„Wenn man etwas gerne gemacht hat, dann kann das doch kein Verdienst sein.“ Als Hermann Barth 2004 das Bundesverdienstkreuz vom damaligen Landrat Karl Heim überreicht bekam, da antworete der Ausgezeichnete auf die vielen salbungsvollen Worte über seine Person mit einem Zitat des früheren Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel. Es sagt ganz viel über den Menschen Hermann Barth aus, einen Macher im besten Sinne des Wortes, der aber stets bescheiden blieb und seine Person nie in den Vordergrund gerückt sehen wollte. Am vergangenen Samstag ist der langjährige Lokalpolitiker und Vereinsmensch im Alter von 98 Jahren nach einem Schlaganfall gestorben. Die Riedöschinger trauern um ihren ehemaligen Ortsvorsteher und viele Weggefährten um einen verlässlichen Freund.

Hermann Barth musste in frühen Jahren Verantwortung übernehmen
Hermann Barth ist ein Kind der Region. Kindheit und Jugend verbrachte er in Donaueschingen. Er war neun Jahre alt, als sein Vater starb. Auf dem Totenbett, so erzählte er beim SÜDKURIER-Besuch anlässlich seines 90. Geburtstags, habe der Vater seine Hände genommen und gesagt: „Hermann, Du bist der Älteste, Du musst der Familie helfen.“ „Das hat mein Leben geprägt: Helfen, wo es weitergeht, manchmal auch auf etwas zu verzichten“, so Barth. Dies habe der Mutter geholfen, ihre fünf Kinder durchzubringen.

Mit 15 Jahren begann Hermann Barth eine Lehre als Mechaniker. Von Neudingen fuhr er jeden Morgen mit dem Fahrrad nach Hüfingen. Da wurde der Knabe zum Mann. In dieser Zeit entdeckte er für sich die Fliegerei. Abends nach der Lehre fuhr er zweimal in der Woche mit dem Rad nach Donaueschingen, um mit Gleichgesinnten Flugzeuge selbst zu bauen. „Der Mensch braucht immer wieder eine Anregung“, erzählte Barth.
Aus russischer Gefangenschaft geflüchtet
Mit 19 zogen die Nazis Hermann Barth wie die meisten seiner Altersgenossen als Soldat ein, er wurde Kampfflieger. Später kam er in russische Kriegsgefangenschaft. Da zeichnete sich bereits ab, dass Barth ein Mensch ist, der nicht nur nach sich selbst schaut, sondern auch Verantwortung für andere übernimmt: Er kam bei den Russen zu einer Gruppe, die in zerstörten Häusern die Heizungen und Wasserversorgung wieder instand setzten. Barth wurde Vorarbeiter, erhielt einen Schlüssel und nutzte den, um für die Kameraden Lebensmittel zu stehlen. Er wurde gestellt und geschlagen, kam ins Lazarett. Dort riet ihm ein Arzt, er solle sich mit dem Krankentransport-Zug aus dem Lager schmuggeln. Barth wagte es und kam bis Eisenach. Wieder ein Lager. Durch ein Loch entfloh er und gelangte über die grüne Grenze in die Besatzungszone der

Amerikaner.
Ehepaar Barth adoptiert vier Waisen aus Indien
Wieder zu Hause, legte er die Meisterprüfung ab, es folgte die Fachhochschulreife und ein Ingenieursstudium in Konstanz. An der dortigen Hochschule engagierte er sich im Allgemeinen Studentenausschuss (Asta), inzwischen hatte er auch eine Frau kennengelernt, Liselotte Greitmann aus Leipferdingen. 1953 heirateten sie. Die Ehe blieb kinderlos und so adoptierte das Paar Ende der 60er-/Anfang der 70er-Jahre vier indische Kinder, die zuvor in einem katholischen Waisenhaus gelebt hatten. Mit ihnen gründete das Ehepaar Barth die Kompromissbachmusikanten. Längst haben die Kinder eigene Familien. Eine der Töchter, Paula Bents, zog mit ihrem Mann vor einigen Jahren ins Elternhaus, um ihren Vater versorgt zu wissen. Vor dem Haus wurde zum Abschluss der 900-Jahr-Feier eine Rosskastanie gepflanzt. So wie der Baum wachse, solle auch das Dorf wachsen, hieß es damals. Was ganz im Sinn von Hermann Barth gewesen sein dürfte. Der sagte bei seiner Verabschiedung als Riedöschingens Ortsvorsteher einige Worte, die sein Lebensmotto treffend beschreiben: „Lebensqualität braucht Menschlichkeit. Diese fängt schon im Kleinen an: mit einem Lächeln, mit einer ausgetreckten Hand. Oder schon mit dem Unterlassen einer der heute vielfach üblich gewordenen Rücksichtslosigkeiten.“

Riedöschingen trägt Barths Handschrift
In seiner Zeit als Riedöschinger Gemeinderat, Ortschaftsrat und Ortsvorsteher hat er einiges bewirkt: Er kämpfte für den Bau eines Kindergartens, neue Baugebiete gehen auf seine Initiative zurück, Dorfstraßen und Feldwege wurden ausgebaut, der Dorfbrunnen saniert und der Ausbau des Farrenstalls für die Vereine beruht auf einem Vorschlag von ihm. Nicht zu vergessen die teilweise aus eigener Tasche finanzierte Baumpflanzaktion im Dorf und an der Straße zum Bahnhof. Daneben engagierte sich Barth in der kirchlichen Laienvertretung. Er war auch Mitbegründer des Schwarzwaldvereins Blumberg und der Sozialstation, bei der er lange Jahre Vorstandsverantwortung trug.

Auch beruflich stand Hermann Barth häufiger im öffentlichen Rampenlicht. Und zwar als Rektor der Donaueschinger Gewerbeschule. Dabei hatte er sein Handwerk von der Pike auf erlernt: Nach Mechanikerlehre und Meisterprüfung nahm er ein Ingenieurstudium auf und schloss dem noch ein Studium zum Gewerbeschullehrer an. In Barths Schulleiter-Ära fielen tief greifende Reformen der Gewerbeschulen, die sich von einstigen Zwergschulen zu Bildungszentren mit vielen speziellen Fachklassen mauserten.
Hermann Barth wird am Montag, 4. Februar, um 14.30 Uhr auf dem Riedöschinger Friedhof beerdigt. Am Mittwoch, 6. Februar, 19 Uhr, findet in der Blumberger St.-Andreas-Kirche ein Seelenamt statt.