Am Fasnachtsmontag und -dienstag herrschte sehr großer Andrang in der Notaufnahme des Schwarzwald-Baar-Klinikums. Und das lag laut Klinikum nicht nur an Alkohol und Schlägereien, wie das leider an diesen Tagen offenbar zur Normalität gehört.

Auch die niedergelassenen Ärzte trügen daran eine Mitverantwortung, wie das Klinikum in bemerkenswerter Offenheit auf Anfrage des SÜDKURIER mitteilte.

Laut der Pressesprecherin des Klinikums, Sandra Adams, lag der große Patientenandrang in der Notaufnahme insbesondere daran, dass viele Hausarztpraxen an diesen Fasnachtstagen geschlossen hatten. „Die übrig gebliebenen Vertretungs-Praxen konnten nicht alle Notfälle annehmen“, erklärte Adams.

Situation nicht abgefedert

Zusätzlich sei diese Situation nicht durch die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) abgefedert worden.

Die gemeinsame Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte, die dort üblicherweise abwechselnd abends und am Wochenende Notfallpatienten versorgen, hatte schlicht geschlossen – „anders als in der Vergangenheit“, so Adams.

„Die übrig geblieben Vertretungs-Praxen konnten nicht alle Notfälle annehmen“, sagt Sandra Adams, Sprecherin des ...
„Die übrig geblieben Vertretungs-Praxen konnten nicht alle Notfälle annehmen“, sagt Sandra Adams, Sprecherin des Schwarzwald-Baar-Klinikums über die Situation in der Notaufnahme. | Bild: Schwarzwald-Baar-Klinikum

Der Frust ist demnach nicht nur bei den Patienten groß, die lange Wartezeiten auf sich nehmen müssen. Auch innerhalb der medizinischen Versorgung gibt es Kritik an den Öffnungszeiten der Notfallpraxis.

Notaufnahme oder Notfallpraxis?

Dazu muss man wissen, dass die Notaufnahme des Klinikums vor allem für schwerer erkrankte und verletzte Patienten gedacht ist, die möglicherweise aufwändiger behandelt werden müssen und vielleicht sogar einen Krankenhausaufenthalt brauchen.

Die Notfallpraxis ist die Anlaufstelle für leichtere Fälle, die unter der Woche auch erst einmal den Hausarzt oder Facharzt aufsuchen würden. Und zwar aktuell nur noch mittwochs 18 bis 20 Uhr, freitags 16 bis 20 Uhr sowie samstags, sonntags und an Feiertagen von 9 bis 19 Uhr.

Das sind die aktuellen Öffnungszeiten der Notfallpraxis in Villingen-Schwenningen, wie sie auf der Website der Kassenärztlichen ...
Das sind die aktuellen Öffnungszeiten der Notfallpraxis in Villingen-Schwenningen, wie sie auf der Website der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg bei der Ärztesuche zu finden sind. | Bild: Screenshot kvbawue.de

Nun hat die KV-Praxis aber seit Oktober 2023 nur noch reduzierte Öffnungszeiten und ist nur an wenigen Tagen in der Woche erreichbar. Denn nach einem Gerichtsurteil schrumpfte der Pool von verfügbaren Ärzten abrupt.

Marburger Bund kritisiert Kassenärzte

Auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund Baden-Württemberg ärgert sich über die Situation in den Notaufnahmen. Sprecher Michael Beck erklärte, dass der Marburger Bund bereits im Dezember die KVBW aufgefordert habe, die Einschränkungen im Notdienst zurückzunehmen.

Die Belastungen in den Krankenhäusern in Baden-Württemberg seien enorm gestiegen.

Die Gewerkschaft hatte eine Umfrage beim Personal in Notaufnahmen in Baden-Württemberg vorgenommen. Dabei gaben etwa 70 Prozent an, dass sich das Patientenaufkommen dort seit Beginn dem Urteil erhöht hat.

Der Großteil von diesen Patienten sei jedoch aus Sicht der Ärzte ein klarer Fall für den Haus- oder Facharzt.

KVBW sieht keine Probleme in der Versorgung

Aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung haben die aktuellen Öffnungszeiten der Notfallpraxis allerdings keine Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung im Kreis: „Die Notfallpraxen sind keine verlängerte Sprechstunde“, erklärte Kai Sonntag, Sprecher der KVBW.

