Der Frust bei den Eltern ist groß – und auch bei den Politikern im Sozialausschuss des Kreistags. Die Ursache macht Landrat Sven Hinterseh in der jüngsten Sitzung noch einmal deutlich: Dreieinhalb Kinderarztsitze in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg seien derzeit nicht besetzt. Obendrein hat nun ein Kinderarzt in Schwenningen aufgegeben.

Das alles bedeutet eine enorme Zumutung für die betroffenen Familien und eine hohe Belastung für die verbliebenen Kinderarztpraxen.

Kann denn da die Kreisverwaltung nicht endlich etwas tun? Eine Frage, die nicht nur von betroffenen Eltern immer wieder gestellt wird. Dass das Problem unter den Nägeln brennt, ist auch der Kreispolitik sehr bewusst. Nur: Das Landratsamt kann nach eigenen Angaben in diesem Bereich wenig machen.

Emotionale Debatte

Es kam im Ausschuss zu einer durchaus emotionalen Debatte, als der ehemalige Kinderarzt Karl-Henning Lichte von den Freien Wählern in der Fragestunde des Sozialausschusses die Situation seiner Branche bemängelte.

Auslöser war der Bericht, dass der Schwenninger Kinderarzt Stefan Röser seinen Arztsitz zurückgegeben hatte, nachdem er der kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) Geld wegen Überstunden zurückzahlen sollte.

Strafe für wichtige Arbeit

Lichte sagte, er könne Röser gut verstehen, auch er sei dafür bestraft worden, zu viele Überstunden gemacht zu haben.

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Der Freie Wähler aus VS-Schwenningen hatte sich in der Konsequenz aus seiner Praxis verabschiedet und an Röser übergeben. Er würdigte eine inzwischen aufgesetzte Petition mit etwa 5000 Unterschriften, die sich gegen die Rückzahlungen wendet.

Sozialministerium soll KV besser kontrollieren

Landrat Sven Hinterseh sah beim Thema Kinderärzte allerdings seine Hände gebunden. „Ich will mich nicht aus der Verantwortung ziehen“, sagte der Landrat. „Die KVBW ist aber halt nun mal zuständig.“

„Da müssen wir vielleicht auch öffentliches Geld wieder in die Hand nehmen“, sagt Landrat Sven Hinterseh (Archivbild).
„Da müssen wir vielleicht auch öffentliches Geld wieder in die Hand nehmen“, sagt Landrat Sven Hinterseh (Archivbild). | Bild: Simon, Guy

Ungeachtet dessen empfand Hinterseh die Situation klar als unbefriedigend. Vor allem müsse das Problem auf landes- und bundespolitischer Ebene angegangen werden. Das Sozialministerium und seine zuständigen Gremien sollten die Arbeit der KVBW kontrollieren.

Neues Modell für die Versorgung nötig

„Ich will keine gesundheitspolitische Revolution“, merkte Hinterseh an. Allerdings sei das zweigliedrige Modell von ambulanter Versorgung durch niedergelassene Ärzte und stationärer Versorgung durch kommunale Krankenhäuser derzeit nicht zukunftsfähig. In anderen Ländern sei das besser organisiert, so der Landrat.

Versorgungszentrum als Ausweg?

Die Schaffung eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit angestellten Ärzten für die ambulante Versorgung von Patienten hält Hinterseh allerdings nicht für ausgeschlossen. In diese Richtung gibt es schon länger Überlegungen.

So könne der Kreis attraktiver für junge Ärzte werden, die lieber angestellt sind, meint der Chef der Kreisverwaltung. Dafür müsse der Landkreis Geld in die Hand nehmen. Neue Ärzte werde das aber auch nicht „backen“, so Hinterseh.

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Ein Modell könnte das Klinikum Tuttlingen vorgeben, das dem Landkreis Tuttlingen gehört: Dieses hat in Spaichingen in einem ans Klinikum angegliederten Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) zwei Kinderärztinnen anstellen können. Diese haben auch kleine Patienten aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis aufgenommen.

Keine Ärzte in der Rückhand

Wobei es in der Debatte auch zumindest etwas Verständnis für die KV gab. Ursula Roth-Ziefle von den Grünen erklärte: „Es ist immer recht einfach, die Schuld auf die KV zu schieben.“ Die Vereinigung habe keine Ärzte auf Halde, so die Fraktionssprecherin. Das sei ein ähnliches Problem wie bei den Lehrern.

Niemanden zu finden hat Folgen

Die CDU-Kreisrätin Elke Bettecken ist selbst Kinderkrankenschwester und berichtete von der prekären Situation, in der sich Eltern oft befinden: „Manche Familien bekommen keinen Kindergartenplatz, weil sie keinen Termin zum Impfen bekommen.“

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Auch die sogenannten U-Untersuchungen finden bei vielen Kindern nicht statt, weil kein Arzt in der Region gefunden werden kann. Daher sei es wichtig, über die aktuelle Lage zu sprechen, meint Bettecken.

Die FDP hält die Situation für unzumutbar. „Es gibt nicht die eine Lösung“, sagte Fraktionssprecher Mark Reith. Vor allem die Entbürokratisierung und die Digitalisierung seien wichtige Mittel, um der Situation Herr zu werden.