Stephanie Jakober, Bernhard Lutz, Roland Sprich und Gerhard Hauser

Als Gewinnerregion bezeichnet sich das Gebiet zwischen Schwarzwald, Baar und Heuberg gern. Gemünzt ist das auf die Vielzahl von profitablen Firmen, und vor allem diese Unternehmen benötigen eine ausgezeichnete Verkehrsinfrastruktur: Ihre Waren müssen mit Lastwagen auf die Autobahn oder an die nächste Containerstation gebracht werden, die Arbeitskräfte benötigen das Auto. Doch gerade einige Straßenprojekte werden immer wieder hinausgeschoben: die Umfahrung der Ortsdurchfahrt von Randen, die besonders viele Fahrzeuge in die Schweiz und an den Hochrhein nutzen, der „Lückenschluss“ bei Villingen-Schwenningen, der eine direkte Verbindung zwischen Bundesstraße 33 an die Autobahn 81 sicherstellen soll, oder die Trasse vom Schwenninger Industriegebiet Ost, wo viele der bekannten Schwenninger Firmen angesiedelt sind, an die Bundesstraße 523. Ein größeres Projekt wurde in der jüngsten Vergangenheit umgesetzt: die Ortsumfahrung von Behla.

Anbindung für Schwenninger Industriegebiet Ost

Oben ist schon die Schneise für die geplante Trasse zu sehen. SF-Filter ist das dritte Gebäude darunter.
Oben ist schon die Schneise für die geplante Trasse zu sehen. SF-Filter ist das dritte Gebäude darunter. | Bild: Götz, Hans, Jürgen

Der BaWü-Check machte es wieder einmal deutlich. Aus Sicht der Befragten wird zu wenig (62 Prozent) in die Verkehrsinfrastruktur investiert, 25 Prozent halten das für ausreichend. Viele Unternehmer im Industriegebiet Ost sehen das ähnlich, arbeiten sie doch schon seit vielen Jahren auf eine zweite Anbindung an die Bundesstraße 523 hin. Jetzt steht die Entscheidung ganz aktuell im Gemeinderat Villingen-Schwenningen an, doch die Zahl der Kritiker hat zugenommen, vor allem weil die Kosten von fünf Millionen Euro auf inzwischen 10,4 Millionen explodierten. Doch das ist auch der jahrelangen Diskussion geschuldet. Einer, der die Debatte nun seit Längerem verfolgt ist Jochen Zähringer, Geschäftsführer von SF-Filter im Spittelbronner Weg. 500 bis 600 Pakete verlassen täglich das Werk, einige gehen direkt zum Postverteilzentrum, andere werden durch Spediteure abgeholt. Deren An- und Abfahrt gestaltet sich vor allem morgens als „extrem“, ab der Abfahrt von der Bundesstraße 27 stehen sie oft im Stau. Eine neue Straße würde aus Zähringers Sicht definitiv Erleichterung schaffen, nicht nur für die Materialanlieferung und den Transport der Filteranlagen, sondern auch für die Mitarbeiter des Unternehmens: Etwa 35 kommen aus St. Georgen und Villingen, kämpfen sich also jeden Morgen durch die Erzberger Straße zum Arbeitsplatz. Versprochen wurde den Unternehmern die Verbindungsstraße immer wieder. Das war auch ein Grund, warum sich SF-Filter nie nach einem andern Standort umschaute, obgleich zuletzt gerade Rottweil und Tuningen eine geradezu optimale Verbindung zu Bundesstraße oder Autobahn vorweisen können. Käme die Straße nicht, wäre „ich mehr als enttäuscht“, sagt der Geschäftsführer. Im Gemeinderat entscheidet sich dies am Mittwoch, 9. Dezember.

