Es ist noch dunkel, als Melanie Westphal am Tag vor Dreikönig ihren Dienst für die Blumberger Sozialstation beginnt. Um sechs Uhr erhält ihr erster Patient eine Spritze. In zwei Stunden leistet sie 13 Einsätze, dann folgt Büro-Dienst in der Pflegedienstleitung. Seit fünf Jahren ist die examinierte Altenpflegerin bei der Kirchlichen Sozialstation in Blumberg.
In Königsfeld und Umgebung tätig
Davor war die Mutter zweier älterer Kinder in Königsfeld und in der Umgebung in Pflegeheimen und mehreren Sozialstationen tätig. Vor zwei Jahren absolvierte sie den Fachwirt für Organisation und Führung, seither ist sie zusammen mit Monika Maton in der Pflegedienstleitung der Sozialstation. Auch die Sozialstation spürt den Pflegekräftemangel: „Das trifft uns alle.“
- Die Reaktion der Angehörigen ihrer Patienten beschreibt sie so: „Dadurch, dass wir konstant zu den Patienten gehen, wächst man schnell zusammen. Man wird persönlich wahrgenommen, man ist Gast bei den Patienten.“
- Katrin Prager begann ihre erste Tour am Dienstag mit einem Pflegeeinsatz in Blumberg. Bis 11.45 Uhr hatte sie an zehn Stationen Patienten versorgt. Die examinierte Krankenschwester, die schon am Krankenhaus Rottweil tätig war, fährt eine von drei Mütter-Touren, die die Sozialstation Müttern mit Kindern anbietet, damit diese morgens etwas später beginnen können. Katrin Prager hat vier Kinder. Sie leistet Pflege und Behandlungspflege. Pflege bedeutet Waschen und Duschen der Patienten, Behandlungspflege betrifft Leistungen, die die Hausärzte verordnen wie Spritzen geben, Kompressionsstrümpfe anziehen sowie Medikamente richten oder verabreichen.
- Die Reaktion der Angehörigen erlebt Katrin Prager ähnlich wie ihre Kollegin: „Ich finde, dass die Angehörigen dankbar sind, dass sie sich freuen, wenn man kommt, dass sich auch die Patienten freuen, dass wir ein Stück Teil der Familie sind. „Und wo keine Angehörigen da sind, sind wir die einzige Bezugsperson“, ergänzt Melanie Westphal.
- Die Corona-Verordnungen erschwert die Betreuung. Vielen Patienten fehlten die Gesichtsmimik und der persönliche Händedruck, schildert Melanie Westphal. In den Bädern sei es oft kuschelig warm, für sie sei es mit Maske und Schutzschürze dann fast schon so wie in der Sauna. Katrin Prager muss wegen der Gesichtsmaske manchmal etwas drei Mal sagen, bevor die Patienten es verstehen. Inzwischen hätten sich die Patienten aber zumindest etwas an die Pflegekräfte mit Maske gewöhnt.
- Keime und Infektionen haben die Fachfrauen schon mehrfach erlebt, etwa den Novovirus, MSA, Tuberkulose oder Sars, „aber es betraf immer einzelne Patienten und es war sehr schnell wieder vorbei.“ Jetzt belaste sie als Pflegekraft am meisten: „Man weiß nie, was man selbst hat und was der Patient hat.“ Katrin Prager schränkt sich und ihre Familie kontaktmäßig sehr ein. Und privat schaue sie auch viel mehr, dass sie zum Ausgleich etwas Schönes mache, dass sie rausgehe an die Natur.
- Unterstützung: Bis jetzt hatten wir das Glück, dass wir weitgehend verschont blieben“, sagt Melanie Westphal. Dabei helfe ihnen, dass die Angehörigen der Patienten sie unterstützten, indem sie sich an die Corona-Regeln hielten und sich bei den Kontakten zurückhalten. Froh seien sie auch, dass die Tagespflege noch möglich sei, weil sie für viele Gäste am Tag den einzigen Kontakt mit anderen Menschen biete.
Die Einrichtung
Die Kirchliche Sozialstation in Blumberg wurde 1978 gegründet und hat derzeit 73 Angestellte, die meisten arbeiten in Teilzeit. Vorsitzender des gleichnamigen Vereins ist Reinhold Engesser, Stellvertreter ist Hermann Schwarz, hauptamtlicher Geschäftsführer ist Markus Leichenauer, die Pflegedienstleitung haben Monika Maton und Melanie Westphal. Im Angebot sind folgende Dienstleistungen: die mobile Alten- und Krankenpflege, hauswirtschaftliche Hilfsleistungen, Tagespflege sowie die Unterstützung für pflegende Angehörige. Mit den Kranken- und Pflegekassen besteht ein Versorgungsvertrag für Blumberg und die Ortsteile.„Die Preise für Schutzkleidung steigen in unverschämte Höhe“
Sozialstation-Geschäftsführer Markus Leichenauer hat mit seinem Team in der Corona-Zeit noch mehr Verantwortung.
Herr Leichenauer, haben Sie für Ihre Teams im Einsatz genügend Schutzkleidung?
Wir haben ausreichend Schutzausrüstung; allerdings sind die Lieferzeiten zum Teil sehr lang und die Liefermengen werden zum Teil rationiert. Vor Weihnachten kam eine Bestellung von Anfang November. Und davon nur eine erste kleine Teillieferung. Infolge dessen entwickelte sich der Lagerbestand der Handschuhe kurz vor Weihnachten in eine sehr problematische Richtung. Hier haben wir uns mit einer Großbestellung bei einem neuen Lieferanten beholfen. Wir erwarten die Lieferung der 90.000 Nitril-Handschuhe mit einem Warenwert von fast 17.000 Euro am heutigen Donnerstag. Ärgerlich ist zudem, dass die Preise in unverschämte Höhen ansteigen: FFP2-Masken waren vor Corona Cent-Artikel und kosten heute ohne Probleme drei bis vier Euro pro Stück. Und auch bei den Handschuhen liegen die Preise um 450 Prozent über denen aus dem Jahr 2019.
Wie viele Ihrer Mitarbeiterinnen sind schon getestet und wie sehen die weiteren Schutzvorkehrungen aus?
Aktuell beginnen wir mit der vorgeschriebenen regelmäßigen Testung der Mitarbeiter (Schnelltest). Die Tagespflege läuft nur auf zwei Drittel-Belegung, damit wir genügend „Luft“ haben. Seit Beginn der zweiten Welle führen wir eine tägliche Temperaturkontrolle durch: bei den Mitarbeitern, den Gästen der Tagespflege und bei den ambulant versorgten Patienten. Die hauswirtschaftlichen Hilfen laufen mit viel Abstand ab!
Wie viele Personen vom Team der Sozialstation haben oder hatten schon den Erreger Covid-19?
Bisher ist glücklicherweise erst eine Mitarbeiterin an Covid-19 erkrankt gewesen. Schier ein Dutzend Kolleginnen waren/sind in Quarantäne (aktuell drei; aufgrund einer erkrankten Patientin). Immer wieder stehen wir darüber hinaus vor der Frage, wie ein Kontakt zu einer Kontaktperson zu bewerten ist, und immer wieder stellt sich uns die Frage, was ein mutmaßlich üblicher Herbstschnupfen oder ein Hustenreiz bedeutet.
Fragen: Bernhard Lutz