Für die Werkrealschulen in Baden-Württemberg ist es ein Paukenschlag: Die Landesregierung von Grünen und CDU will den Werkrealschulabschluss wieder abschaffen.

Schülerinnen und Schüler, die im kommenden Schuljahr in die fünfte Klasse starten, sollen der letzte Jahrgang sein, der den Werkrealschulabschluss absolvieren kann. So schreibt es das Kultusministerium auf seiner Internetseite.

Bisher ein gleichwertiger Abschluss

2030 dürften somit die letzten Prüfungen stattfinden. Den Abschluss können Jugendliche an Werkrealschulen derzeit am Ende von Klasse 10 erwerben. Er ist gleichwertig zum Realschulabschluss.

Große Überraschung an der Eichendorffschule

In Donaueschingen stellt der Beschluss insbesondere die Eichendorffschule vor viele offene Fragen. Heiko Keller, Konrektor und aktuell Leiter der Grund- und Werkrealschule, wurde nach eigener Aussage per Mail über die Entscheidung der Landesregierung informiert. Das sei wahrscheinlich einige Tage vor den ersten Meldungen in der Presse gewesen. Mit dem Beschluss gerechnet habe er nicht, sagt Keller: „Mich hat die Entscheidung überrascht – das ganze Kollegium hat die Entscheidung überrascht.“ Über ihre Hintergründe wolle er nicht spekulieren.

„Ich persönlich halte die Werkrealschule für ein Erfolgsmodell und finde es schade, dass es diese Schulform in Zukunft nicht mehr geben ...
„Ich persönlich halte die Werkrealschule für ein Erfolgsmodell und finde es schade, dass es diese Schulform in Zukunft nicht mehr geben soll.“Heiko Keller, Konrektor und Schulleiter der Eichendorffschule | Bild: Silvia Bächle

Für Katja Fox, Rektorin der Donaueschinger, hatte sich der Beschluss dagegen angebahnt: „Ich könnte jetzt nicht unbedingt sagen, dass ich total überrascht war.“ Sie hätte bereits zuvor „aus verschiedenen Quellen“ gehört, „dass sich etwas tut“, so Fox, die auch in der Fortbildung arbeitet und sich im Verband Bildung und Erziehung (VBE) engagiert.

Mehr Übersichtlichkeit oder weniger Kosten?

Offiziell will das Kultusministerium das Schulsystem mit dem Ende des Werkrealschulabschlusses vereinfachen. So schreibt es auf seiner Internetseite: „Baden-Württemberg hat deutschlandweit das am meisten zergliederte Schulsystem. Den Werkrealschul-Abschluss gibt es nur bei uns im Land – und er wird von Schülerinnen und Schülern immer seltener gewählt.“

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Realschulrektorin Fox vermutet jedoch, dass der Beschluss mit der Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums (G9) in Verbindung steht. Diese Umstellung koste viel Geld, das dann an anderer Stelle eingespart werden müsse, so Fox. Das Gymnasium verfüge dabei schlicht über die beste Lobby. Das sage sie „ganz ohne Wertung“, betont die Rektorin.

Der Zeitpunkt sei denkbar ungünstig

Aus ihrer Sicht ist der Zeitpunkt der Wiedereinführung des G9 aber denkbar ungünstig gewählt: „Ich finde, das kommt zu einer Unzeit – auch wenn das keine populäre Meinung ist.“ Schließlich klemme es im Bildungssystem derzeit finanziell sowieso an allen Ecken und Enden.

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Über die Abschaffung des Werkrealschulabschlusses sei sie „nicht gerade happy“, so Fox. Sie sieht den großen Vorteil der Werkrealschulen darin, dass die Schülerinnen und Schüler den mittleren Bildungsabschluss so an einer Schule machen können, an der sie sich bereits eingewöhnt haben – noch dazu in der gleichen Zeit wie an einer Realschule.

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Zugleich sei die Betreuung etwas anders: „An Haupt- oder Werkrealschulen ist es oft so, dass Schüler sehr eng geführt werden durch die Klassenlehrer, die motivieren und das ganz gut machen können.“ Die Abschaffung bedauere sie insbesondere für die Eichendorffschule, die aus ihrer Sicht gut laufe: „Sie sind wohl die größten Verlierer.“

„An Haupt- oder Werkrealschulen ist es oft so, dass Schüler sehr eng geführt werden durch die Klassenlehrer, die motivieren und das ganz ...
„An Haupt- oder Werkrealschulen ist es oft so, dass Schüler sehr eng geführt werden durch die Klassenlehrer, die motivieren und das ganz gut machen können.“Katja Fox, Rektorin Realschule | Bild: Katja Fox / Realschule Donaueschingen

Die Enttäuschung im Kollegium der Eichendorffschule sei groß, bestätigt Heiko Keller. „Ich weiß nur, dass wir als Schule einen guten Job machen.“ Viele Lehrkräfte hätten nun das Gefühl, dass „die persönliche gute Arbeit nicht wertgeschätzt wurde“.

Kommt eine Gemeinschaftsschule?

Völlig unklar ist aus Sicht des Konrektors auch, wie es nun mit dem weiterführenden Teil der Eichendorffschule weitergeht. Grundsätzlich seien verschiedene Lösungen denkbar: Die Schule könnte sich zur Gemeinschaftsschule entwickeln, einen Verbund mit der Realschule bilden oder zur Hauptschule werden.

Noch sind viele Fragen offen

Laut Keller treffen die Entscheidung Stadt, Schulamt, Real- und Eichendorffschule gemeinsam. „Ich würde mich natürlich freuen, wenn wir weiter bestehen bleiben, aber da möchte ich mich nicht aus dem Fenster lehnen.“ Keller zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass dabei „eine tragfähige Lösung“ gefunden werden könne.

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Auch Katja Fox von der Realschule sieht den Zeitpunkt für Spekulationen über einen möglichen Verbund von Eichendorff- und Realschule noch nicht gekommen. Dafür seien zu viele Fragen bezüglich der Entscheidung der Landesregierung offen. Beide Schulen müssten nun erst einmal auf weitere Informationen warten „und dann gucken: Wie kann man es umsetzen“, meint Fox. Das habe sie inzwischen gelernt.