Wie soll die Wirtschaftspolitik der kommenden vier Jahre gestaltet werden? Das war das beherrschende Thema in der Wahlarena des SÜDKURIER in der Neuen Tonhalle in VS-Villingen. Die Bundestagskandidaten für den Schwarzwald-Baar-Kreis erläuterten am Montagabend, 20. Januar, ihre Ideen gegen Fachkräftemangel und mehr für mehr finanzielle Gerechtigkeit.
Denise Kley, Leiterin der Redaktion Donaueschingen, moderierte diese Themenrunde. Sie stieg mit der Frage ein, wie die Kandidaten – im Falle ihrer Wahl in den Bundestag – das Ruder herumreißen wollen.

FDP will Bürokratie abbauen
Für Mark Hohensee von der FDP lag die Antwort auf der Hand: Bürokratieabbau. „Wir verschwenden jede Menge Arbeitskraft, indem wir einen Haufen Papier produzieren, das niemand mehr liest“, kritisierte er.
Außerdem sollten Unternehmensgründungen schneller vonstattengehen. „Wir sind als Staat super langsam darin, Dinge anzustoßen.“ Im Hinblick auf Infrastruktur sei Deutschland hintendran. „Wenn man keine Infrastruktur hat, kann man auch nichts Neues dazu entwickeln.“
CDU lehnt Subventionen ab
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei stellte in den Raum, dass Deutschland in das dritte Rezessionsjahr in Folge gehe. Es sei der falsche Weg zu versuchen, eine schlechte Wirtschaftspolitik auszugleichen, indem einzelne Branchen oder sogar Unternehmen subventioniert würden.
Es brauche weiterhin mehr Leistungsgerechtigkeit. „Jemand, der arbeitet, muss am Ende mehr Geld in der Tasche haben, als jemand, der nicht arbeitet“, sagte Frei. Das sei über eine Einkommenssteuerreform zu erreichen, die kleine Einkommen entlaste.
SPD sieht Potenzial bei Frauen
SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur sieht einige Herausforderungen im Wahlkreis Schwarzwald-Baar, um die Wirtschaft auf Vordermann zu bringen. Sie verwies auf das Thema Arbeits- und Fachkräftemangel. Wenn sie ein Unternehmen besuche, dann höre sie häufig: ‚Wir sind gut aufgestellt, unsere Auftragslage ist super – aber uns fehlt das Personal.“
Die SPD wolle Arbeitskräfte wieder auf den Markt bringen. Großes Potenzial sieht die Kandidatin bei gut ausgebildeten Frauen, die aber nicht berufstätig seien, sowie in der Weiterbildung.
AfD verweist auf Insolvenzen
Sebastian van Ryt, der Bundestagskandidat der AfD, stimmte Thorsten Frei prinzipiell zu. Was die CDU verspreche, hätte sie jedoch schon lange umsetzen können, kritisierte er. Zum Fachkräftemangel sagte Van Ryt: „Wir haben so viele Insolvenzen. Das Personal ist da. Das sind Fachkräfte, die gerade arbeitslos werden“, so seine Einschätzung.
„Außerdem muss eine günstige Energie her.“ Denn das sei zusammen mit der Bürokratie der Grund, dass Unternehmen abwandern.
Grüne setzen auf Wandel der Autoindustrie
Marin Juric sagte für die Grünen: „Wir stehen für den Wandel.“ Seine Partei habe schon von jeher davor gewarnt, dass es mit einem Weiter so nicht funktionieren könne. Schon 2025 könne es so weit sein, dass China mehr Elektroautos nach Deutschland exportiert als umgekehrt. „Unsere Automobilindustrie muss sich wandeln und anpassen“, forderte Juric.
Ebenfalls wichtig für die Unternehmen: Die Regenerativen seien die günstigsten Energieformen, auf die müsse Deutschland setzen. Kohle und Gas seien hingegen teuer.
Linke will Kaufkraft über Löhne steigern
Heinrich Alexandra Hermann von der Linken brachte beim Fachkräftemangel das Thema zugewanderte Fachkräfte ins Spiel. „Wir haben im Landkreis viele Beispiele von Menschen, die sich gut integriert haben und doch rausgeschmissen wurden, weil irgendeine Kleinigkeit bürokratisch nicht so ganz gestimmt hat“, kritisierte Hermann.
Generell sei es wichtig, den Menschen durch entsprechende Löhne zu zeigen, dass sie gebraucht werden und ihre Arbeit etwas wert sei. Ohne die nötige Kaufkraft könne das Angebot so groß sein, wie es wolle, die Nachfrage sei dann eben trotzdem nicht groß genug.

Ist Migration die Lösung?
Denise Kley vertiefte nach dieser Fragerunde noch mal das Thema Fachkräftemangel. Könnte Zuwanderung eine Lösung sein?
„Was wir mit Zuwanderung erreicht haben, das sehen wir ja“, sagte Sebastian van Ryt (AfD). Die Hälfte der Flüchtlinge aus Afghanistan sei bei der Bildung auf Grundschulniveau. „Da reden wir nicht von Fachkräfteniveau.“
Thorsten Frei sah das anders. Er sei überzeugt, dass es angesichts einer alternden Gesellschaft auch eine Zuwanderung von außerhalb Europas brauche.
„Aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt stattfindet und nicht in die sozialen Transfersysteme.“ Deutschland habe nie wirklich getrennt zwischen Flucht- und Arbeitsmigration.
Was für Zuzug spricht
Laut Derya Türk-Nachbaur (SPD) zeigen Studien, dass es in Deutschland einen jährlichen Zuzug von bis zu 400.000 Personen brauche, um den Wohlstand aufrechterzuhalten. Im Zuge der Transformation entstünden auch neue Berufsbilder, so Türk-Nachbaur. „Allein in der Solarindustrie werden – Stand jetzt – über 200.000 Fachkräfte gesucht.“
Marin Juric (Grüne) geht davon aus, bis 2050 im Land 15 Millionen Fachkräfte fehlen werden. „Die Boomer-Generation geht in Rente und darauf müssen wir reagieren.“ Das ginge am besten über Zuwanderung. Zudem sei es wichtig, vorhandene Arbeitskräfte im Land zu halten.

Deutschland wolle die besten Köpfe der Welt haben, sagte Mark Hohensee (FDP). „Die suchen wir.“
Kandidaten wollen Fachkräfte im Land halten
FDP-Kandidat Hohensee fragte sich, warum 250.000 Arbeitskräfte jedes Jahr Deutschland verlassen. Er verwies auf die Nähe zur Schweiz. „Da müssen wir doch an das Thema ran: wieder mehr Netto vom Brutto.“
Es müsse dafür gesorgt werden, dass Menschen, in deren Ausbildung Geld investiert worden sei, nicht gingen.
Liegt es an ungerechten Löhnen?
„Wenn die Löhne nicht stimmen, ist klar, dass die Fachkräfte sich einen Ort suchen, wo sie bessere Löhne bekommen“, befand Heinrich Alexandra Hermann (Linke). „Und die Frage, wie wir unsere Fachkräfte dabehalten, ist unter anderem darauf basiert.“
Außerdem sei es die Frage, ob es gerecht sei, wenn Manager eine Batzen aufs Gehalt obendrauf bekommen, nur weil sie ihre Arbeit erfolgreich erledigt haben. Eine Umverteilung würde auch die Arbeit in Deutschland für Zuwandernde attraktiver machen.
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