Carl ist auf den ersten Blick unscheinbar. Dabei ist er ein echter Lebensretter. Und Carl ist eine Maschine.
Sein Name ist eine Abkürzung, wie sie sich nur Medizintechniker ausdenken können: controlled automated reperfusion of the whole body. Es geht aber auch einfacher: Der Apparat ist eine Herz-Lungen-Maschine. Allerdings eine, die allerneuste Forschungsergebnisse tatsächlich anwendet.
Bernhard Kumle ist der Direktor der Klinik für Akut- und Notfallmedizin am Klinikum Schwarzwald-Baar. Der Chefarzt hat sich dafür eingesetzt, dass Carl in Villingen-Schwenningen stationiert wird. „Wir wollten immer so eine Maschine“, sagt der Notfallmediziner.
Nach der Wiederbelebung droht neue Gefahr
Durch den Einsatz von Carl sollen Patienten ohne Schäden wiederbelebt werden – selbst wenn die Behandlung erst sehr spät einsetzt oder lange dauert. Das Problem bei Herzstillständen ist nämlich, dass Zellen im Körper absterben, wenn das Blut steht.
Ab einem gewissen Zeitpunkt werden die Zellen dann abgebaut und verwandeln sich dabei in schädliche Stoffe. Gelingt es Ärzten und Pflegern, das Herz wieder zum Schlagen zu bringen, werden diese Giftstoffe im ganzen Körper verteilt. Das führt zu neurologischen Schäden.
Carl hat das Blut im Griff
Mit Carl können die Mediziner jetzt die Wiederherstellung des Blutflusses schonend vornehmen. Das Gerät wird an Vene und Arterie in der Leiste angeschlossen und pumpt das Blut durch den Körper. Dabei überwacht es zahlreiche Messwerte und regelt diese. Dazu gehören Blutfluss, Blutdruck, Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid und Elektrolyte.

Die Maschine kühlt außerdem das Blut runter. Das verlangsamt die Abläufe im Körper. Die Ärzte erkaufen sich damit etwas mehr Zeit. „Wir hatten den Fall eines einjährigen Kindes, das in Schwenningen in einem See ertrunken ist“, erzählt Kumle. Es sei unterkühlt gewesen, nur 26 Grad Körpertemperatur.
Nach drei Stunden Wiederbelebung sei die Herz-Lungen-Maschine aus Freiburg eingetroffen. Weitere sieben Stunden später war das Kind gerettet. „Und es geht ihm gut“, sagt der Chefarzt. Solche Erlebnisse soll das Team der Notaufnahme dank Carl öfter haben.
Studie zeigt Anstieg der Überlebensrate
Laut Universitätsklinikum Freiburg überleben nur sechs bis 26 Prozent der Patienten mit Herzstillstand die Wiederbelebung. „Bisher gab es zehn Minuten nach einem Herzstillstand kaum noch Hoffnung auf Überleben“, heißt es in einer Pressemitteilung. Laut einer Studie liege die Überlebensrate mit Carl jedoch bei 42 Prozent.
Und: „Bei 79,3 Prozent der Überlebenden wurde ein günstiges neurologisches Ergebnis nach 90 Tagen festgestellt.“ Sie trugen also kaum oder keine Schäden davon. „Das sind sensationelle Ergebnisse“, sagt Bernhard Kumle.
Jede Minute zählt
Entscheidend ist laut der Darstellung der Uniklinik jedoch, dass Carl schnell zum Einsatz kommt. Deshalb wurde im Zuge einer Kooperation mit Freiburg das Gerät jetzt in VS stationiert. „Die Spezialisten aus Freiburg fliegen hierher und bauen die Herz-Lungen-Maschine ein“, erklärt Kumle den Ablauf.
Für gute Überlebenschancen sollte das nach spätestens einer Stunde erledigt sein. „Ich habe das durchgerechnet. Es ist sportlich, aber wir bekommen das hin“, sagt der Chef der Notaufnahme. Bei den Einsätzen werde sein Team lernen, Carl selbst anzuwenden.
Noch hat das neue Therapiesystem aber im Schwarzwald-Baar-Kreis kein Menschenleben gerettet. „2024 hatten wir schon zehn Patienten, die infrage gekommen wären“, sagt Kumle. „“Aber entweder war kein Flugwetter oder wir haben sie stabilisiert bekommen oder es gab andere Gründe, dass Carl nicht eingesetzt wurde.“
Auf die Ersthelfer kommt es an
Aber auch am Beginn der Rettungskette muss alles stimmen. Die Herz-Lungen-Wiederbelebung steht ganz am Anfang und je früher die Ersthelfer loslegen, umso höher sind die Überlebenschancen. „Reanimation muss in der Schule gelernt werden“, fordert daher Chefarzt Bernhard Kumle.
Erst kürzlich habe ein junger Mann einen Herzstillstand in einem Supermarkt in Schwenningen gehabt. „Die Verkäuferinnen haben ihn wiederbelebt und ihn sogar mithilfe eines AEDs geschockt“, erzählt der Notfallmediziner. „Der Patient rennt schon wieder in der Gegend herum.“
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