Auch wenn Kinder und Jugendliche seit Monaten mehr oder weniger geduldig das Wechselspiel aus Präsenz- und Fernunterricht praktizieren müssen und sich in den grundlegenden Themen am Lehrplan entlang hangeln, bleibt seit dem ersten Lockdown ein Bereich ausgeschlossen: der Sportunterricht. Das hat Folgen.

Hohlstunden gestrichen

„Wir haben den Sportunterricht ausgeplant“, sagt die Leiterin der Realschule, Katja Fox. Damit stehen Lehrerstunden für den Unterricht in den Kernfächern zur Verfügung, der normale Ablauf wird gestärkt und für die Schüler fallen Hohlstunden aus dem Stundenplan. „Natürlich sind wir nicht glücklich mit der Situation“, ergänzt sie. Auch die Schüler vermissten den Sportunterricht. Ein bisschen Spielen in der großen Pause in definierten Zonen ersetzten den angeleiteten Schulsport nicht.

Das könnte Sie auch interessieren

Ganz schlecht sei die Situation auch für die Sportreferendare. Denen sei das Betätigungsfeld abhanden gekommen. Der mögliche Schaden aus dem Sportmanko werde sich zeigen. „Nehmen wir die Ausdauersportler, da wird es Defizite geben“. Ein anderes Beispiel seien Schüler, die gerade Schwimmen lernen. Diese Anfangskenntnisse dürften sie ohne Schwimmunterricht verlernen. Um das Bewegungsdefizit auszugleichen, seien aber auch die Eltern als Motivatoren gefordert.

Doppelt so viele Kinder mit Haltungsschäden

Eine sichtbare Verschlechterung des Gesundheitszustands von Kindern hat der Orthopäde Dietmar Göbel festgestellt. Zu ihm kämen deutlich mehr Homeoffice-geplagte Kinder mit Haltungsschäden in die Praxis. „Das sind sicher doppelt so viele als früher“, präzisiert er. Oftmals entwickelten die Kinder einen Rundrücken, eine Art Buckel, wie man es früher nannte. Der Rundrücken könne sich ausbilden, weil sich Kinder meist nur noch sitzend in der Wohnung aufhielten: ungesund sei das, egal ob sie „auf dem Sofa rumhängen“ oder am Tisch sitzen, lernen oder spielen.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Gros sitze einfach zuhause, stellt der begeisterte Sportler bekümmert fest. Spielen im Garten oder eine Wanderung mit den Eltern ersetzten dabei weder den ausgerichteten Sportunterricht noch den Sport mit Freunden oder Mannschaftkollegen im Team.

Gerade in diesen Sportarten gehe es um die Ausbildung von Koordinationsfähigkeit. Doch gerade die sei zuletzt „noch schlechter geworden“, so seine Erfahrung aus Tests. Wo die Koordination Schwierigkeiten bereitet, schleicht sich das Unfallrisiko ein: Göbel nennt da mögliche Bänderrisse oder Knieverletzungen. Auch Kniescheibenbeschwerden aufgrund der geänderten Beckenhaltung seien Begleiterscheinung der „Heimarbeit“.

Das könnte Sie auch interessieren

Sorge bereitet ihm auch eine Antriebslosigkeit, die – früher eher Teenagern vorbehalten – jetzt schon Achtjährige befalle. „Sie sehen kein Ziel mehr, kein Ende der jetzigen Situation“. Im Freizeitbereich könnten sie sich auf nichts mehr freuen und seien, der Verbesserung des körperlichen Zustands nicht förderlich – kaum für Sport zu motivieren.

Ferienmodus wirkt nach

Nur mit Grundschülern hat es Gabriele Lindemann zu tun. „Wir machen mit den Kindern Bewegungspausen“, sagt die Leiterin der Erich-Kästner-Schule. Und auch dann, wenn die Schüler unruhig werden, gehe man, corona-konform, nach draußen. Tatsächliche Defizite aufgrund des fehlenden Sportunterrichts könne sie nicht feststellen. Eher eine Nachwirkung der Osterferien: Vor den Ferien hätten sich die Kinder wieder an die Verhaltensgepflogenheiten im Unterricht gewohnt, in den vergangenen Tagen seien sie wieder zappeliger. Mit einer App, die zum Bewegen animiert, Anleitungen von Lehrkräften oder Hinweise auf Tipps auf der Ministeriumsseite gebe die Schule Vorschläge, den Bewegungsmangel zuhause auszugleichen. Im Wesentlichen seien da aber die Eltern in der Pflicht.

Das könnte Sie auch interessieren

Am Fürstenberg-Gymnasium findet seit 18. Dezember kein fachpraktischer Sportunterricht mehr statt. Die Sportstunden stehen aber weiter im Stundenplan, so Schulleiter Mario Mosbacher. Im Fernunterricht seien die Lehrkräfte sehr bemüht, die Schüler mit verschiedenen Angeboten wie Challenges, Trainingsprogrammen und Bewegungsübungen zum Sport zu animieren. In der Schule im Fach Sport unterrichtet werden die beiden Leistungskurse in den Abschlussklassen.

Das könnte Sie auch interessieren

Auf die Situation reagierten Schüler unterschiedlich. Diejenigen, die ohnehin schon sportlich waren, hätten sich auch im Fernlernen weiter bewegt und Sport gemacht. Andere Schüler hätten sich deutlich weniger als zu Schulzeiten bewegt oder seien seltener an der frischen Luft gewesen.

Hoffen auf Sport im Freien

Jetzt hofft das Fürstenberg-Gymnasium auf eine modifizierte Regelung. So es das Infektionsgeschehen zulasse, könnten dies bestimmte Formen des Sportunterrichts im Freien sein, die unter Wahrung des Mindestabstandes und weiterer Sicherheitsmaßnahmen stattfinden könnten.

Das könnte Sie auch interessieren

Eigentlich seit dem ersten Lockdown sei es mit dem normalen Sportunterricht vorbei gewesen, sagt Wolfram Möllen, Leiter der Eichendorffschule. Danach habe es Sport im Freien gegeben, inzwischen beschränke sich das erlaubte Angebot auf ein bisschen Bewegung draußen – Spielen und eher gebremstes „Kicken“ in den jeweiligen Kohorten auf dem Schulhof – , was natürlich dem Sportunterricht nicht gleichkomme.

„Natürlich haben die Kinder einen großen Bewegungsdrang“, so der Schulleiter. Das zeige sich schon in einer gewissen Unruhe im Klassenzimmer. Das Sitzen am Platz falle mitunter schwer. Auch die Eichendorffschule hat den Sportunterricht zugunsten der Kernfächer aus dem Plan genommen. Auch wenn die Schule Gymnastikanleitungen weitergegeben habe, komme es letztlich auf das Wollen an. Sport macht in der Gemeinschaft Spaß, hofft Möllen auf besseres Wetter und leichtere Regeln. Sport brauche auch Vorbilder. Die seien aber derzeit im Profifußball die falschen, ärgert sich Möllen über den fortgesetzten Ligabetrieb.