In mindestens einem Punkt ist sich die Bildungspolitik einig: Schülern soll durch die Corona-Pandemie kein Nachteil entstehen. Und Abschlüsse sollen nicht weniger wert sein. Dennoch hat das baden-württembergische Kultusministerium die Möglichkeit eröffnet, dass Schüler auf freiwilliger Basis eine Klassenstufe wiederholen können – ohne, dass dies im Rahmen der sonst üblichen Versetzungsregeln gewertet wird. Was halten Schulleiter aus Donaueschingen von dieser Idee? Und wie schätzen sie den Bedarf ein?

„Bereits die ‚normale‘ freiwillige Wiederholung einer Klassenstufe kann, immer ausgehend von der pädagogischen Betrachtung der Situation des einzelnen Kindes, eine sinnvolle und wirksame Maßnahme sein, um entstandene größere Lerndefizite zu schließen“, sagt Mario Mosbacher, Schulleiter des Fürstenberg-Gymnasiums (FG).

„Kein noch so guter Fernunterricht kann das gemeinsame Lernen von Lehrern und Schülern in Präsenz voll ersetzen.“
Mario Mosbacher, Schulleiter

Mit den durch Corona bedingten Anforderungen des laufenden Schuljahres, vor allem im Fernunterricht, kommen Schüler ihm zufolge unterschiedlich gut zurecht. Vielen gelinge es gut, andere hätten größere Schwierigkeiten – „denn kein noch so guter Fernunterricht kann das gemeinsame Lernen von Lehrern und Schülern in Präsenz voll ersetzen“, so Mosbacher.

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Am FG können Schüler neben der Betreuung durch ihre Lehrkräfte von Lerncoaches, Schüler-Tutoren sowie der Schulsozialarbeit unterstützt werden, „aber auch hier setzt der fehlende persönliche Kontakt Grenzen“. Daher kann laut Mario Mosbacher eine solche freiwillige Wiederholung im Fall von Lerndefiziten, die speziell durch den Unterricht in der Corona-Zeit bedingt sind, durchaus sinnvoll sein. „Wir werden Schüler und Eltern am Schuljahresende beraten“, sagt der Rektor.

Mario Mosbacher, Schulleiter des Fürstenberg-Gymnasiums in Donaueschingen
Mario Mosbacher, Schulleiter des Fürstenberg-Gymnasiums in Donaueschingen | Bild: Roland Sigwart

Wie viele Schüler aber am Ende von der Möglichkeit Gebrauch machen, das sei derzeit noch schwer abzuschätzen. Mosbacher: „Im vergangenen Schuljahr bestand diese Möglichkeit ebenfalls. Da war es eine einstellige Zahl an Schülern, die das Angebot genutzt haben.“

Klassenteiler verhindert Übergrößen

Ob der FG-Schulleiter zukünftig die Gefahr sieht, dass bei der Umsetzung der Idee beispielsweise zu große Klasse entstünden? „Das wird es nicht geben, da es an allen Schularten einen Klassenteiler gibt. Wird dieser überschritten, wird eine zusätzliche Klasse eingerichtet und entsprechend Personal zugewiesen“, erklärt Mario Mosbacher.

Und wie sehen es Schüler?

Auch die Sorge eines „Not-Abiturs“ habe er nicht: „Das Kultusministerium hat richtigerweise bereits früher als in anderen Bundesländern reagiert und die Spielräume erweitert.“ Die Schüler erhielten mehr Lernzeit durch die Verschiebung der Abschlussprüfungen. Zudem werde es zusätzliche Prüfungsaufgaben zur Vorauswahl durch die Lehrer geben. „Dies zeigt“, so Mosbacher, „dass das Ministerium den Abiturjahrgang kontinuierlich im Blick hat – und alle Lehrer und die Schulleitung am FG ohnehin“.

„Wir sollten das auf keinen Fall zum jetzigen Zeitpunkt entscheiden, damit manche das Schuljahr nicht vorab und sinnlos abschenken oder abhaken.“
Wolfram Möllen, Schulleiter

Wolfram Möllen, Rektor der Eichendorffschule, sei es in erster Linie wichtig, immer den Einzelfall zu betrachten. Pauschale Aussagen zu treffen, halte er für falsch. „Für den einen oder anderen Schüler ist eine solche Maßnahme sicher von Vorteil“, ist Möllen sicher. Aber: „Wir sollten das auf keinen Fall zum jetzigen Zeitpunkt entscheiden, damit manche das Schuljahr nicht vorab und sinnlos abschenken oder abhaken.“ Es müsse sich die Frage gestellt werden, wie viele Fälle es tatsächlich gebe, bei denen es sinnvoll ist, ein Schuljahr zu wiederholen. „Wir müssen die Schüler fördern, aber auch fordern. Da soll keine Bequemlichkeit entstehen“, sagt Möllen. Denn eine Schule müsse immer im Sinne der Schüler denken.

Wolfram Möllen, Rektor der Eichendorffschule in Donaueschingen
Wolfram Möllen, Rektor der Eichendorffschule in Donaueschingen | Bild: Lions-Club

Aktuell werden laut des Rektors die Halbjahreszeugnisse für die Abschlussklassen ausgegeben. In den vierten Klassen können diese von den Eltern abgeholt werden, weil es für die Kinder darum geht, welche weiterführende Schule infrage kommt. Schüler der neunten und zehnten Klassen bekommen das Zeugnis, damit sie sich bewerben können. In den anderen Stufen handelt es sich laut Möllen um Halbjahresinformationen. Das werde wegen der Pandemie in der Regel telefonisch mit den Eltern besprochen und erst ausgegeben, sobald wieder Präsenzunterricht stattfindet.

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Ende April könne man genauer sagen, ob es einem Schüler zugetraut wird, noch eine Schippe drauf zu legen oder nicht. „Bei dem Thema Versetzung müssen unbedingt die Eltern mit ins Boot geholt werden. Aber klar ist: Kein Schüler soll einen Nachteil durch die Pandemie haben“, so der Schulleiter.

Wenig Nachfrage an Realschule

Dass die Möglichkeit eines freiwilligen Wiederholens der Klassenstufe schon im vergangenen Schuljahr möglich war, merkt neben Mario Mosbacher auch Katja Fox, Rektorin der Realschule, an. Damals sei das Angebot von keinem einzigen Schüler genutzt worden. „Wir versuchen, durch konsequenten Videounterricht in Kombination mit Aufgaben, die Lücken nicht zu groß werden zu lassen. Einige Schüler, die Schwierigkeiten beim Lernen haben, unterstützen wir in der erweiterten Notbetreuung“, sagt sie.

Katja Fox, Rektorin der Realschule in Donaueschingen
Katja Fox, Rektorin der Realschule in Donaueschingen | Bild: Wursthorn, Jens

Von Eltern erhalte Fox die Rückmeldung, dass der jetzige Lockdown als anstrengender empfunden wird als der erste. „Es müssen in allen Schulen und Schularten Aufgaben zu bestimmten Zeiten ‚hochgeladen‘ werden. Die Schüler müssen nach einem Online-Stundenplan anwesend sein, was aber auch Planungssicherheit bedeutet“, erklärt sie.