Jochen Zähringer
Jochen Zähringer | Bild: Zähringer, Jochen

Lückenschluss zwischen den Bundesstraße 523 und 33 mit Umfahrung Villingens

Vertreter von Industrie, Wirtschaft, Kommunen und Politik fordern den Lückenschluss. Auf Herdenen macht dieses Schild für den ...
Vertreter von Industrie, Wirtschaft, Kommunen und Politik fordern den Lückenschluss. Auf Herdenen macht dieses Schild für den geforderten Bau der Verbindung der B 523 und der B 33 aufmerksam. Ein zweites Schild steht auf der B 33 bei Mönchweiler. | Bild: Sprich, Roland

Der westliche Schwarzwald-Baar-Kreis ist geprägt von mittelständischen Unternehmen. Sie alle haben gemeinsam, dass ihre Produkte in die ganze Welt exportiert werden. Und da ist die Anbindung an die Autobahn eine logistische Notwendigkeit. Die Wahl GmbH, Hersteller von Haarschneidemaschinen für den Profi-, Heim- und Tierbedarf ist ein Tochterunternehmen des weltweit führenden Herstellers Wahl Clipper Corporation aus den USA. Da die Erweiterungskapazitäten am bisherigen Standort in Unterkirnach ausgereizt sind, verlagert Wahl seinen Standort derzeit komplett nach St. Georgen. Im Gewerbegebiet Hagenmoos, direkt an der Bundesstraße 33 gelegen, entstehen derzeit eine neue Verwaltung sowie ein Produktions- und ein Logistikgebäude mit insgesamt rund 13500 Quadratmetern Nutzfläche. Insgesamt investiert Wahl einen zweistelligen Millionenbetrag in den neuen Standort. Das Unternehmen mit 260 Mitarbeitern bekennt sich damit zum Standort Schwarzwald. Und setzt gleichzeitig große Hoffnung auf den Lückenschluss, der bei der Standortwahl eine wesentliche Rolle gespielt hat, wie Jörg Burger, zusammen mit Gökhan Yilmaz Geschäftsführer des Unternehmens, bekräftigt. „Der geplante Lückenschluss ist für unser sicher ein strategisch sehr wichtiger Punkt bei der Standortwahl gewesen. Eine gute Anbindung an die Autobahn ist für uns ein gewichtiges Argument, wenn es darum geht, im Kampf um den sogenannten Krieg der Talente im Rennen zu bleiben.“

Ortsumfahrung Randen

Auf die B 27-Umfahrung des Blumberger Ortsteils Randen warten Ewald Weh seit Jahrzehnten.
Auf die B 27-Umfahrung des Blumberger Ortsteils Randen warten Ewald Weh seit Jahrzehnten. | Bild: Lutz, Bernhard

Der Verkehr in der Ortsdurchfahrt Randen gehört zum Ortsbild, und ist er unüberhörbar. Dass die seit Langem geforderte und inzwischen auch geplante Umfahrung der B 27 tatsächlich kommt, kann Ewald Weh sich kaum vorstellen. „Das glaube ich erst, wenn in der Sonnenhofkurve die Bagger kommen und dort anfangen zu graben“, erklärt der 73-jährige Familienvater. Die Sonnenhofkurve der B 314 soll die Nahtstelle für die Umfahrung werden. Ewald Weh wohnt an der Ortsdurchfahrt in seinem Elternhaus. Er kennt die Entwicklung, er weiß, was der Verkehr für die Bewohner bedeutet und beschreibt dies mit einem Wort: „brutal“. Blumbergs höchstgelegener Ortsteil liegt genau auf der B-27 Transitachse von Norden in die Schweiz als Alternative zur Autobahn 81 Stuttgart-Singen. Täglich dröhnen mehrere Tausend Fahrzeuge, darunter viel Schwerverkehr, durch Randen. Zum Teil sei der Verkehrslärm so hoch, „dass wir uns auf dem Balkon laut unterhalten müssen, um uns zu verstehen.“ Es beginne um fünf Uhr morgens, und am Sonntag um 22 Uhr. In zehn Minuten habe er 180 Fahrzeuge gezählt. Schon 1938 wurde der Ruf nach einer Umfahrung laut, getan hat sich nach Meinung von Ewald Weh bislang wenig, wenngleich die Umfahrung Randen im Zuge des Ausbaus der B 27 von Donaueschingen bis zur Schweizer Grenze seit zwei Perioden im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans steht. „Es wird geschwätzt und geschwätzt, dann kommt der Verkehrsminister und gemacht wird nichts.“ Bis Enden 2020 sollte die technische Planung eigentlich fertig sein. Doch die Karten werden neu gemischt. Zum Jahreswechsel wechseln von der Straßenbauverwaltung des Regierungspräsidiums Freiburg 170 in die neu gegründete Autobahngesellschaft des Bundes, für die Planung Randen gibt es „eine komplett neue Projektmannschaft“, hieß es in Freiburg auf Anfrage. Die Planung werde sich dadurch verzögern. Ewald Weh kommentiert das so: „Damit habe ich gerechnet.“

