Der St. Georgener Maschinenbau-Spezialist J.G. Weisser ist zahlungsunfähig. Der Insolvenzantrag wurde bereits gestellt. 340 Mitarbeiter bangen nun um ihre Arbeitsplätze.
Um den Sanierungsprozess von J.G. Weisser Söhne zu begleiten, übernehmen Markus Fauser und Tobias Wahl von Anchor Rechtsanwälte die Funktion der Generalbevollmächtigten im Unternehmen.
Markus Fauser und Tobias Wahl haben sich laut Pressemitteilung gemeinsam mit ihrem Kollegen David Blum bereits vor Ort einen Überblick über die Situation verschafft. Weiterhin haben sie mit der Geschäftsführung und dem vorläufigen Sachwalter inzwischen die Mitarbeiter in einer Versammlung informiert.
Nach ersten Gesprächen mit den wichtigsten Kunden aus dem Automotive-Bereich habe das Team von Anchor Rechtsanwälte zusammen mit der Geschäftsführung des Unternehmens eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebes in Aussicht stellen können. Die Produktion am Standort laufe damit unverändert weiter.

Die gute Nachricht: Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen hat einem „Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung zugestimmt“, sagt Pressesprecher David Böhm. Das heißt auch: J.G. Weisser Söhne kann weiter produzieren.
Doch warum hat das Unternehmen Insolvenz in Eigenverantwortung angemelden? Die Hardinge-Gruppe, zu der J.G. Weisser gehört, hat im Sommer selbst in den USA nach Chapter 11 einen Insolvenzantrag gestellt. Deshalb sei die Finanzierung von J.G. Weisser Söhne nicht mehr dauerhaft gesichert gewesen. Kurzfristig angesetzte Verhandlungen wegen einer Sanierung hätten in der gewünschten Zeit nicht zu einem Ergebnis geführt. Dies machte dann den Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung unausweichlich.
Produktions läuft weiter auf Hochtouren
Das Anchor-Team will nun den bereits eingeschlagenen Sanierungsprozess weitergehen. „Ich habe J.G. Weisser Söhne in den vergangenen Tagen als professionell aufgestelltes Unternehmen kennengelernt“, erklärt Markus Fauser und fügt hinzu: „Die Produktion läuft auf Hochtouren und wir haben aktuell den höchsten Auftragsbestand seit den vergangenen zwölf Monaten. Wenn Geschäftspartner und das Team des Unternehmens weiter so gut zusammenarbeiten, dann bin ich von einer stabilen Fortführungslösung überzeugt.“
Parallel werde von Anchor ein strukturierter und professioneller Prozess in die Wege geleitet, der J.G. Weisser retten soll. „Unsere Gesellschafter und die Kunden unterstützen unser Sanierungskonzept. Die Arbeiten im Unternehmen laufen mit vollem Einsatz weiter“, so Viktor Gaspar, Geschäftsführer bei J.G. Weisser Söhne.
Gute Chancen für Sanierung
Die Eigenverwaltung ist ein gerichtliches Sanierungsverfahren zum Erhalt von Unternehmen. Das Unternehmen darf bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters die Gesellschaft – begleitet von Sanierungsexperten – selbst durch das Verfahren führen.
Der vorläufige Sachwalter, Rechtsanwalt Marc-Philippe Hornung von der SZA Schilling Zutt & Anschütz Rechtsanwaltsgesellschaft, sieht gute Chancen für eine erfolgreiche Sanierung: „Ich bin optimistisch bezüglich der Chancen für eine gelungene Restrukturierung und eine stabile Lösung. Gemeinsam mit allen Verfahrensbeteiligten werde ich mich zusammen mit der Geschäftsführung dafür einsetzen und dabei zugleich auf die Belange der Gläubiger achten.“
Die Stellung des Insolvenzantrags wurde von der Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft unter der Leitung von Hendrik Boss und seinem Team rechtlich begleitet. „Wir kennen J.G. Weisser Söhne schon seit mehreren Jahren von unserer Zusammenarbeit sehr gut. Im Rahmen des nun laufenden Sanierungsprozesses werden wir an einer guten Lösung mitarbeiten“, erklärt dazu Hendrik Boss von Taylor Wessing.
