Bei der Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl diskutierten die Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Heinrich Alexandra Hermann (Linke), Thorsten Frei (CDU), Mark Hohensee (FDP) sowie Marin Juric (Grüne), Sebastian van Ryt (AfD) und Derya Türk-Nachbaur (SPD) über die Themen Wirtschaft, Migration sowie Verkehr und Klimaschutz.

Hier können Sie die Podiumsdiskussion nachträglich verfolgen. Dabei fielen neben Aussagen auch Daten und Fakten – doch stimmen diese auch? Wir haben einige Aussagen der Teilnehmer unter die Lupe genommen.

Themenblock Wirtschaft

Sebastian van Ryt, AfD: „Was man mit der Zuwanderung die letzte Zeit erreicht haben, sehen wir. Beispiel Afghanistan, bald 50 Prozent ist nicht mehr auf einem Grundschulniveau, da reden wir nicht mehr von Fachkräften.“ (ab Minute 31:14)

Teilweise richtig: Die Alphabetisierungsrate in Afghanistan liegt insgesamt bei 43 Prozent. 56 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen im
Alter von 15 Jahren und darüber sind schreib- und lesekundig (Schätzungen aus 2018). Die Informationen stammen vom European Country of Origin Information Network aus dem Jahr 2020.

Sebastian van Ryt (AfD).
Sebastian van Ryt (AfD). | Bild: Hans-Jürgen Götz

Sebastian van Ryt, AfD: „Durch die ganzen Insolvenzen werden Fachkräfte frei. Wenn ich sehe, wie die Kriminalstatistik explodiert, dann sind das keine Fachkräfte, sondern das ist eine Gefahr.“ (ab Minute 31:30)

Teilweise richtig und teilweise falsch: Inmitten der Konjunkturflaute steigt die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland weiter kräftig. Für Dezember 2024 verzeichnet das Statistische Bundesamt 13,8 Prozent mehr angemeldete Insolvenzverfahren als im Vorjahreszeitraum. Im Gesamtjahr 2024 ergibt sich damit ein Anstieg um 16,8 Prozent zum Vorjahr.

Zwar werden durch Insolvenzen grundsätzlich Fachkräfte frei, allerdings würden diese laut Ingenium schnell einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Dennoch fehlten zwischen Juli 2021 und Juli 2022 in Deutschland über alle Berufe hinweg 537.923 qualifizierte Arbeitskräfte. Das geht aus einer Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft Köln (IW) hervor, die Ingenium aufgreift.

Zur Kriminalstatistik verzeichnet das Bundeskriminalamt folgende Zahlen: Von 2022 auf das Jahr 2023 stiegen die Fallzahlen um 5,5 Prozent an. Dabei sind es 5.628.584 Fälle in 2022 und 5.940.667 Fälle in 2023. Betrachtet man die Fallzahlen im Langzeitvergleich, sind sie 2023 auf dem höchsten Stand seit dem Berichtsjahr 2016.

Als zentrale Faktoren gibt das BKA zum einen an, dass erhöhte Mobilität mehr Tatanlässe und -gelegenheiten bietet. Zweitens seien auch wirtschaftliche und soziale Belastungen ein Faktor. Und drittens sieht das BKA auch die Migration als Grund an: „Dies legt nahe, dass die Anstiege von Kriminalität (besonders bei nichtdeutschen Tatverdächtigen) mit den besonderen Bedingungen, die mit dem Wanderungsgeschehen verknüpft sind, einhergehen.“

Thorsten Frei (CDU).
Thorsten Frei (CDU). | Bild: Hans-Jürgen Götz

Thorsten Frei, CDU: „Es ist beispielsweise so, dass bei den Syrern, die in Deutschland sind und größtenteils seit 2015/16/17 zu uns gekommen sind, der Anteil derer, die auf Bürgergeld angewiesen ist, bei 55 Prozent liegt.“ (ab Minute 34:31)

Richtig: Die Beschäftigungsquote von Syrern liegt gemäß Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge bei 42 Prozent. Dazu kämen noch die Selbstständigen, die noch mal etwa drei bis vier Prozentpunkte ausmachten. Im Ergebnis ist also etwas weniger als die Hälfte der Syrer im Alter zwischen 15 und 64 in Arbeit. Die Erwerbstätigenquote syrischer Männer habe sich dem Durchschnitt der männlichen Bevölkerung in Deutschland bereits stark angenähert, heißt es. Diese liegt laut Statistischem Bundesamt bei rund 80 Prozent.

