Jung, stark, abhängig von Alkohol und Drogen, und immer wieder mit dem Gesetz im Konflikt. „Das ist ein Fall, der einen zur Verzweiflung bringt“, sagt Oberstaatsanwalt Hans-Jörg Roth vor dem Landgericht Konstanz.

Er beschreibt die beiden Angeklagten als zwei durchtrainierten Sportler, die mit Verstand gesegnet seien. Aber sie bekämen ihr Leben nicht in den Griff. Bewährung, Therapie, Strafe – nichts habe geholfen.

Der Staat hat also schon einiges in die beiden investiert. Und er wird das wohl auch weiter machen.

Diese Tat wird ihnen vorgeworfen

Es geht um zwei 26-Jährige, die in Villingen-Schwennigen gemeinsam einen Studenten per Online-Anzeige in eine Falle lockten. Sie gaukelten ihm vor, ein Handy verkaufen zu wollen.

Bei der vermeintlichen Übergabe raubten sie ihm 515 Euro und sein Handy. Einer stand Schmiere, der andere hielt dem heute 23-Jährigen ein Messer an den Bauch und drohte ihm.

Gewalt gegen die Mütter

Beide kommen aus Familien, in denen die Mutter Gewalt erlitt. Der eine Angeklagte war eineinhalb Jahre alt, als diese ins Frauenhaus floh. Der Mann mit dem Messer war fünf Jahre alt, als seine Mutter dasselbe tat.

Das könnte Sie auch interessieren

Beide sind klug, beide sprechen reflektiert. Aber beide sind auch seit Jahren abhängig von Alkohol und Drogen. Und beide haben eine Latte an Vorstrafen.

Ein Leben voller Abstürze

Der Vorsitzende Richter Joachim Dospil schüttelt den Kopf: „Es ist traurig und überflüssig.“ Im Laufe der Verhandlung am Landgericht Konstanz sagt er: „Drogen, Drogen, Drogen.“ Bei ihm landeten so viele Fälle, bei denen junge Menschen ihr Leben in der Sucht verbringen.

Einer der beiden Angeklagten wird in den Saal am Landgericht Konstanz geführt. Beide räumen ein, am Raub beteiligt zu sein. Bild: ...
Einer der beiden Angeklagten wird in den Saal am Landgericht Konstanz geführt. Beide räumen ein, am Raub beteiligt zu sein. Bild: Claudia Rindt | Bild: Rindt Claudia

Der Alltag des Manns mit dem Messer ist gekennzeichnet von Abstürzen und Rückfällen. Er nennt dies: „Das Tuch wieder nass machen.“ Schon im Grundschulalter habe er das erste Bier getrunken. Mit dem 12./13. Lebensjahr komme das Kiffen hinzu, und ab dem 14. Lebensjahr weitere Drogen und der Druck die Sucht zu finanzieren.

Unter Drogen wird er ekelhaft

Über seine letzten Jahre sagt er: „Ich war nicht mehr ich selbst. Es gab keinen Tag, an dem ich nicht getrunken oder gekokst habe.“ Er habe viele Schulden und sei zeitweise obdachlos gewesen. Auf Drogen sei er ekelhaft zu Menschen, ohne Drogen sei er sehr hilfsbereit.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Mann ist stolz, dass er es geschafft hat, einmal ein halbes Jahr frei von Drogen zu bleiben. Davor seien es nur zwei bis drei Wochen gewesen. So gesehen sei er doch schon besser geworden, sagt er. Er wolle sich wieder in Therapie begeben. „Ich brauche Hilfe.“

Sachverständiger hat Zweifel

Der Sachverständige aber sieht kaum Erfolgsaussichten in einer reinen Suchttherapie. Bei Belastungen greife der Mann auf altbekannte Muster zurück, also den Versuch, mit Alkohol und Drogen Probleme zu lösen.

Keine Strafen und Therapien hätten ihn bisher davon abgehalten. Immer wieder sei es zu Eigentums- und Gewaltdelikten gekommen. „Sie sind Ausdruck der Instabilität.“ Bei Konflikte kehre er gern in Kreise zurück, welche die Kriminalität förderten.

