Telefonisch in einer Frauenarztpraxis durch zu kommen, das ist nicht immer einfach. Manchmal dauert es nur etwas, manchmal erklärt eine Stimme vom Band, das heute zu viel los sei und Termin-Zu- oder Absagen bitte per Email erfolgen sollen.
„Ich sage immer, dass wir eigentlich eine zweite Telefonleitung bräuchten, bei der Menge an Leuten, die anruft“, sagt Frauenärztin Isabelle Kiefer-Schmidt. Gemeinsam mit Verena Josef arbeitet sie in einer Gemeinschaftspraxis in Mönchweiler. Und die derzeitige Situation liegt ihr am Herzen – genauer: das sich daran etwas ändert.
Die Rede ist davon, dass Facharztpraxen keine Patienten mehr aufnehmen können, weil die Kartei bereits aus allen Nähten platzt: „Die Patienten stehen in der Praxis und fragen, ob sie zu uns kommen können“, erklärt Kiefer-Schmidt. Seit vielen Jahren sei man hochgradig ausgelastet. Kein guter Zustand: „Nicht für uns selbst, auch nicht für die Patienten.“
Ein bundesweites Problem
Das, so sagt die Frauenärztin, sei ein großes bundesweites Problem. Es gebe immer wieder Bestrebungen, etwas dagegen zu unternehmen, das zerlaufe dann: „Ich sehe das leider pessimistisch, die Situation wird schlechter. Gründe dafür gebe es einige.

Darunter etwa die Bedarfsplanung für die Ärzteversorgung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV): „Die Berechnungsgrundlage ist ein Konstrukt aus den 1990er-Jahren. Die vorgibt, wie wir versorgt werden. Allerdings haben wir heute eine andere Situation. Hier herrscht bei der KV eine Wahrnehmungsblockade“, sagt Isabelle Kiefer-Schmidt.
Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind aktuell zwei Praxissitze für Frauenärzte ausgeschrieben, zumindest einer davon wohl für Villingen. Wie die Chancen auf eine Besetzung aussehen? „Über die Chancen, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden, können wir keine Einschätzung abgeben. Das hängt von viel zu vielen Faktoren ab“, sagt Kai Sonntag, Pressesprecher der KV Baden-Württemberg. Aus Ärztesicht allerdings eher düster.

Dabei spiele der demografische Faktor eine Rolle „Immer mehr Kollegen gehen in den Ruhestand und es kommt kein Ersatz nach.“ Das sieht auch Birgit Müller so. Sie hat ihre Praxis in der Donaueschinger Karlstraße. Sie ist unter anderem spezialisiert auf pränatale Ultraschalldiagnostik. „Für Kollegen die in den letzten Jahren aufgehört haben, haben sich keine Nachfolger gefunden“, so Müller. Das sorge für mehr Druck, die Patienten-Versorgung gewährleisten zu können. Mit jedem Kollegen verschärfe sich die Situation noch.
Was sagt die Kassenärztliche Vereinigung?
Dabei bekommt Müller aufgrund ihrer Zusatzqualifikationen Patienten aus dem gesamten Kreisgebiet von ihren Kollegen: „Ich habe eine spezielle Ausbildung, mit der in Deutschland etwa 600 Leute aktiv sind.“ Vor 18 Jahren hat sie die Donaueschinger Praxis übernommen und zum Schwerpunkt ausgebaut. „Jüngere Kollegen die das machen, bleiben an den Universitätskliniken oder in Spezial-Praxen in Großstädten“, erklärt Müller.
Das bedeutet jedoch auch: Wenn sie in den Ruhestand geht, dann wird es für diese spezielle Form schwierig, eine Nachfolge zu finden: „Das ist wohl unmöglich.“
Bis zu 70 Stunden die Woche
Das liege aber auch daran, dass jüngere Kollegen die Bereitschaft nicht mehr so groß sei, eine solche Praxis im ländlichen Raum zu übernehmen. Birgit Müller hat dafür auch Verständnis: „Eine Praxis ist ein Unternehmen. Ich arbeite bis zu 70 Stunden die Woche. Zehn bis elf Stunden am Tag kümmere ich mich um die Patienten, danach kommt noch die Schreibtischarbeit.“ Dann werden Akten gesichtet, Bürokratie abgearbeitet. Diese Arbeit sehe allerdings keiner mehr.
So gehe der Arbeitstag meist etwa von 8 Uhr morgens bis 22 Uhr. „Die Pränataldiagnostik ist sehr zeitaufwändig und geht nicht im Schnelldurchlauf“, so Müller. Werde man dann genötigt, mehr zu behandeln, dann leide die Qualität. „Das ist jedoch ein Problem, dass wir Ärzte nicht allein lösen können. Das ist eine politische Frage.“
Und auch eine finanzielle: „Es gibt eine Pauschale für einen Arztbesuch. Ich bin keine Polemikerin, aber wir arbeiten zu Dumpingpreisen.“ Ein Handwerker werde für jeden Auftrag bezahlt, „wenn jemand schon zuvor bei einem anderen Arzt war, ist die Pauschale weg“, sagt Kiefer-Schmidt.
„Eine steinalte Gebührenordnung“
Als Arzt werde man budgetiert, „wenn ich über meinen Schnitt komme, dann werde ich dafür nicht bezahlt.“ Während der Pandemie sei das anders gehandhabt worden: „Es musste ja schnell und viel geimpft werden. Dafür ist es dieses Jahr wieder weniger.“ Die Gebührenordnung sei „steinalt.“ Und auch die Ärzte haben mit steigenden Kosten zu kämpfen: „Auch wir zahlen mehr für Energie, haben Personal, das wir bezahlen.“
Der Verdienst sei drastisch geringer: „Momentan überlege ich mir, die Zulassung abzugeben. Ich stehe zum System und dem Solidar-Prinzip. Aber wir sind ein bisschen die Doofen“, sagt Kiefer-Schmidt. Das, so sagt sie, überlegen sich viele.
Dass eine adäquate Versorgung besteht, die Ärzte entsprechend bezahlt werden, „das wird Geld kosten.“ Es ist ein Weg, den man „mit Augenmaß“ gehen müsse. Derweil breite sich das Versorgungs-Problem jedoch weiter aus – „und das System bricht zusammen.“
Wie es trotzdem gelingt, weiterzumachen?
„Meine Motivation beziehe ich daraus, dass mein Beruf auch meine Berufung ist“, erklärt Birgit Müller. Sonst könnte sie das Pensum nicht leisten. „Ohne meine exzellenten Mitarbeiterinnen könnte ich es auch nicht machen.“ An kompetentem medizinischem Fachpersonal gebe es auch einen Mangel: „Und man darf nicht vergessen, dass man den Mitarbeitern in einer Praxis auch nicht unendlich viel zumuten kann.“
Wie sich die Situation im Laufe der Zeit entwickelt habe, das mache Birgit Müller „sehr betroffen.“ Dass die jüngere Generation allerdings nicht an einer 70-Stunden-Woche interessiert sei, „das kann ich verstehen.“