Kein entspannender Sommerurlaub, keine Ausgleich durch Sport oder gesellschaftliche Aktivitäten und möglicherweise aufgrund einer Quarantäne zwei Wochen ununterbrochen auf engstem Raum: Die Corona-Maßnahmen stellt Beziehungen, Partnerschaften und Ehen möglicherweise auf ganz besondere und noch nie dagewesene Zerreißproben.
Mehr Zeit miteinander als zuvor
„Durch die verschiedenen Lockdowns, Heimarbeit sowie Heimunterricht haben Familien und Paare notwendigerweise mehr Zeit zu Hause und miteinander verbracht als zuvor. In vielen Fällen führte das zu Konflikten oder auch zu einer Trennung“, sagt Anwältin Caroline Stier.
„Allerdings kam es zu einem Anstieg bei den Anfragen zum Unterhalt bereits vor der Trennung“, sagt sie. Auch gebe ein großes Bedürfnis, sich vor einer Trennung hinsichtlich der künftigen finanziellen Situation zu informieren.
Die Trennungsgründe seien – trotz Corona – aktuell keine anderen als zuvor. „Aber die räumliche Nähe und die Kontaktbeschränkungen sorgen dafür, dass die Probleme in der Ehe nicht so gut durch soziale Kontakte abgefedert werden können wie es sonst der Fall war“, erklärt Stier. Zudem konnte sie einen starken Anstieg des Stresslevels feststellen.
Auch Psychologe Matthias Holzapfel könne eine Zunahme an Spannungen beobachten. „Wir erkennen, dass Partnerschaften generell in Mitleidenschaft gezogen werden können, wenn sie schwierigen äußeren Bedingungen ausgesetzt sind“. Auch können Corona-bedingte wirtschaftliche Probleme Partnerschaften unter Druck setzten. Dabei führe der Wegfall von sozialen Kontakten zu einer Beziehungsverdichtung: „Alles konzentriert sich im Extremfall auf einen einzigen Menschen“, sagt Holzapfel. Zugespitzt könne man sagen: „Wer seine Partnerschaft bislang nur ausgehalten hat, weil er seinen Freunden regelmäßig sein Herz ausschütten konnte, der hat nun ein sehr großes Problem.“
Doch verstärkt Corona bereits bestehende Probleme in Beziehungen? Eine Tendenz sei zwar erkennbar. Allerdings erleben auch manche Paare einen stärken Zusammenhalt. Denn mehr gemeinsame Zeit müsse einer Partnerschaft nicht direkt schaden. Anderseits gebe es auch einen Brennglas-Effekt, sagt der Psychologe: Konfliktbereiche können weniger gut ignoriert werden und verstärken sich möglicherweise – auch aufgrund mangelnder Ablenkung. „Unter Umständen werden die Partner dünnhäutiger, reizbarer und steigern sich schneller in Kleinigkeiten hinein“.
Bei der Hälfte aller Fälle, die wir betreuten ist Trennung und Scheidung ein Thema“, sagt Daniel Mielenz, Leiter Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche (BEKJ).
Durch Corona erleben Familien gerade eine Verdichtung. Bei gesundheitliche und wirtschaftliche Problemen können sich Konflikte verstärken und es entstehe der Wunsch nach Separierung, sagt Silke Zube, Leiterin des Jugendamts. „Dabei ist Bindung und Beziehung, das ist wohl das Wichtigste überhaupt“. Viele Kinder würden gerade extrem unter der Einsamkeit und Vereinzelung leiden, sagt sie.
Umgangsrecht schwer umzusetzen
Zudem erhöhe Corona das Konfliktpotenzial auch in geschiedenen Familien: Denn durch Quarantäne sowie Reisebeschränkungen sei das elterliche Umgangsrecht teils schwer umzusetzen. „Dies können auch vorgeschobene Gründe sein, um den Umgang mit dem geschiedenen Elternteil zu verhindern“. Auch können fehlende Unterhaltsverpflichtungen wegen Arbeitsverlust Kinder ebenfalls in Not bringen, so Zube.