Der Internetgigant Amazon will ein Verteilzentrum in Trossingen bauen. Das Projekt wurde bereits vom Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung mit anschließender öffentlicher Diskussion genehmigt. In Betrieb gehen soll es im Sommer 2022, entstehen sollen im Werk zwischen 130 und 190 Arbeitsplätze. Mitarbeiter sollen zu Beginn 11,15 Euro pro Stunde erhalten, 90 Prozent der Arbeitsplätze sollen in Festanstellung sein.
Überzeugt das Verdi? Wie sind die Erfahrungen der Gewerkschaft mit dem Versandhändler sonst? Der SÜDKURIER hat bei Reiner Geis, dem Geschäftsführer des Bezirks Südbaden, nachgefragt: „Wir sind nach wie vor mit Amazon in einem offenen Konflikt.“ Der Konzern habe aus der Zentrale in den USA weiterhin bestimmte ideologische Vorgaben.
Zu diesen gehören unter anderem, dass Amazon nicht zu flächendeckenden Tarifverträgen bereit sei. Auch arbeitsrechtliche Spielregeln würden nur bedingt akzeptier. „Das führt zu rechtlich schwierigen Konstruktionen und letztlich zu willkürlichen Bezahlungen“, sagt Geis. Allein, dass man sich als Logistikunternehmen sehe, bringe es mit sich, dass etwa die Gewerbesteuer viel niedriger ist, als ein Unternehmen dieser Größe eigentlich zahlen müssen. „Amazon geht in Europa immer da hin, wo sie am wenigstens Abgaben leisten müssen“, so der Bezirksgeschäftsführer weiter. Der Gigant nutze Schlupflöcher und entscheide sich für Billiglösungen.
Wie sich die Lage in Trossingen entwickelt, müsse man sehen, wenn das Verteilzentrum in Betrieb ist und dort Menschen arbeiten. Geis: „Wir schauen dann, welche Art von Verträgen es gibt. Aus der Erfahrung wissen wir, dass Amazon zu Beginn eines neuen Werks meist zu befristeten Verträgen greift.“
Es werde ab Sommer 2022 dann auch darum gehen, zu schauen, ob die Belegschaft einen Betriebsrat gründen wird. Geis unterstreicht, dass das aber aus dem Kreis der Mitarbeiter kommen müsse. Das Betriebsklima müsse dafür entsprechend vorherrschen. Von Zalando in Lahr weiß Geis, dass es dort einen Betriebsrat gibt. Generell geht Geis davon aus, dass auch die Amazon-Mitarbeiter in Trossingen diesen Wunsch haben werden.
Generell merkt Verdi, dass Amazon immer mehr auch in kleinere Regionen geht und sich im Einzelhandel breiter aufstellt. Um nicht nur für die künftigen in Trossingen, sondern auch für alle anderen Amazon-Mitarbeiter höhere Stundenlöhne als die 11,15 Uhr, die in der Musikstadt versprochen wurden, zu erreichen, ist die Gewerkschaft derzeit in Verhandlungen mit Amazon. Das Ziel ist ein flächendeckender Tarifvertrag für alle Werke des US-Konzerns.