgewässern eine herausragende Bedeutung für die natürlichen Verhältnisse mit artenreichen und gewässertypischen Lebensgemeinschaften. Denn Fische ziehen im Laufe ihres Lebenszyklus zielgerichtet gewässerauf- oder gewässerabwärts. Dabei können sie sehr großräumig und über viele Hundert Kilometer wandern, während Wirbellose sich eher kleinräumig bewegen. Bei ihren Wanderungen orientieren sich die Fische an der Hauptströmung. Dabei muss das strömende Wasser am Fischkörper anliegen, damit die Tiere die Strömungsunterschiede wahrnehmen können. Es ist laut der LUBW daher wichtig, dass unterhalb von Wanderhilfen wie Fischtreppen oder Rauen Rampen eine hohe Leitströmung vorhanden ist. Nur damit könne gewährleistet werden, dass die Fische bei ihrer Wanderung stromaufwärts eine Wanderhilfe finden.