Umfahrung Behla

Ein Bild, das vor zwei Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Denn die Straße, auf der der Behlaer Ortsvorsteher Christoph Martin ...
Ein Bild, das vor zwei Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Denn die Straße, auf der der Behlaer Ortsvorsteher Christoph Martin steht, war damals noch die starkbefahrene Bundesstraße 27. | Bild: Jakober, Stephanie

Ein paar Kilometer weiter nördlich, kann man sich noch gut erinnern, wie es ist, wenn die Bundesstraße 27 den Ort in zwei Teile schneidet. „Morgens stand man da gerne mal zehn Minuten, bis man wirklich links abbiegen könnte“, blickt Christoph Martin, Ortvorsteher von Behla, zurück. Mehrere Jahrzehnte hat der Hüfinger Ortsteil für eine Umfahrung gekämpft. Erste Planungen wurden bereits Ende 1960er-/Anfang 1970er-Jahre gemacht. Der Gemeinderat der seinerzeit noch selbstständige Gemeinde Behla vertrat mehrheitlich die Interessen von Land- und Gastwirten. Erstere wollten keine landwirtschaftlichen Flächen für den Straßenbau abgeben und Behlas Gastronome fürchteten um ihre Geschäfte, sollte der Verkehr am Ort vorbei geführt werden. Doch die Zeiten änderten sich und 2003 wurde die Orstumfahrung im Bundesverkehrswegeplan als „vorrangig“ eingestuft. Doch es sollte noch bis zum 13. Mai 2016 dauern, bis der Spatenstich stattfinden konnte. Das lag damals nicht nur an den Planungen und den Gesprächen mit den Landwirten, die Flächen abgeben mussten, sondern auch an der Landespolitik. Denn obwohl der Bund Geld bereit gestellt wurde, wurde vom Land nicht alle Straßenbaumittel abgerufen. In Behla wuchs damals die Frustration ins Unermessliche: Wie kann es sein, dass die Pläne fertig sind und das Geld da ist und immer noch nicht gebaut werden kann? Heute ist in Behla Ruhe eingekehrt – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Denn der Durchgangsverkehr fährt seit dem 17. Dezember 2018 um das 470-Einwohner-Dorf herum. Was hat sich seither geändert? So ziemlich alles. „Es ist nicht nur ruhiger geworden, weil wir keinen Verkehrslärm mehr haben, sondern die Menschen sind auch ruhiger geworden“, erklärt Martin. Schließlich stresse es auch ungemein, wenn jedes Linksabbiegen im Dorf viel Zeit braucht. Das Stresslevel sei niedriger. Und mit dem verschwunden Verkehr hat in Behla auch die Ortskernentwicklung begonnen. „Wir sind schon kräftig an den Planungen und können diese wohl im Frühjahr vorstellen.“ Und die Bautätigkeit hat ebenfalls zugenommen, Anwohner an der Ortsdurchfahrt planen Sanierungen. Und Befürchtungen, dass mit dem Durchgangsverkehr auch die Gäste für die Behlaer Gastronomie fern bleiben, sind nicht eingetroffen. Martins Mutter Lydia betreibt den Kranz – Hotel, Landgasthof, Metzgerei. „Meine Mutter hat bei den Zimmern seit der Ortsdurchfahrt richtig zugelegt.“ Und heute sei es bei Weitem nicht mehr so, dass Autofahrer einfach irgendwo zum Mittagessen am Straßenrand halten. Wer essen geht, der fahre gezielt irgendwohin. Selbst der Dönerladen an der Ortsdurchfahrt leidet nicht.