Marin Juric (Grüne) und Derya Türk-Nachbaur (SPD).
Marin Juric (Grüne) und Derya Türk-Nachbaur (SPD). | Bild: Hans-Jürgen Götz

Derya Türk-Nachbaur, SPD: „Studien sagen, wir brauchen circa 300.000 bis 400.000 Menschen Nettozuzug jedes Jahr, damit wir den Wohlstand, den wir momentan hier haben, halbwegs aufrechterhalten können.“ (ab Minute 36:55)

Richtig: Nur mit einer jährlichen Nettozuwanderung von 400.000 Personen bliebe das Arbeitskräfteangebot bis 2060 nahezu konstant. Das geht aus einer am 23.11.2021 veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.

Marin Juric: „Bis 2030 fehlen uns circa fünf Millionen Fachkräfte, bis 2050 sogar 15 Millionen.“ (ab Minute 40:23)

Teilweise richtig: Deutschland könnten bis zum Jahr 2030 rund fünf Millionen Fachkräfte fehlen, weil Hunderttausende mehr in den Ruhestand gehen, als Arbeitskräfte nachrücken. Das zeigt eine Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Eine Quelle zu der Aussage, dass bis 2050 sogar 15 Millionen Fachkräfte fehlen würden, haben wir nicht gefunden. Nur die ‚Welt‘ erwähnte bereits 2015 Folgendes: „Zur Mitte des Jahrhunderts droht ein globaler Mangel an Arbeitskräften. Allein Deutschland könnte 15 Millionen Erwerbsfähige verlieren.“

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Themenblock Migration

Derya Türk-Nachbaur, SPD: „Die Zahl der Asylsuchenden ist um 40 Prozent gesunken, die Zahl der Rückführungen ist gestiegen.“ (ab Minute 52:40)

Richtig: Laut einem Beitrag des SWR und Angaben des Ministeriums für Justiz und Migration ist die Anzahl der Asylantragsteller in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr um etwa 40 Prozent gesunken. Im Jahr 2024 seien 22.105 Asylantragsteller (2023: 36.319) registriert worden, teilte das Ministerium für Justiz und Migration mit, zudem ist die Anzahl der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen um etwa 43 Prozent gestiegen.

Thorsten Frei, CDU: „Es ist eben eine gewaltige Herausforderung, dass in den letzten vier Jahren etwa drei Millionen Menschen zu uns gekommen sind.“ (ab Minute 56:40)

Richtig: Für das Jahr 2023 gibt das Statistische Bundesamt eine Nettozuwanderung von 662.964 Personen an. Vergleichend mit 2022 waren es rund 1,46 Millionen und im Jahr rund 329.000 Personen. Weil hier die Zahlen für 2020 fehlen, ist es aber realistisch, dass es rund drei Millionen Nettozuwanderer in den vergangenen vier Jahren waren.

Thorsten Frei, CDU: „Diese Menschen treffen auf ein Land, das heute schon eine angespannte Infrastruktur hat. Wo etwa 400.000 Kitaplätze fehlen, wo etwa 800.000 Wohnungen fehlen, wo etwa 25.000 Lehrerstellen nicht besetzt werden.“ (ab Minute 57)

Teilweise richtig: Laut Bertelsmann Stiftung fehlen in Deutschland, vor allem im Westen, rund 430.000 Kita-Plätze. In einem Artikel schrieb zudem die ‚Süddeutsche Zeitung‘, dass Experten schätzen, dass in der Bundesrepublik fast 800.000 Wohnungen fehlen. Laut einem „Tagesschau‘-Beitrag und einer Umfrage der Kultusministerien waren im September 2023 knapp 14.500 Vollzeitstellen für Lehrer unbesetzt.

Themenblock Verkehr und Klimaschutz

Sebastian van Ryt, AfD: „Den Klimawandel gibt es, aber der Einfluss des menschengemachten Klimawandels ist so gering auf die Auswirkungen der Brände (in Los Angeles, Anm. der Redaktion), dass das einfach nicht sein kann.“ (ab 1:24:47)

Falsch: Laut einem Bericht der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg verstärkt der Klimawandel, bedingt durch die steigenden Temperaturen und Hitzewellen, Waldbrände: „Analysen zeigen, dass von 1984 bis 2015 auf Grund des Menschen gemachten Klimawandels doppelt so viel Waldflächen im Westen der USA abgebrannt sind, wie es ohne die Auswirkungen des Klimawandels der Fall gewesen wäre.“

Bild 4: Fakten-Check zu Kandidatenaussagen bei SÜDKURIER-Wahlarena
Bild: Hoffmann, Florian