„Momentan sind alle Leitungen belegt. Bitte rufen Sie zu einem späteren Zeitpunkt an.“ Mit solchen Ansagen werden Patienten gefühlt immer häufiger konfrontiert, wenn sie bei ihrem Arzt anrufen. Wir haben uns nach dem Zufallsprinzip durch Praxen im Kreis telefoniert, um die Erreichbarkeit von Ärzten zu prüfen.

In der Bad Dürrheimer Kinderzahnarztpraxis Kids & Dents von Julia Richter ist das Telefon immer besetzt, sagt Zahnarzthelferin Saskia Alber. Der dreimalige Selbstversuch zeigt: Bereits beim zweiten Rufzeichen wird das Telefon jeweils beantwortet. Zusammen mit einer Kollegin kümmert sich Alber um die Anrufe und E-Mails der Patienten.

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„Die Termine machen wir Helferinnen direkt am Telefon aus“, sagt Alber. Sollte das Telefon im Ausnahmefall mal nicht besetzt sein, schalten die Helferinnen den Anrufbeantworter ein. „Wir rufen aber noch am selben Tag zurück“, sagt Alber.

Am Morgen kommt man besser durch

Schwerer erreichbar sei die Praxis in der Regel am Nachmittag. „Wir sind eine Kinderzahnarztpraxis. Da die Kinder vormittags in der Schule sind, ist bei uns nachmittags mehr los“, sagt sie. Etwa 25 bis 45 Mal am Tag klingle das Telefon in der Praxis und etwa vier bis acht Mails haben die Zahnarzthelferinnen im Schnitt täglich zu bearbeiten.

Im Test: Zehn Arztpraxen

Die Praxis der Kinderzahnärztin ist jedoch eher ein Ausnahmefall: Von zehn mehrmals und zu unterschiedlichen Zeiten angerufenen Arztpraxen verschiedener Spezialisierungen im Kreis, ist es die einzige Praxis, bei der der Anruf sofort und persönlich entgegengenommen wird.

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Meist geht der Anrufbeantworter ran und leitet dann an eine Assistentin weiter. Schlimmstenfalls, bei unserem Test in drei Fällen, wird man wieder aus der Leitung geschmissen oder das Telefon wird gar nicht erst beantwortet.

Fachkräftemangel schlägt auch hier zu

„Die Lage in den Praxen ist schon seit einiger Zeit angespannt, weil die Nachfrage nach Terminen beziehungsweise der Patientenandrang sehr hoch ist“, schreibt Gabriele Kiunke von der Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. „Das hat zur Folge, dass Praxisteams und auch die Ärzteschaft bis zum Anschlag gefordert sind, und die Telefonleitungen stellenweise auch überlastet sind.“

Gabriele Kiunke, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg
Gabriele Kiunke, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg | Bild: Norman Ill, KV BW

Hinzu komme, dass auch Arztpraxen mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen haben. Medizinisches Fachpersonal sei auf dem Arbeitsmarkt Mangelware, was zur Folge habe, dass freie Stellen in Praxen nicht besetzt werden könnten, schreibt Kiunke weiter.

Der digitale Helfer

Bei der Hausarztpraxis Probst in St. Georgen kann es schon einmal sein, dass der Patient auf künstliche Intelligenz trifft: hier beantwortet neben dem Praxisteam auch Aaron, der digitale Assistent, das Telefon. „Sprechen Sie bitte klar und deutlich“, fordert er mit freundlicher Stimme auf. Die Telefonnummer werde aufgezeichnet, der Patient erhält einen Rückruf oder eine SMS, sagt Aaron.

Bis zu 200 Anrufe am Tag

„Wir haben Aaron vor anderthalb Jahren installiert, weil wir telefonisch zu schlecht erreichbar waren“, erklärt Boris Burcza, einer der Ärzte in der Praxis Probst. „Unsere Telefonanlage war einfach überlastet.“ Bis zu 200 Anrufe erreichen die Arztpraxis am Tag, sagt Burcza.

Boris Burcza ist einer der Ärzte in der St. Georgener Hausarztpraxis Probst.
Boris Burcza ist einer der Ärzte in der St. Georgener Hausarztpraxis Probst. | Bild: Boris Burcza

Der Telefonassistent fängt mittlerweile etwa die Hälfte davon auf. Der große Vorteil von Aaron: „Das ständig klingelnde Telefon ist ein großer Stressfaktor für unsere Medizinischen Fachangestellten. Durch das System können wir das etwas abmildern.“

Aaron erkennt auch Notfälle

Das System übersetze die Aufzeichnungen der Patienten in geschriebenen Text. „Die Mitarbeiterinnen müssen die Nachrichten dann aber noch abarbeiten.“ Und die Patienten entweder zurückrufen oder ihnen per SMS antworten. Auch Notfälle erkennt Aaron. „Sobald jemand sagt, ihm gehe es sehr schlecht und es handle sich um einen Notfall, landet diese Nachricht mit Alarmton ganz oben auf der Liste.“

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Gerade morgens könne es schwer sein, die Praxis zu erreichen. „Wenn Beschwerden über Nacht auftreten, rufen die Patienten gleich morgens an.“ Und auch für Krankmeldungen würden die Patienten vormittags anrufen.

Für ältere Menschen ist die Kontaktaufnahme erschwert

Der Kassenärztlichen Vereinigung ist der digitale Telefonassistent Aaron.ai bekannt, einige Arztpraxen würden von dem System Gebrauch machen. „Sicherlich wird sich der Einsatz solcher Tools in Zukunft noch verbreiten“, schreibt Kiunke. Für ältere Menschen, die digital nicht firm sind, sei die Kontaktaufnahme damit jedoch erschwert. „Sie sind dafür auf Hilfe und Unterstützung angewiesen oder müssen mit ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin eine individuelle Vereinbarung für Termine und/oder Hausbesuche treffen“, so Kiunke.

Ein Tipp der Redaktion

Unser Selbsttest allerdings zeigt: Einfach ist es nicht, seinen Arzt zu erreichen. Aber auch nicht unmöglich. Wer frühmorgens anruft, hat unter Umständen weniger Erfolg, als wenn er es am Nachmittag versucht. Unser Geheimtipp: kurz vor oder nach der Mittagspause hatten wir den größten Erfolg.