„Zwei Hektar, die tun uns weh“, sagen die beiden Landwirte Reinhold und Markus Moßbrugger aus Bruggen bei einem Ortstermin an einem ihrer Äcker, der dieser Größe entspricht. Auf dem Feld haben Vater und Sohn in diesem Jahr Zuckerrüben gepflanzt, die derzeit unter der anhaltenden Trockenheit leiden.
Ab Januar 2023 dürfen die Moßbruggers auf dieser Fläche gar nichts mehr anbauen, müssen die Fläche stilllegen, brach liegen lassen. Boden und Vegetation dürfen in der Regel dann nicht mehr bearbeitet werden. Die Fläche entspricht vier Prozent ihrer gesamten Ackerfläche. So fordert es eine neue EU-Vorgabe, die in Deutschland ab kommendem Jahr in Kraft tritt und unter anderem zum Ziel hat, der Natur wieder mehr Flächen zu überlassen und die Menge an ausgebrachten Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.
Markus Moßbrugger: „ungünstige Zeit für solch eine Maßnahme“
Vater und Sohn finden Naturschutz wichtig. Sie haben auch schon viel verändert in den letzten Jahren, auch auf freiwilliger Basis. Den jüngsten Vorstoß seitens der Politik können sie aber nicht verstehen. Das hat mehrere Gründe.
Ganz konkret bedeutet das Stilllegen von vier Prozent Ackerfläche einen finanziellen Schaden. 17 Tonnen Weizen könnten sie auf zwei Hektar Ackerfläche im kommenden Jahr ernten. Beim derzeit guten Getreidepreis entspricht das 5000 Euro Umsatz, der 2023 wegfällt. Ein finanzieller Ausgleich sei nicht vorgesehen.
Im Gegenteil: Die Grundprämie für Landwirte sei reduziert worden. Über bestimmte Maßnahmen zum Umweltschutz, wie etwa die Brachflächen, können Landwirte dann wieder in den Bereich der zuvor gültigen Förderbeträge kommen. Kontrolliert wird die Umsetzung vom zuständigen Landwirtschaftsamt.
Weitere Sorgen
Weniger bewirtschaftete Flächen würden am Ende unweigerlich weniger Lebensmittel, Futtermittel oder Energiepflanzen bedeuten. „Wir müssen daher gut überlegen und planen, was wir im kommenden Jahr weglassen“, so Max Moßbrugger. Aktuell geht er davon aus, die Zuckerrüben wegzulassen, die in diesem Jahr als Futter für das eigene Milch- und Jungvieh gedacht sind. Die Folge: Moßbrugger muss im kommenden Jahr diesen Anteil am Futter irgendwie ersetzen, vermutlich zukaufen.
Die Nutzfläche, die die Moßbruggers ab Januar brach liegen lassen, wird schnell von anderen Pflanzen besiedelt werden. „Ein Problem“, wie Vater und Sohn betonen. Unkräuter wie Disteln und Ampfer würden sich ausbreiten. Es sei dann aufwendig, den Boden später wieder nutzbar zu machen, vor allem dann, wenn dabei keine Pestizide verwendet werden dürfen, wie etwa in Bio-Betrieben. „Das kann Jahre dauern.“ Außerdem würden über die Zeit Nährstoffe im Boden verloren gehen.
Nicht die Lösung
„Außerdem ist es eine sehr ungünstige Zeit für solch eine Maßnahme“, ist sich Markus Moßbrugger sicher. Er denkt dabei an den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierende Knappheit beim Getreide und anderen Lebensmitteln. Die Landwirtschaft müsse in Zukunft immer mehr Menschen versorgen, werde gleichzeitig aber immer wieder eingeschränkt, so der Junior-Chef.
Auch verstehe er nicht, warum beachtliche Mengen deutsches Getreide erst exportiert werden, um später fehlende Mengen wieder aus dem Ausland einzukaufen, wie etwa aus der Ukraine. „Eigentlich könnten wir uns in Deutschland mit Getreide selbst versorgen.“
Die Zeit drängt
Auch in Brüssel wird die Umsetzung der neuen Vorgaben heiß diskutiert, nachdem mehrere EU-Agrarminister ihre Bedenken geäußert hatten. Cem Özdemir von den Grünen zeigte sich zuletzt gesprächsbereit, die Stilllegung von Agrarflächen vorübergehend auszusetzen. Gleich mehrere Punkte sind noch immer nicht geklärt.
Für Landwirte wird derweil die Zeit knapp. Sie müssen jetzt Entscheidungen treffen. Wird die Stilllegung doch noch ausgesetzt? Welche Zwischensaat darf auf den Brach-Flächen vor dem Inkrafttreten im Januar noch ausgebracht werden?
Ursula Schreiber: „Alles ist miteinander verflochten“
Diese Fragen beschäftigen auch Ursula Schreiber vom Schreiberhof in Donaueschingen. „Es geht darum, was ich wo ansäen kann, um Fruchtfolgen einzuhalten. Das Saatgut muss bestellt werden. Dafür brauchen wir endlich eine Entscheidung. Alles ist miteinander verflochten“, erzählt die Landwirtin, die ebenfalls 50 Hektar Ackerfläche bewirtschaftet. Das Planen werde immer komplizierter und die nutzbaren Flächen seien ohnehin knapp.
Christoph Meyer: „nicht zwingend erforderlich“
Landwirt Christoph Meyer aus Aufen geht derzeit davon aus, dass mit seinem Biohof nicht von der Stilllegungspflicht betroffen ist. Er erachtet Umweltschutzmaßnahmen generell als „sicherlich sinnvoll“. In einer Region wie der Baar mit einer im Vergleich kleinteiligen Landwirtschaft, überschaubaren Feldgrößen und einem stetigen Kulturwechsel, seien Brachflächen allerdings nicht zwingend erforderlich, so seine Meinung.
Mehr Potenzial für den Umweltschutz sieht er in einer Reduzierung des Baulandverbrauchs in für die Landwirtschaft günstigen Lagen, etwa wenn immer neue Industriegebiete entstehen. Die Landwirtschaft werde so nach und nach in ungünstige Lagen verdrängt.
Das sagt der Verband
„Naturschutz ist wichtig“, sagt Thomas Meyer, Bezirksgeschäftsführer des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) in Donaueschingen. Allerdings: Auch er ist der Meinung, dass die Zeit aktuell schwierig sei, solche Vorschriften durchzusetzen, angesichts der Dürre und dem Krieg in Europa. „Aber die Vorgaben sind jetzt da, da muss man schauen, wie man das umsetzen kann“, so der Interessenvertreter.
Man versuche, den Prozess aus praktischer Sicht zu lenken und zu begleiten. Spezialisten des Verbandes würden Vorgaben immer kritisch prüfen, um am Ende einen guten Mittelweg für die Landwirte zu erreichen.