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Stattdessen solle der ärztliche Bereitschaftsdienst nur Überbrückungsbehandlung akuter Beschwerden leisten, bis die Patienten bei ihrem Hausarzt die vollständige Behandlung erhalten, so Sonntag.

Der ärztliche Notdienst, zu dem auch die Notfallpraxis zählt, sei in erster Linie für Wochenenden und Feiertage gedacht, berichtete der KVBW-Sprecher.

Keine Ausnahmen an der Fasnacht

Das sei auch in der Fastnacht der Fall: „Der Rosenmontag oder der Faschingsdienstag ist ein normaler Arbeitstag. Zuständig für die Versorgung sind tagsüber die Haus- und Facharztpraxen“, so Kai Sonntag.

„Der Rosenmontag oder der Faschingsdienstag ist ein normaler Arbeitstag. Zuständig für die Versorgung sind tagsüber die Haus- und ...
„Der Rosenmontag oder der Faschingsdienstag ist ein normaler Arbeitstag. Zuständig für die Versorgung sind tagsüber die Haus- und Facharztpraxen“, erklärt Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. | Bild: Juergen Altmann

So dürfe die KVBW die Notfallpraxen aufgrund der Notfalldienstordnung nicht an der Fastnacht öffnen.

Daher sei die Praxis auch am Fastnachtsmontag und -dienstag nur in wenigen Fällen geöffnet gewesen: „Das gab es bis vor einigen Jahren einmal, zuletzt 2020, seitdem nicht mehr“, sagte der Sprecher.

Vielmehr sei es laut Sonntag die Aufgabe der Haus- und Fachpraxen, eine Vertretung zu organisieren, wenn sie schließen müssen. Dazu sind die Ärzte sogar verpflichtet.

KVBW organisiert nicht nur Notfallpraxen

Der ärztliche Bereitschaftsdienst sei unter der Woche bereits ausreichend beschäftigt, wie Sonntag erklärte. Die Mediziner sind dort zumeist als Fahrdienst unterwegs und nähmen Hausbesuche wahr.

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Der Sprecher hat jedoch kein Verständnis für den Ansturm auf die Notaufnahme an der Fasnet: „Es erschließt sich jetzt nicht, warum ausgerechnet am Rosenmontagabend so viele Patientinnen und Patienten einen dringenden Behandlungsbedarf haben, der nicht bis zum Folgetag warten kann“, sagte Sonntag.

Am Konzept wird noch gefeilt

Auch vier Monate nach dem Poolärzte-Urteil ist immer noch nicht klar, wie die Notfallpraxen zukünftig aufgestellt werden. Ursprünglich war dafür von Dezember 2023 die Rede gewesen.

Das neue Konzept für den ärztlichen Bereitschaftsdienst werde derzeit noch erarbeitet, berichtete Sonntag: „Aktuell können wir noch keinen Termin nennen, wann wir hier über Ergebnisse für einzelne Notfallpraxen berichten können.“ Laut seiner Einschätzung werde das Konzept jedoch im ersten Halbjahr vorgestellt.

Das meint das Sozialministerium

Das Sozialministerium Baden-Württemberg, das für die KVBW zuständig ist, erklärte, dass die Notfallpraxis in Villingen-Schwenningen an den Werktagen „nicht umfangreich in Anspruch“ genommen werde.

Die Notfallpraxis in Villingen-Schwenningen in der Klinikstraße 3 ist nur noch wenige Stunden pro Woche geöffnet.
Die Notfallpraxis in Villingen-Schwenningen in der Klinikstraße 3 ist nur noch wenige Stunden pro Woche geöffnet. | Bild: Moritz Stein

Markus Jox, Sprecher des Ministeriums, sagte auf Anfrage, dass es einen regelmäßigen Austausch mit der Krankenhausgesellschaft gebe. „Auch dort liegen keine konkreten Erkenntnisse über überfüllte Notaufnahmen durch geschlossene KV-Notfallpraxen in Südbaden vor“, so Jox.

Zudem sei das Ministerium nicht für die fachliche, sondern nur die rechtliche Aufsicht für die KVBW.

In anderen Orten in Südbaden sorgt der Umgang der KVBW mit den Notfallpraxen für noch größeren Ärger. In Bad Säckingen wurde die Praxis vollständig geschlossen. Das hat zur Folge, dass die Notaufnahme des Hochrheinklinikums in Waldshut nun die Hausarztfälle abweist.

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