Klappt die Therapie im Gefängnis?

Es gebe den Verdacht einer emotionalen Persönlichkeitsstörung. Er empfiehlt eine psychologische Begleitung in Haft. „Da gibt es wenig Ablenkung.“ Im Gefängnis könne der 26-Jährige Abschlüsse und eine Ausbildung nachmachen. Das bestärke das Selbstbewusstsein und könnte Voraussetzung für weitere Entwicklungen sein.

Das könnte Sie auch interessieren

Bei dem anderen 26-Jährigen empfiehlt ein zweiter Gutachter, es nochmal mit einer Entziehungsanstalt zu probieren. Bisherige Maßnahmen hätten wegen der fehlenden Einsicht keine Wirkung gezeigt. Inzwischen sei der Angeklagte motiviert zu einer neuen Therapie.

Mögliches Trauma durch Missbrauch

Der Sachverständige hat den Verdacht, dass der Mann unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. In einer Pflegefamilie will er Gewalt und Missbrauch erlebt haben. Auch dies sollte behandelt werden. Dieser 26-Jährige arbeitet, wenn er nicht gerade im Gefängnis sitzt, einmal sogar selbständig.

Ständig mit dem Gesetzt im Konflikt. Zwei 26-Jährige sind Dauergast im Gerichtssaal, wo das Logo von Landes Baden-Württemberg hängt. ...
Ständig mit dem Gesetzt im Konflikt. Zwei 26-Jährige sind Dauergast im Gerichtssaal, wo das Logo von Landes Baden-Württemberg hängt. Doch warum ist das so? | Bild: Rindt Claudia

Sie müssen nicht mal lallen

Beide Angeklagten standen bei der Tat unter Alkohol und Drogen, beide Gutachter kommen zu dem Schluss, dass dies aber zu keinen erheblichen Einschränkungen geführt habe. Denn beide seien Suchtmittel gewöhnt. Dies deckt sich auch mit dem Eindruck von Zeugen, die die Angeklagten vor und nach der Tat weder lallend noch schwankend erlebten.

Diese Strafe fordert der Staatsanwalt

Oberstaatsanwalt Hans-Jörg Roth hält den Angeklagten vor Augen: „Das ist nicht die erste Person, der sie Gewalt angetan haben.“ Zum Mann mit dem Messer sagt er: „Sie wissen genau, was Gewalttaten mit Menschen machen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Er fordert den unteren Rand der Regelstrafe: Für den Mann mit dem Messer fünf Jahre und sechs Monate und für den, der Schmiere gestanden ist, fünf Jahre und drei Monate.

Verteidiger bitten um kürzere Haft

Die Verteidiger stellen keine konkreten Strafanträge, plädieren aber, deutlich unter den fünf Jahren zu bleiben. Rechtsanwältin Lisanne Bühler sagt, ihr Mandant habe keine Möglichkeit gehabt zu reagieren, als plötzlich ein Messer im Spiel war.

Carsten Kühn sagt über seinen Mandanten mit dem Messer: „Er will sich bessern und ändern. Diese Möglichkeit sollte man ihm geben.“

So fällt das Urteil aus

Der Vorsitzende Richter Joachim Dospil verkündet eine Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Kammer sieht eine Mittäterschaft des Mannes, der Schmiere stand. Das heißt, auch wenn er kein Messer in der Hand hatte, bekommt er drei Jahre und neun Monate. Weil bei ihm die Aussicht besteht, sich von der Sucht zu lösen, kommt er in einer Entziehungsanstalt unter.

Der Täter mit dem Messer bekommt vier Jahre. Er muss erst einmal ins Gefängnis. Hat aber dort die Chance auf Weiterbildung, Ausbildung und Therapie.

Richter erinnert an Vorbildfunktion

Dospil betont, mit dem Messer sei immerhin niemand körperlich verletzt worden. Zu den Angeklagten sagt er: „Ich hoffe, dass das der Wendepunkt ist.“ Sie sollten doch ihren Kindern ein Vorbild sein. Beide wurde jung Vater.