Schon 2020 gibt es Entlassungen
Es ist nicht das erste Mal, dass die Mitarbeiter von J.G. Weisser um ihre Arbeitsplätze bangen. Ende Mai 2020 gab das Unternehmen bekannt, sich von 130 Mitarbeitern trennen zu müssen. Als Begründung wurde damals „zur Unternehmensbestandssicherung“ angegeben.
Gleichzeitig wurden die Kurzarbeit ausgeweitet, die seit Anfang April 2020 schon im Unternehmen zum Tragen kam. Sie wurde 60 Prozent ausgebaut und sollte bis mindestens Ende 2020 Bestand haben. Damals hatte das Unternehmen mit dem Standort in Schwenningen und den Auszubildenden 495 Beschäftigte.
Corona-Pandemie trifft J.G. Weisser mit voller Wucht
„Seit Anfang des laufenden Jahres sind die Auftragseingänge in den Bereichen Maschinenverkauf und Service stark eingebrochen“, heißt es 2020 in einer Mitteilung. Die damaligen Geschäftsführer Thorsten Rettich, Robert Rettich und Dennies Thiesen, versuchten, das Unternehmen durch die Maßnahmen zu stabilisieren.
Die Corona-Pandemie hatte den St. Georgener Hersteller von multifunktionalen Präzisions-Drehmaschinen und Drehzentren mit voller Wucht getroffen: Fertig gestellte Maschinen und Anlagen konnten wegen des weltweiten Lockdowns nicht ausgeliefert werden. Bestellte Montagen und Serviceleistungen konnten nicht ausgeführt werden, weil das Reisen nicht möglich war. Und es sei dann noch hinzugekommen, dass Kunden mit Verzögerung gezahlt hätten.
2020 hatte das dann konkrete Auswirkungen. „Wir haben uns die geplanten Umsätze angeschaut und unsere Kosten gegenübergestellt“, erklärt Robert Rettich im Mai 2020. Hintergrund ist, dass die Geschäftsführer auch längerfristig von einem reduzierten Auftragseingang ausgehen, da die wirtschaftliche Konjunktur sich global durch den Corona-Lockdown stark abgekühlt habe. Von den Stellenstreichungen waren damals alle Bereich betroffen.
Haringe-Gruppe kauft 2021 J.G. Weisser
Im August 2021 wurde dann allerdings bekannt, dass der US-amerikanische Hardinge-Gruppe, ein globaler Anbieter von hochpräzisen Werkzeugmaschinenlösungen für schwer zu bearbeitende Metallteile und fortschrittliches Spannzubehör, das St. Georgener Unternehmen übernommen hatte.
„Weisser ist bekannt für seine marktführenden Innovationen und Maschinenkonzepte, die unser wachsendes Portfolio an hochwertigen, hochpräzisen Werkzeugmaschinen ergänzen“, teilte damals der Hardinge-Geschäftsführer Ryan Levenson mit.

Die Integration der Marke Weisser und ihrer Produkte in die Hardinge-Gruppe werde das Wachstum von Weisser weiter beschleunigen – so die Hoffnung von Levenson damals. Der Standort in St. Georgen galt als ein zusätzlicher Baustein in der Standortstrategie der Hardinge-Gruppe, um die Kunden in Europa noch besser bedienen zu können.
Auch die 400 gut ausgebildeten Mitarbeiter seien eine Bereicherung für Hardinge. Mitarbeiter mit solch speziellen Kenntnissen im Maschinenbau seien auf dem Arbeitsmarkt schwer, zu bekommen; entsprechend freue man sich, diese zu übernehmen, heißt es damals von den Amerikanern.